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Gesundheit und Forschung

Personalisierte Medizin: 130 Substanzen gegen Tumorzellen im Test

Wien/Zürich - Personalisierte Medizin wird vor allem in der Krebstherapie immer wichtiger. Denn Behandlungen bei Betroffenen mit gleichem Krankheitsbild zeigen oft ganz unterschiedliche Effekte. Forschende aus Wien und Zürich haben nun erstmals in einer klinischen Studie Wirkstoffe direkt am individuellen Zellmaterial von Patienten mit Lymphdrüsenkrebs und Leukämie getestet.

Diese individuelle Therapie ist möglich und wirksam, teilten das CeMM Research Center for Molecular Medicine der Akademie der Wissenschaften und die MedUni Wien/das AKH Wien am Dienstag mit. In der Studie erhielten 56 Patienten individuell auf sie abgestimmte Therapien. „Aus Echtzeitbiopsien haben wir Tumoreinzelzellen der Patienten untersucht und die Wirkungen von über 130 Kandidatensubstanzen direkt ausgetestet, um festzustellen, welche Therapie beim jeweiligen Individuum anspricht“, berichtet Studienleiter Philipp Staber, Professor an der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie von MedUni/AKH.

Um den Nutzen für die Patienten zu testen, wurde die Zeit des Therapieansprechens mit der bei der jeweiligen Vortherapie verglichen. „54 Prozent unserer Patienten hatten unter der so gewählten Therapie eine deutliche, zumindest um mehr als 30 Prozent verlängerte Zeit ihres progressionsfreien Überlebens. Bei 21 Prozent der Patienten zeigte sich sogar ein Langzeitansprechen“, so Staber. An der Studie, die im Medizinfachblatt „Cancer Discovery“ publiziert worden ist, waren auch Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich beteiligt.

Spezifische Wirksamkeit, reduzierte Nebenwirkungen

Die innovative Form der funktionellen personalisierten Medizin wird als „single-cell functional precision medicine (scFPM)“ bezeichnet. Durch detaillierte Analyse einzelner Zellen werden die Effekte der Wirkstoffe auf sowohl bösartige als auch gesunde Zellen untersucht, die im dafür frisch entnommenen Gewebe von Krebspatienten isoliert werden. Das Verfahren bringt eine Steigerung der spezifischen Wirksamkeit und eine Reduktion der Nebenwirkungen, betonen die Forschenden. Mit der Methode werde eine hohe Präzision durch automatisierte Mikroskopie und computergesteuerte Bildanalyse erreicht.

Für die Studie nutzten die Wissenschaftler „Pharmakoskopie“, einen bildbasierten Ansatz der funktionellen Einzelzellpräzisionsmedizin, entwickelt in der Forschungsgruppe von Giulio Superti-Furga, dem wissenschaftlichen Direktor des CeMM und Professor für Molekulare Systembiologie an der MedUni Wien. „Die Idee zur personalisierten Krebsmedizin ist nicht neu. Doch in der dahinterliegenden Technologie, um Tumorgewebe so zu analysieren, dass daraus therapierelevante Informationen gewonnen werden können, stecken viele Jahre an Forschung“, sagt Superti-Furga. Die Studie veranschaulicht, dass Patienten, für die keine Standardtherapien zur Verfügung stehen, von der funktionellen Einzelzellpräzisionsmedizin stark profitieren. (APA/red)

Weitere Infos: Originalpublikation

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