
Gentherapie führt zur Normalisierung der Aktivität des Gerinnungsfaktors IX
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Ziel der Gentherapie der Hämophilie ist es, die genetisch bedingte Erkrankung durch eine Korrektur des defekten Gens zu beheben und nach einer einzigen Infusion des gentherapeutischen Produkts möglichst dauerhaft erhöhte Faktorenspiegel zu erreichen. Damit könnte auch nach Stopp der prophylaktischen Faktorensubstitution eine Blutungsfreiheit und damit ein möglichst normales Leben erreicht werden. Mit der vorliegenden Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Hämophilie B nach der Gentherapie über einen konstanten Spiegel des Gerinnungsfaktors IX verfügen, der teilweise sogar eine Normalisierung der Gerinnungssituation ermöglicht.
Keypoints
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In Phase-I- bis Phase-III-Studien der Gentherapie der Hämophilie können sowohl Patienten mit Hämophilie A als auch Hämophilie B eingeschlossen werden.
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Bislang sind Patienten mit präexistierenden Antikörpern gegen AAV ausgeschlossen.
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Die vorliegenden Studienergebnisse zeigen jedoch auch bei Patienten mit präexistierenden Antikörpern gegen AAV sehr gute Ergebnisse mit Faktorenwerten bis zur Normalisierung ohne relevante Nebenwirkungen.
In dem Vortrag auf der diesjährigen Jahrestagung der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung (GTH) in Bremen „One year data from a phase 2b trial of AMT-061 (AAV5-Padua hFIX variant), an enhanced vector for gene transfer in adults with severe or moderate-severe hemophilia B“ wurde das Ergebnis der Gentherapie der Hämophilie B im Rahmen einer klinischen Phase-IIb-Studie an drei Patienten mit schwerer Hämophilie B berichtet.1 Das Studienpräparat bestand aus einem adenoassoziierten Virus (AAV5-Vektor), der bereits in der Phase-I-Studie zum Einsatz kam.2
Diese im Jahr 2018 publizierte multinationale offene Studie umfasste 10 Erwachsene mit Hämophilie B (Faktor IX [FIX]≤2% des Normalen) und schwerem Blutungsphänotyp. Keiner der Teilnehmer wurde mithilfe eines fluoreszierenden, proteinbasierten Tests positiv auf AAV5-neutralisierende Antikörper getestet, sodass alle 10 gescreenten Patienten in die Studie aufgenommen werden konnten. Eine Einzeldosis von 5×1012 oder 2×1013 Genomkopien von AMT-060/kg wurde jeweils 5 Teilnehmern verabreicht. In der niedrig dosierten Kohorte stieg die mittlere endogene FIX-Aktivität auf 4,4IU/dL. Die annualisierte FIX-Anwendung wurde um 81% reduziert, und die mittlere annualisierte spontane Blutungsrate sank von 9,8% auf 4,6% (53%). In der höher dosierten Kohorte stieg die mittlere FIX-Aktivität auf 6,9IU/dL. Die annualisierte FIX-Anwendung ging um 73% zurück, und die mittlere „annualized spontaneous bleeding rate“ (AsBR) sank von 3,0 auf 0,9 (70%). Es wurde keine Abnahme der FIX-Aktivität oder Kapsid-spezifischen T-Zell-Reaktionen während der Transaminasen-Erhöhungen festgestellt. Eine einzige Infusion von AMT-060 hatte ein positives Sicherheitsprofil und führte zu stabilen und klinisch bedeutsamen Erhöhungen der FIX-Aktivität, einer deutlichen Verringerung der spontanen Blutungen und der Verwendung von FIX-Konzentrat, ohne nachweisbare zelluläre Immunantworten gegen Kapside.
Studiendesign
In der aktuellen Phase-IIb-Studie zu Etranacogene dezaparvovec (AMT-061) der Fa. uniQure wurde derselbe rekombinante AAV5-Vektor verwendet, jedoch mit einer anderen Genkassette, die die FIX-Padua-Variante mit einer ca. 6–8-fach höheren Aktivität enthält. Die Studie wurde durchgeführt, um zu bestätigen, dass eine Einzeldosis von 2×1013 Genomkopien pro Kilogramm von Etranacogene dezaparvovec 6 Wochen nach der Verabreichung zu einer FIX-Aktivität ≥5% führt. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die FIX-Aktivität zu anderen Zeitpunkten, die Blutungshäufigkeit, der FIX-Ersatz und die Sicherheit. Etranacogene dezaparvovec wurde 3 Erwachsenen mit schwerer bis mittelschwerer Hämophilie B (43 bis 50 Jahre) als Einzelinfusion verabreicht. Vor der Behandlung wiesen die Teilnehmer geringe Mengen an bereits vorhandenen neutralisierenden Antikörpern gegen AAV5 auf. Dies war neu im Vergleich zu anderen Studien, in denen neutralisierende Antikörper gegen AAV zuvor ausgeschlossen wurden.
Vielversprechende erste Ergebnisse
Nach einem Jahr zeigte sich eine mittlere konstante Faktor-IX-Aktivität von 41% (31,3–50,2%) (Abb. 1), was dazu führte, dass die regelmäßige prophylaktische Faktorensubstitution gestoppt werden konnte. Die Patienten hatten seitdem keine Einblutung mehr. Zuvor hatten die Patienten unter prophylaktischer Faktorensubstitution ein bis sechs Einblutungen pro Jahr gehabt. Etranacogene dezaparvovec wurde im Allgemeinen gut vertragen. Es wurden keine klinisch signifikanten Erhöhungen der Leberenzym- oder Entzündungsmarker beobachtet, und es war keine behandlungsbedingte Anwendung von Kortikosteroiden erforderlich.
Bei Personen mit schwerer bis mittelschwerer Hämophilie B führte Etranacogenedezaparvovec somit zu klinisch relevanten Erhöhungen der FIX-Aktivität, zum Ende der Blutungen und zum Wegfall der Notwendigkeit eines FIX-Ersatzes, obwohl bereits vorhandene neutralisierende Anti-AAV5-Antikörper vorhanden waren, die mit einem hochempfindlichen Luciferase-Assay nachgewiesen wurden.

Abb. 1: Verlauf der Faktor-IX-Aktivität ein Jahr nach der Gentherapie. aPTT: „activated partial thromboplastin time“. Keine Immunsuppression erforderlich. † Woche 0 stellt die FIX-Aktivität vor der Behandlung mit Etranacogene dezaparvovec dar. * Proben können möglicherweise die Aktivität des exogenen FIX-Ersatzes inkludieren. Modifiziert nach Miesbach W et al.3
Ausblick
Diese Studie stellt in zweifacher Sicht einen bedeutenden Fortschritt der Gentherapie der Hämophilie dar. Einerseits konnte ein konstanter FIX-Spiegel bis zur Normalisierung der Gerinnungssituation erreicht werden, ohne dass es zu einer entzündlichen Reaktion der Leber und einer Erhöhung der Transaminasen kam. Der Verlauf der FIX-Aktivität zeigte sich innerhalb von 12 Monaten konstant ohne Verlust der FIX-Aktivität. Andererseits wurden erstmals Patienten mit vorliegenden Antikörpern gegen AAV5 behandelt.
In zuvor durchgeführten Gentherapie-Studien wurden Patienten mit Antikörpern gegen AAV ausgeschlossen, da sich häufig ein zu geringes Ansprechen zeigte. Dies ist die erste Studie, die ein Ansprechen auch bei Existenz dieser Antikörper nachweist, ohne dass relevante Nebenwirkungen auftraten. Die Gründe hierfür sind noch unklar. Mögliche Erklärungen wären unterschiedliche immunologische Voraussetzungen der unterschiedlichen AAV der Gentherapie-Produkte. Auch ist die Testung der Antikörper nicht einheitlich geregelt und es gibt aktuell keine standardisierten und validierten Tests, sodass es hier innerhalb der verschiedenen Studien zu Unterschieden kommen kann.
Zwar sind die Ergebnisse in ihrer Aussagekraft limitiert, da sie auf insgesamt drei Patienten beruhen und nur den Zeitraum innerhalb eines Jahres nach der Gentherapie umfassen. Sollten sich jedochdiese Ergebnisse in Studien mit größerer Teilnehmerzahl bestätigen, könnte eine insgesamt deutlich höhere Anzahl von Patienten von der Gentherapie profitieren.
Mittlerweile wurde mit dem Studienprodukt Etranacogenedezaparvovec die Phase-III-Studie HOPE-B (Health Outcomes With Padua Gene; Evaluation in Hemophilia-B) mit einer höheren Anzahl von Patienten begonnen.
Autor:
Prof. Dr. Wolfgang Miesbach
Leiter Schwerpunkt Hämostaseologie/Hämophiliezentrum
Medizinische Klinik II
Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie
Universitätsklinikum Frankfurt
E-Mail: wolfgang.miesbach@kgu.de
Literatur:
1 Von Drygalski A et al.: Etranacogene dezaparvovec (AMT-061 phase 2b): normal/near normal FIX activity and bleed cessation in hemophilia B. Blood Adv 2019; 3(21): 3241-7 2 Miesbach W et al.: Gene therapy with adeno-associated virus vector 5-human factor IX in adults with hemophilia B. Blood 2018; 131(9): 1022-31 3 Miesbach W et al.: One year data from a phase 2b trial of AMT-061 (AAV5-Padua hFIX variant), an enhanced vector for gene transfer in adults with severe or moderate-severe hemophilia B. GTH-Jahresmeeting 2020; Präsentation OC05-1-AB
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