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Gesundheit und Politik

Stadt Wien und Ärztekammer starten Kampagne gegen Frauengewalt

Wien - Laut Untersuchungen der Europäischen Grundrechteagentur suchen 27 Prozent der von Gewalt betroffenen Frauen in Österreich ein Spital oder eine Arztpraxis auf. Frauen mit Gewalterfahrung gehen zudem bis zu zehnmal öfter in ein Krankenhaus – und sie wechseln häufiger die Ärzte, um möglichst anonym zu bleiben. Vor diesem Hintergrund haben die Stadt Wien und die Ärztekammer am Freitag die Kampagne „Gewalt macht krank“ vorgestellt, mit der die Gesundheitsberufe stärker für das Problem der häuslichen Gewalt sensibilisiert werden sollen.

Patricia Holzmann, klinische Psychologin und Leiterin der Opferschutzgruppe der Klinik Landstraße, beschäftigt sich seit mittlerweile mehr als zehn Jahren mit dieser Thematik. Und sie schult Pflegepersonal und Ärzteschaft gleichermaßen, wenn es um den Umgang mit Patientinnen geht, die Gewalt erfahren haben. Die große Herausforderung für alle Beteiligten liege darin, „dass eigentlich niemand mit dem Thema Gewalt etwas zu tun haben möchte – weder Täter noch Opfer oder Helfer“. Dementsprechend hätten auch Letztere mitunter Hemmungen, betroffene Frauen auf mögliche Vorfälle anzusprechen, schildert die Expertin im Gespräch mit universimed.com. Genau hier setzen die Schulungen an.

Sieben Schritte der Intervention

Die sieben Schritte der Intervention fasst Holzmann wie folgt zusammen: Gewalt erkennen, Gewalt ansprechen, untersuchen und dokumentieren, behandeln, die Patientin über Schweige- und Anzeigepflicht informieren, die Gefährdungslage abklären und last, but not least Hilfsangebote vermitteln, wie etwa psychologische Betreuung. Ein umfangreicher Prozess, der Zeit und professionellen Umgang mit den Betroffenen verlangt.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker unterstreicht, dass „Ärztinnen bzw. Ärzten und dem Gesundheitspersonal bei der Früherkennung und Prävention von häuslicher und sexualisierter Gewalt eine Schlüsselrolle zukommt“. Und weiter: „In der klinischen Gewaltschutzarbeit leisten die Opferschutzgruppen seit Jahren vorbildliche Arbeit.“

Niedergelassene Ärzte einbinden

Mit der aktuellen Kampagne sollen aber auch die niedergelassenen Ärzte mit ins Boot geholt werden. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres: „Wir tragen diese gemeinsame Initiative selbstverständlich mit. Für Betroffene sind die niedergelassenen Vertrauensärztinnen und -ärzte oft die ersten Ansprechpersonen in solchen Notlagen.“ Die Werbeplakate der Kampagne unter dem Motto „Fragen Sie Ihre Patientin, ob sie Hilfe braucht!“ werden daher auch an rund 1800 Allgemeinmediziner und Gynäkologen verschickt – sowie in den Spitälern in jenen ambulanten und stationären Bereichen angebracht, die am häufigsten von Gewaltopfern aufgesucht werden. Das sind die Abteilungen für Unfall- und Notfallmedizin, Gynäkologie und Geburtshilfe, HNO, Augenheilkunde, Dermatologie und Psychiatrie.

Für Ärzte, die ihrerseits in ihrem beruflichen Alltag von Übergriffen, sexueller Belästigung, Rassismus oder Mobbing betroffen sind, hat die Ärztekammer eine eigene Ombudsstelle eingerichtet, an die sich Kollegen vertraulich wenden können.


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

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