
Vitaminsubstitution


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Während Vegetarier je nach Ausprägung vor allem auf Fleisch und Fisch verzichten (Ovo-Lacto-Vegetarier), essen Veganer keine tierischen Lebensmittel, also auch keine Milchprodukte, Eier und Honig.
Es ist derzeit unklar, wie hoch der Anteil der Vegetarier und Veganer an der Bevölkerung tatsächlich ist. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Institut für empirische Sozialforschung (IFES) aus dem Jahr 2013 ernähren sich 9% aller Österreicher vegetarisch und 1% vegan.2 In Deutschland und in der Schweiz ist der Anteil der Vegetarier geringer und liegt bei 4 bis 5%.3,4 Jedoch sind die berichteten Zahlen wegen unterschiedlicher Erhebungsmethoden nur schwer vergleichbar und repräsentative epidemiologische Studien fehlen.
Nährstoffmangel bei vegetarischer und veganer Ernährung möglich
Eine ausgewogene Ernährung schließt laut den Empfehlungen der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Ernährung alle Lebensmittelgruppen inklusive Fleisch, Fisch und Milchprodukten ein, da jede Gruppe spezifische Nährstoffe liefert.5–7 Wird auf eine Lebensmittelgruppe verzichtet, bedeutet dies, dass die Lebensmittelauswahl gezielt verändert werden muss, um die fehlenden Nährstoffe dennoch aufzunehmen. „Einfach“ eine Lebensmittelgruppe wegzulassen, kann dagegen zu einem Nährstoffmangel führen.
Bei veganer Ernährung ist das Vitamin B12 besonders kritisch, da es nur in Milchprodukten und Fleisch in nennenswerten Mengen vorliegt.1 In der EPIC-Oxford-Kohorte wurde dementsprechend gezeigt, dass Veganer eine niedrigere Vitamin-B12-Konzentration im Serum haben als Vegetarier und Mischköstler. Die Hälfte der Veganer hatte einen Serum-Vitamin-B12-Spiegel <118pmol/l, der einem Vitamin-B12-Mangel entspricht, und damit ein höheres Risiko für die Entwicklung von Vitamin-B12-Mangelsymptomen.8 In derselben Studie war auch der Plasmaspiegel von 25-Hydroxy-VitaminD bei Veganern und Vegetariern deutlich niedriger als bei Fischkonsumenten und Mischköstlern.9 Auf der anderen Seite wiesen Veganer eine deutlich höhere Blutkonzentration an Folat, einem in vielen pflanzlichen Lebensmitteln reichlich enthaltenen B-Vitamin, auf als Vegetarier und Mischköstler.8 Eine Arbeit aus Österreich mit 40 Mischköstlern, 36 Vegetariern und 42 Veganern zeigte in Bezug auf die Gruppe der B-Vitamine, dass die Versorgung mit Thiamin (Vitamin B1) und Folat bei Veganern unproblematisch ist, während Vitamin B2 und B12 bei Veganern häufiger im Mangelbereich lagen als bei Vegetariern und Mischköstlern.10 Eine Schweizer Studie ergab ebenfalls einen niedrigeren Vitamin-D- und Vitamin-B12-Spiegel bei Veganern im Vergleich zu Mischköstlern.11 Das Vitamin B12 war in dieser Studie auch bei Vegetariern niedriger als bei Mischköstlern. Auf der anderen Seite waren Veganer und Vegetarier mit den Vitaminen B6, C und E wesentlich besser versorgt als Mischköstler. Insgesamt kamen die Autoren zu dem Schluss, dass Veganer nicht grundsätzlich schlechter mit Vitaminen versorgt sind als Mischköstler oder Vegetarier.11
Revidierte Ansicht zu Ernährungsempfehlungen in „Wachstumszeiten“
Lange Zeit wurden eine vegetarische und eine vegane Ernährungsweise besonders in Zeiten des Wachstums, also während der Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit, kritisch gesehen. Dies hat sich geändert: Die Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) sieht in einer ausgewogenen ovo-lacto-vegetarischen Ernährung während der Schwangerschaft, der Stillzeit sowie des Säuglings- und Kleinkindalters eine gute Alternative zur Mischkost, die eine adäquate Versorgung von Mutter und Kind gewährleisten kann.2 Unklar ist die Datenlage hingegen in Bezug auf das Gesundheitsrisiko für Mutter und Kind infolge veganer Ernährung (von einem klar erhöhten Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel bei unzureichender Substitution abgesehen). Allerdings wird eine vegane Ernährung seitens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und des bundesweiten Netzwerks „Gesund ins Leben“ für Schwangere und Stillende nicht empfohlen.12–14 Auch die ÖGKJ sprach 2019 in ihrer Stellungnahme keine Empfehlung für eine vegane Ernährung in der Schwangerschaft, der Stillzeit und den ersten Lebensjahren aus.2 Die DGE empfiehlt eine vegane Ernährung während des gesamten Kindes- und Jugendalters nicht.14, 15
Hingegen kommt die US-amerikanische Academy of Nutrition and Dietetics zum Schluss, dass eine gut geplante, ausgewogene vegane Ernährung, die eine Supplementierung kritischer Nährstoffe (in erster Linie Vitamin B12) beinhaltet, in allen Lebensphasen adäquat sein kann.16 Übereinstimmend stellen internationale Fachgesellschaften fest, dass eine vegane Ernährung vor allem während Schwangerschaft, Stillzeit und Kindesalter eine professionelle Begleitung durch Ernährungsfachkräfte bzw. Ärztinnen und Ärzte erfordert.2, 13, 14
Den Nährstoffmangel kompensieren
Mit einer gezielten Lebensmittelauswahl können auch Vegetarier und Veganer ihren Nährstoffbedarf decken. Es kommt dabei darauf an, auf welche Lebensmittel verzichtet wird. Werden lediglich Fleisch und Fisch nicht verzehrt, kann der Bedarf an Nährstoffen gut durch andere Lebensmittelgruppen gedeckt werden. Weniger die Zufuhr von Vitaminen als die von Mineralstoffen (Eisen, Zink, Jod) und in Fisch enthaltenen langkettigen n-3-Fettsäuren kann bei einer vegetarischen Ernährung kritisch werden. Bei einer strikt veganen Ernährung, wenn neben Fleisch und Fisch auch Milchprodukte, Eier und Honig wegfallen, wird die Liste möglicher Mangelnährstoffe länger und umfasst neben Vitamin B12 auch Riboflavin (Vitamin B2; Milch und Milchprodukte). Außerdem sind die Mineralstoffe Jod (Milchprodukte, Fisch), Eisen (Fleisch), Zink (Fleisch) und Kalzium (Milch und Milchprodukte) unter Umständen problematisch.1
Mit Ausnahme von Vitamin B12 können die kritischen Nährstoffe bei einer veganen Ernährung durch eine gut geplante Lebensmittelauswahl und -zusammenstellung in ausreichender Menge aufgenommen werden (Tab. 1 und 2). Vitamin B12 muss beim vollständigen Verzicht auf tierische Lebensmittel über Supplemente zugeführt werden. Die Vitamin-B2-Zufuhr kann über den gezielten Verzehr von Vitamin-B2-reichen pflanzlichen Lebensmitteln (z.B. Brokkoli, Hülsenfrüchte, Nüsse) gedeckt werden. Hinsichtlich des Vitamins D muss ein Wegfall von Fisch und Eigelb durch eine verstärkte endogene Synthese (Sonnenexposition) aufgefangen werden. Bei fehlender Sonnenexposition sind Vitamin-D-Supplemente von 20µg/Tag für Veganer empfehlenswert.12 Dies gilt allerdings auch für die Mehrheit der Vegetarier und Mischköstler (außer bei sehr hohem regelmäßigem Fischverzehr), da generell nur ein geringerer Anteil des Vitamin-D-Bedarfs über Lebensmittel gedeckt werden kann.17
Tab. 1: Pflanzliche Nährstofflieferanten für potenziell kritische Vitamine bei vegetarischer und veganer Ernährung (modifiziert nach Ströhle A et al. 2018, ÖGKJ 2019, DGE 2020)1, 2, 15
Tab. 2: Pflanzliche Nährstofflieferanten für weitere potenziell kritische Nährstoffe bei vegetarischer und veganer Ernährung (modifiziert nach Ströhle A et al. 2018, ÖGKJ 2019, DGE 2020)1, 2, 15
Wann ist eine Supplementierung erforderlich?
Auch wenn die Gefahr eines Vitamin- und Nährstoffmangels bei Vegetariern und Veganern tendenziell höher ist als bei Mischköstlern, sollte eine Substitution nur nach einer individuellen Abklärung im Rahmen einer Ernährungsberatung und/oder einer medizinischen Beratung/Untersuchung erfolgen. Diese stellen sicher, dass eine etwaige Substitution in ausreichender Menge erfolgt.12, 18 Bei Personen, die sich vegan ernähren, sollte der Vitamin-B12-Status regelmäßig überprüft werden. Gleiches gilt für Vegetarier, die nur gelegentlich tierische Produkte verzehren. Bei einem nachgewiesenen Mangel ist eine ärztliche Behandlung dieses Mangels notwendig und eine diätologisch begleitete Substitution sinnvoll.19 Neben einem Monitoring des Vitamin-B12-Status erscheint eine regelmäßige Überprüfung der Versorgung mit Vitamin B2 sowie Kalzium, Vitamin D, n-3-Fettsäuren, Eisen, Jod und Zink sinnvoll.2, 13
Literatur:
Ströhle A et al.: Alternative Ernährungsformen: Allgemeine Aspekte und vegetarische Kostformen. Rehabilitation (Stuttg) 2018; 57: 55-70
Ernährungskommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Plank R: Sicherheit und Risiken vegetarischer und veganer Ernährung in Schwangerschaft, Stillzeit und den ersten Lebensjahren. Monatsschr Kinderheilkd 2019; 167: 22-35
Mensink GBM et al.: Verbreitung der vegetarischen Ernährungsweise in Deutschland. JoHM 2016; doi: 10.17886/RKI-GBE-2016-033
Steinbach L et al.: No-meat eaters are less likely to be overweight or obese, but take dietary supplements more often: results from the Swiss National Nutrition survey menu. Public Health Nutr 2020; 1-10
10 Ernährungsregeln der ÖGE: www.oege.at/index.php/bildung-information/empfehlungen ; zuletzt aufgerufen am 18. 2. 2021
10 Ernährungsregeln der DGE: www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/10-regeln-der-dge ; zuletzt aufgerufen am 18. 2. 2021
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Crowe FL et al.: Plasma concentrations of 25-hydroxyvitamin D in meat eaters, fish eaters, vegetarians and vegans: results from the EPIC-Oxford study. Public Health Nutr 2011; 14: 340-6
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Richter M et al.: Vegane Ernährung. Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). ErnährungsUmschau 2016; 63: 92-102
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Ausgewählte Fragen und Antworten zur Position der DGE zu veganer Ernährung: www.dge.de/fileadmin/public/doc/ws/faq/FAQ-Vegane-Ernaehrung_2020.pdf ; zuletzt aufgerufen am 18. 2. 2021
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