Candida auris: die dunkle Bedrohung?
Autor:
Prof. Dr. med. Frédéric Lamoth
Service des maladies infectieuses
Département de médecineInstitut de Microbiologie
Département de médecine de laboratoire et pathologie
CHUV et Université de Lausanne
E-Mail: frederic.lamoth@chuv.ch
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Neu auftretende Krankheitserreger stellen eine Bedrohung für unsere Gesellschaft dar, die vor dem Hintergrund von Klimaveränderungen, zunehmender weltweiter Mobilität und anderen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten im Allgemeinen immer aktueller wird. Unser Planet ist tiefgreifenden Veränderungen unterworfen, die sich auf die Ökosysteme auswirken. Die Coronavirus-2019-Pandemie (Covid-19) ist das prominenteste Beispiel dafür. Andere, unauffälligere Erreger haben sich jedoch auf heimtückischere Weise eine Nische im Kontakt mit dem Menschen geschaffen. Einer davon ist Candida auris.
Keypoints
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Candida auris ist ein neu auftretender mykotischer Krankheitserreger, der sich weltweit immer weiter verbreitet.
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Wie andere Candida-Arten kann C.auris invasive Candidosen wie z.B. Candidämien verursachen, die mit einer hohen Sterblichkeit verbunden sind.
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C.auris unterscheidet sich von anderen Candida-Arten durch seine Mehrfachresistenz gegen Antimykotika, sein Potenzial zur Übertragung von Mensch zu Mensch und seine Fähigkeit, nosokomiale Ausbrüche auszulösen.
Candida auris, ein hefeartiger Pilz, wurde erstmals 2009 in Japan beschrieben.1 Die Pilzgattung Candida ist seit Langem bekannt und verursacht bei anfälligen oder immungeschwächten Patienten lokale Schleimhautinfektionen (vaginale oder orale Candidose) oder disseminierte Infektionen (Candidämie).2 Patienten im Spital, insbesondere auf der Intensivstation, tragen das höchste Risiko, eine disseminierte (bzw. invasive) Candida-Infektion zu entwickeln, die mit einer hohen Mortalität (30–40%) verbunden ist.2 Wie andere Candida-Arten kann C.auris die Haut besiedeln und Candidämien verursachen, z.B. durch intravaskuläre Katheter.
In diesem Artikel sollen die wesentlichen Fakten dargestellt werden, die Allgemeinpraktiker über C.auris wissen sollten.
Woher kommt Candida auris?
Während C.auris zum ersten Mal in Ostasien isoliert wurde, wurden andere Stämme gleichzeitig in mehreren Regionen und auf mehreren Kontinenten (Südasien, Südafrika, Südamerika) identifiziert.3 Überraschenderweise unterscheiden sich diese Stämme genetisch und können je nach geografischer Region in mehrere Kladen eingeteilt werden, was darauf schliessen lässt, dass diese verschiedenen Kladen unabhängig voneinander aufgetaucht sind.3 Eine attraktive Hypothese, die dieses «globale» Auftreten auf der ganzen Welt erklären könnte, ist die globale Erwärmung, die den gesamten Planeten betrifft.4 Denn die Pilzart C.auris hat die Besonderheit, dass sie relativ hohe Temperaturen (40–42°C) liebt und auch Umgebungen mit hohem Salzgehalt verträgt. C.auris wurde zudem in Ökosystemen mit diesen Merkmalen gefunden, wie z.B. in Flussmündungen und Mangrovenwäldern tropischer Regionen.5,6 Möglicherweise haben die globale Erwärmung und die Austrocknung dieser Feuchtgebiete diesen Mikroorganismus unter anderen, die sich nicht angepasst haben, selektioniert. C.auris hätte dann über einen tierischen Vektor, z.B. Vögel, allmählich die von Menschen bewohnten Gebiete besiedeln können. Obwohl der Beweis noch aussteht, ist dies nach wie vor die plausibelste Hypothese.
Worin unterscheidet sich C.auris von anderen Candida-Arten?
Es gibt viele verschiedene Arten von Candida (oder verwandten Hefepilzen), wobei C.albicans am weitesten verbreitet ist, gefolgt von vier bis fünf weiteren Arten, die für die meisten Infektionen beim Menschen verantwortlich sind.7 Diese Arten unterscheiden sich zwar in ihrem Resistenzprofil gegenüber Antimykotika, sind sich in ihrer Pathogenität jedoch sehr ähnlich. So zeigt C.auris die gleichen Virulenzeigenschaften und ist in der Lage, Candidämien oder andere invasive Candidosen mit einer vergleichbaren Sterblichkeitsrate wie andere Arten hervorzurufen. Aufgrund einiger einzigartiger Merkmale, die C.auris von anderen Candida-Arten unterscheiden und zu einer Art «Supererreger» machen, ist C.auris schnell als besondere Bedrohung aufgekommen.8 Zunächst einmal ist C.auris, was bei einem Pilz selten vorkommt, ansteckend. Diese Übertragung von Mensch zu Mensch ist insbesondere auf die Fähigkeit des Erregers zurückzuführen, in der Umwelt zu überdauern, indem er durch die Bildung von Biofilmen an inerten Oberflächen (Metall, Plastik, Holz usw.) haftet.9 Dies hat zur Folge, dass C.auris in Krankenhäusern Ausbrüche auslösen kann, wo der Erreger sehr schwer zu eliminieren ist, wenn er sich einmal eingenistet hat, da er an sämtlichen Oberflächen (Bettgestelle, Böden, medizinische Geräte usw.) haftet.10,11 Solche nosokomialen Ausbrüche wurden auf Intensivstationen, insbesondere in England und Spanien, berichtet. Sie stellten die Hygieneabteilungen vor grosse Herausforderungen und wirkten sich auch auf die Patientenversorgung aus.10–12 Darüber hinaus ist C.auris gegen herkömmliche Desinfektionsmittel resistent. Zu seiner Eradikation sollten sporizide Mittel auf Basis von Chlor oder Wasserstoffperoxid verwendet werden.11,13 Die Resistenz von C.auris erstreckt sich auch auf Antimykotika. Die meisten Stämme von C.auris sind resistent gegen Fluconazol, ein Antimykotikum, das häufig zur Behandlung von Candidosen eingesetzt wird.3,14,15 Ausserdem wurden Stämme isoliert, die gegen zwei oder sogar alle drei Klassen von Antimykotika resistent sind.16,17 Diese Multiresistenz stellt natürlich eine grosse Bedrohung dar, die die Sterblichkeit bei diesen Infektionen noch erhöhen könnte.
Muss man sich Sorgen machen?
Derzeit hat sich C.auris in einigen Regionen der Welt dauerhaft festgesetzt. In Indien zählt der Erreger zu den fünf Hauptursachen von Candidämien.14 Seine Ausbreitung in den USA und Europa schreitet von Jahr zu Jahr weiter fort.17,18 Die Schweiz ist bislang verschont geblieben. Abgesehen von einigen importierten Fällen (Patienten, die aus dem Ausland verlegt wurden) wurde bislang keine lokale Ausbreitung berichtet.19Dennoch ist äusserste Wachsamkeit geboten, indem Patienten, die aus einem Spital in einem Endemiegebiet verlegt werden, systematisch gescreent werden. Für dieses Screening wurden von Swissnoso Empfehlungen herausgegeben.20 Wird ein Fall entdeckt, müssen alle Kontaktpersonen gescreent werden, und auch alle Patienten der Station, sofern sich der Indexpatient auf der Intensivstation befindet.
Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Candida auris
Es ist wichtig zu beachten, dass C.auris durch einige Identifizierungsmethoden, insbesondere biochemische Teststreifen, nicht korrekt identifiziert wird (weil oft mit anderen Hefearten verwechselt).21 Die modernen Methoden der Massenspektrometrie (MALDI-TOF) ermöglichen jedoch in der Regel einen zuverlässigen Nachweis.21
Bei der Behandlung von Candidämien und anderen invasiven Candidosen durch C.auris sind Echinocandine (z.B. Caspofungin oder Anidulafungin) die Mittel der ersten Wahl, wobei die Therapie im weiteren Verlauf entsprechend dem Antimykogramm angepasst werden kann.22 Das Auftreten von Stämmen, die gegen alle Antimykotikaklassen resistent geworden sind, ist besorgniserregend, auch wenn dieses Phänomen noch begrenzt ist. Die Lage ist jedoch nicht hoffnungslos, da bald neue Antimykotika, die gegen C.auris wirksam sind, wie z.B. Ibrexafungerp und Fosmanogepix, zur Verfügung stehen werden.23
Abschliessend ist festzuhalten, dass C.auris ebenso wie multiresistente Bakterien eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellt, da der Erreger unbehandelt tödliche Infektionen verursachen kann, eine Mehrfachresistenz gegen Antimykotika aufweist und sich im Spitalumfeld stark verbreiten kann. Zwar ist die Lage in der Schweiz noch nicht alarmierend, doch Wachsamkeit ist geboten.
Literatur:
1Satoh K et al.: Candida auris sp. nov., a novel ascomycetous yeast isolated from the external ear canal of an inpatient in a Japanese hospital. Microbiol Immunol 2009; 53: 41-4 2 McCarty TP et al.: Candidemia and invasive candidiasis. Infect Dis Clin North Am 2021; 35: 389-413 3 Lockhart SR et al.: Simultaneous emergence of multidrug-resistant Candida auris on 3 continents confirmed by whole-genome sequencing and epidemiological analyses. Clin Infect Dis 2017; 64: 134-40 4 Casadevall A et al.: On the emergence of Candida auris: climate change, azoles, swamps, and birds. mBio 2019; 10: e01397-195 Arora P et al.: Environmental isolation of Candida auris from the coastal wetlands of Andaman Islands, India. mBio 2021; 12: e03181-20 6 Escandon P: Novel environmental niches for Candida auris: isolation from a coastal habitat in Colombia. J Fungi 2022; 8: 748 7 Lamoth F et al.: Changes in the epidemiological landscape of invasive candidiasis. J Antimicrob Chemother 2018; 73: i4-i13 8 Lamoth F, Kontoyiannis DP: The Candida auris alert: facts and perspectives. J Infect Dis 2018; 217: 516-20 9 Horton MV, Nett JE: Candida auris infection and biofilm formation: going beyond the surface. Curr Clin Microbiol Rep 2020; 7: 51-6 10 Eyre DW et al.: A Candida auris outbreak and its control in an intensive care setting. N Engl J Med 2018; 379: 1322-31 11 Schelenz S et al.: First hospital outbreak of the globally emerging Candida auris in a European hospital. Antimicrob Resist Infect Control 2016; 5: 35 12 Ruiz-Gaitan A et al.: An outbreak due to Candida auris with prolonged colonisation and candidaemia in a tertiary care European hospital. Mycoses 2018; 61: 498-505 13 Cadnum JL et al.: Effectiveness of disinfectants against Candida auris and other Candida species. Infect Control Hosp Epidemiol 2017; 38: 1240-3 14 Rudramurthy SM et al.: Candida auris candidaemia in Indian ICUs: analysis of risk factors. J Antimicrob Chemother 2017; 72: 1794-801 15 Szekely A et al.: Candida auris isolates of the Southern Asian and South African lineages exhibit different phenotypic and antifungal susceptibility profiles in vitro. J Clin Microbiol 2019; 57: e02055-18 16 Bajpai V et al.: Multidrug-resistant Candida auris fungemia in critical care units: experience from a tertiary care hospital in India. Microb Drug Resist 2020; 26: 145-9 17 Lyman M et al.: Worsening spread of Candida auris in the United States, 2019 to 2021. Ann Intern Med 2023; 176: 489-95 18 Cristina ML et al.: An overview on Candida auris in healthcare settings. J Fungi 2023; 9: 913 19 Riat A et al.: First case of Candida auris in Switzerland: discussion about preventive strategies. Swiss Med Wkly 2018; 148: w14622 20 Empfehlungen zur Infektionsprävention und -kontrolle bei Candida auris. 2022. https://www.swissnoso.ch/fileadmin/swissnoso/Dokumente/6_Publikationen/220201_C_auris_Empfehlungen_DE.pdf . Letzter Zugriff: 30.03.2024 21 Keighley C et al.: Candida auris: diagnostic challenges and emerging opportunities for the clinical microbiology laboratory. Curr Fungal Infect Rep 2021; 15: 116-26 22 Tsay S et al.: Approach to the investigation and management of patients with Candida auris, an emerging multidrug-resistant yeast. Clin Infect Dis 2018; 66: 306-11 23 Lamoth F et al.: Investigational antifungal agents for invasive mycoses: a clinical perspective. Clin Infect Dis 2022; 75: 534-44
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