
NSCLC auf dem ESMO-Kongress:
Bericht:
Ingeborg Morawetz, MA
Oft zeigt die Erfahrung im klinischen Alltag bereits Trends auf, die noch nicht mit Studiendaten untermauert werden können. Auf dem ESMO-Kongress 2022 wurden nun einige Studien vorgestellt, die die Praxiserfahrung von Onkolog*innen in der Therapie des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) auch auf eine wissenschaftlich-empirische Basis heben.
In einem Interview mit JATROS sprach OA Dr. Maximilian Hochmair über seine diesjährigen Highlights des ESMO-Kongresses. In diesem Artikel fassen wir für Sie die wichtigsten Informationen zusammen.
CodeBreaK 200: positiv in allen Endpunkten
Wie auch die anderen CodeBreaK-Studien untersuchte die Phase-III-Studie CodeBreaK 200 die Wirkung von Sotorasib bei Patient*innen mit NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation.1 Der KRAS-G12C-Inhibitor wurde gegen Docetaxel getestet, nachdem zuvor bereits eine Chemoimmuntherapie durchgeführt worden war. Die Zulassung von Sotorasib basierte bisher nur auf einarmigen Studien.
Der primäre Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) zeigte sich bei einem Follow-up nach 17,7 Monaten statistisch signifikant verlängert (HR: 0,66 [95% CI: 0,51–0,86; p=0,002]). Nach einem Jahr lag die PFS-Rate bei 24,8% vs. 10,1% im Docetaxel-Arm (Abb. 1). Auch in Bezug auf die Gesamtansprechrate (ORR) und die Lebensqualität waren die Ergebnisse positiv.
Abb. 1: Primärer Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) in der CodeBreaK-200-Studie. Modifiziert nach Johnson ML et al. ESMO 20221
Laut Dr. Hochmair bestätigen diese Ergebnisse die Erfahrungen in der täglichen Praxis. Sotorasib kann weiterhin guten Gewissens bei Patient*innen mit NSCLC mit KRAS-G12C-Mutation eingesetzt werden. Auf KRAS-G12C-Mutation sollte weiterhin mit „next-generation sequencing“ (NGS) getestet werden.
IPSOS: neue Erkenntnisse für unfitte Patient*innen
In der Phase-III-Studie IPSOS erhielten Patient*innen mit lokal fortgeschrittenem NSCLC ohne Treibermutationen, die aufgrund von Komorbiditäten oder ECOG-Performance-Status (≥2) in der Erstlinientherapie nicht platintauglich waren, entweder Atezolizumab oder eine Chemotherapie (Gemcitabin oder Vinorelbin).2
Mit dieser Aufstellungging die Studie einer Frage auf den Grund, die häufig im klinischen Alltag aufkommt: Sollten schwache, nicht platintaugliche Patient*-innen auch bei unpassender PD-L1-Expression mit Immuntherapie oder doch eher mit Chemotherapie behandelt werden?
Unabhängig von der PD-L1-Expression zeigten Patient*innen in der IPSOS-Studie im Atezolizumab-Arm im primären Endpunkt Gesamtüberleben eine statistisch signifikante Verlängerung (OS; HR: 0,78; 95% CI: 0,63–0,97; p=0,028). Auch beim PFS, ORR und der Dauer des Ansprechens (DOR) konnten Vorteile festgestellt werden (Tab.1). Unerwartete UAW traten nicht auf.
Tab. 1: Ergebnisse primärer und sekundärer Endpunkte der IPSOS-Studie. Modifiziert nach Lee SM et al. ESMO 20222
Somit verfestigt sich mit Atezolizumab eine neue Therapieoption bei weniger fitten Patient*innen.
CANOPY-A: Stopp für Canakinumab
Rundum negativ, aber dennoch ein Highlight: In der CANOPY-A-Studie konnte nachgewiesen werden, dass der postoperative Einsatz von adjuvantem Canakinumab bei komplett reseziertem NSCLC und nach adjuvanter platinbasierter Chemotherapie und Bestrahlung nicht zielführend ist.3
Bei über 600 Patient*innen pro Arm zeigte sich der monoklonale Antikörper dem Placebo in keinem der Endpunkte überlegen. Diese Ergebnisse widersprachen der Hoffnung, dass sich ein in der CANTOS-Studie beobachteter positiver Einfluss auf die NSCLC-Progression auf die IL-1-beta-Inhibition des Wirkstoffs zurückführen und reproduzieren lässt.4
In anderen CANOPY-Studien erbrachte Canakinumab auch gegenüber Docetaxel und Immuntherapie keinen Vorteil. Es sollte also unter den genannten Umständen aus dem therapeutischen Repertoire für NSCLC entfernt werden.
APPLE: effizienter Wechsel aufOsimertinib
In der randomisierten, dreiarmigen Phase-II-Studie APPLE erhielten Patient*innen mit NSCLC mit EGFR-T790-Mutation in der Erstlinientherapie Osimertinib (Arm A) oder wurden bei Krankheitsprogression von Gefitinib auf Osimertinib umgestellt (Arm B und C).5
Im Arm B wurde die Progression durch zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) nachgewiesen oder durch RECIST (Response Evaluation Criteria in Solid Tumors) eingestuft, im Arm C wurde die Progression ausschließlich durch RECIST ermittelt. Trotz kleiner Population sind die Ergebnisse dieser Studie der European Organisation for Research and Treatment of Cancer gespannt erwartet worden.
Der primäre Endpunkt von Arm B war das PFS unter Osimertinib nach 18 Monaten (PFSR-OSI-18, Abb. 2). Es betrug im Arm B 67,2% (84% CI: 56,4–75,9%) vs. 53,5% (84% CI: 42,3–63,5%) im Arm C, mit einem medianen PFS von 22 Monaten (95%CI: 18,6–NR) vs. 20,2 Monate (95%CI: 14,6–35,0).
Abb. 2: Primärer Endpunkt progressionsfreies Überleben unter Osimertinib nach 18 Monaten (PFS-OSI-18, Abb. 2A und 2B) und sekundärer Endpunkt Gesamtansprechrate (ORR, Abb. 2C) in der APPLE-Studie. Modifiziert nach Remon Masip J et al. ESMO 20225
Auch wenn es bei der PFS-OSI-18-Rate zwischen Arm B und Arm C keinen signifikanten Unterschied gibt, ist in Arm B ein Trend zu erkennen. Bei der ORR war ebenfalls nur ein leichter Trend im Arm B zu identifizieren.
Bereits von den Ergebnissen der APPLE-Studie unterstützt wird die Überwachung des T790M-Status mittels ctDNA bei Therapieentscheidungen bei Patient*innen mit fortgeschrittenem NSCLC und EGFR-Mutation. Diese Strategie konnte 17% der Patient*innen mit molekularer Progression noch vor RECIST identifizieren, was zu einem früheren Wechsel zu Osimertinib führte. Der Wechsel erbrachte klinisch relevant verlängerte PFS- und OS-Raten.
Dr. Hochmairs klinischer Alltag zeigt ihm, dass Patient*innen, die nach Therapie weiterhin ctDNA-positive Flüssigbiopsien haben, eigentlich eine zusätzliche Therapie bräuchten. In einer Nachfolgestudie zur APPLE-Studie sollen nun bei fehlender ctDNA-Freiheit im Arm B zusätzlich Carboplatin und Pemetrexed verabreicht werden. Um dieses Schema auch in der Praxis etablieren zu können, werden die Ergebnisse sehnlich erwartet.
Kleinere Glanzlichter
Vier weitere Studien werden von Dr. Hochmair als erwähnenswert eingestuft.
Stop & go: Nivolumab + Ipilimumab
Die Phase-III-Studie IFCT-1701 zu NSCLC im Stadium IV wurde mit einem interessanten Konzept präsentiert. Ihre Ergebnisse waren leider wegen eines vorzeitigen Studienabbruchs nicht auswertbar.
Sie beschäftigte sich jedoch mit der praxisrelevanten Frage, ob eine Gabe von Nivolumab plus Ipilimumab für sechs Monate und eine mögliche Reinduktion bei Progression einer fortgesetzten Gabe von über sechs Monaten unterlegen ist.6 Ein Zwischenergebnis zeigte einen nicht signifikanten Vorteil in PFS und OS bei Patient*innen mit einer Pause nach sechs Monaten.
Empfehlung für Pembrolizumab + Chemotherapie
Die Studien KEYNOTE-189 und KEYNOTE-407 wurden mit je einem 5-Jahres-Update zur Therapie mit Pembrolizumab + Chemotherapie beim NSCLC vorgestellt. KEYNOTE-189 untersuchte die Kombination beim Nicht-Plattenepithelkarzinom, KEYNOTE-407 beim Plattenepithelkarzinom.7, 8
Beide Studien erbrachten, dass die Gabe von Pembrolizumab + Chemotherapie bei beiden Entitäten im Stadium IV eine sinnvolle Herangehensweise darstellt. So lag in der KEYNOTE-189-Studie das mediane OS bei 22 Monaten (95% CI: 19,5–24,5) für Pembrolizumab + Chemotherapie und bei 10,6 Monaten (95% CI: 8,7–13,6) für Placebo + Chemotherapie. In der KEYNOTE-407-Studie lagen diese Werte bei 17,2 Monaten vs. 11,6 Monate.
Hohe Effektivität für Trastuzumab Deruxtecan
Die verblindete, randomisierte Phase-II-Studie DESTINY-Lung02 zu Trastuzumab Deruxtecan bei Patient*innen mit NSCLC mit HER2-Mutation zeigte in ihren Interimsresultaten, dass die Kombination in später Linie hocheffektiv ist.9
Bisher ist in Hinblick auf Lebensqualität und unerwünschte Nebenwirkungen am ehesten eine Dosierung von 5,4mg pro m2 zu empfehlen.
Tepotinib geeignete Ergänzung zu Osimertinib
Die INSIGHT-2-Studie untersuchte die Therapie mit Tepotinib + Osimertinib beim NSCLC mit MET-Amplifikation nach Osimertinib-Versagen in der ersten Therapielinie. Eine Remissionsrate von über 50% und eine sehr lange Ansprechdauer machen die Kombination zu einer zukünftigen Option.10
Die ORR lag bei 54,5% bei Patient*-innen mit ≥9 Monaten Follow-up (n=22) und bei 45,8% bei Patient*innen mit ≥3 Monaten Follow-up (n=48, Tab. 2). Dass 15–30% aller Patient*innen nach Osimertinib-Versagen sowohl bei FISH- als auch bei NGS-Testung eine MET-Amplifikation zeigen, macht diese Ergebnisse umso relevanter. Die DOR liegt bei sechs Wochen, mehr als die Hälfte der Patient*innen zeigten auch nach sechs Monaten noch ein Ansprechen.
Tab. 2: Objektive Gesamtansprechrate in der INSIGHT-2-Studie. Modifiziert nach Mazieres J et al. ESMO 20229
Da beide Wirkstoffe in Österreich bereits separat zugelassen sind, besteht die Hoffnung, dass sie bald in Kombination in die Praxis eingeführt werden können. Eine Übersicht über Osimertinib, Tepotinib und weitere MET-Inhibitoren bietet die Tabelle 3.
Tab. 3: Übersicht über verfügbare MET-Inhibitoren. Modifiziert nach Ahn MJ et al. WCLC 2022, Goldman JW et al., Wu YL et al. PASCO 2022
Quellen:
1 Highlights zum Lungenkarzinom. Die wichtigsten Studien auf dem Gebiet des Lungenkarzinoms – empfohlen von OA Dr. Maximilian Hochmair. Online unter https://www.universimed.com/at/article/onkologie/esmo-2022-highlights-lungenkarzinom-179675 2 Paris France, 9-13 September, ESMOcongress: OA Dr. Maximilian Hochmair. Online unter https://lungcancer.medroom.at/Elearning/94/VTCLICK.html
Literatur:
1 Johnson ML et al.: Sotorasib versus docetaxel for previously treated non-small cell lung cancer with KRAS G12C mutation: CodeBreaK 200 phase III study. ESMO 2022; Abstr. #LBA10 2 Lee SM et al.: IPSOS: Results from a phase III study of first-line (1L) atezolizumab (atezo) vs single-agent chemotherapy (chemo) in patients (pts) with NSCLC not eligible for a platinum-containing regimen ESMO 2022; Abstr. #LBA11 3 Garon EB et al.: CANOPY-A: Phase III study of canakinumab (CAN) as adjuvant therapy in patients (pts) with completely resected non-small cell lung cancer (NSCLC). ESMO 2022; Abstr. #LBA49 4 Wong CC et al.: Inhibition of IL1β by canakinumab may be effective against diverse molecular subtypes of lung cancer: an exploratory analysis of the CANTOS trial. Cancer Res 2020; 80(24): 5597-605 5 Remon Masip J et al.: Osimertinib treatment based on plasma T790M monitoring in patients with EGFR-mutant non-small cell lung cancer (NSCLC): EORTC Lung Cancer Group 1613 APPLE phase II randomized clinical trial. ESMO 2022; Abstr. #LBA51 6 Zalcman G et al.: Nivolumab (Nivo) plus ipilimumab (Ipi) 6-months treatment versus continuation in patients with advanced non-small cell lung cancer (aNSCLC): Results of the randomized IFCT-1701 phase III trial. ESMO 2022; Abstr. #9720 7 Garassino MC et al.: KEYNOTE-189 5-year update: First-line pembrolizumab (pembro) + pemetrexed (pem) and platinum vs placebo (pbo) + pem and platinum for metastatic nonsquamous NSCLC. ESMO 2022; Abstr. #973MO 8 Novello S et al.: 5-year update from KEYNOTE-407: Pembrolizumab plus chemotherapy in squamous non-small cell lung cancer (NSCLC). ESMO 2022; Abstr. #974MO 9 Goto K et al.: Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) in patients (Pts) with HER2-mutant metastatic non-small cell lung cancer (NSCLC): Interim results from the phase 2 DESTINY-Lung02 trial. ESMO 2022; Abstr. #LBA55 10 Mazieres J et al.: Tepotinib + osimertinib for EGFRm NSCLC with MET amplification (METamp) after progression on first-line (1L) osimertinib: Initial results from the INSIGHT 2 study. ESMO 2022; Abstr. #LBA52
Das könnte Sie auch interessieren:
Erhaltungstherapie mit Atezolizumab nach adjuvanter Chemotherapie
Die zusätzliche adjuvante Gabe von Atezolizumab nach kompletter Resektion und adjuvanter Chemotherapie führte in der IMpower010-Studie zu einem signifikant verlängerten krankheitsfreien ...
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...