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Gesundheit und Medizin

Hausarzt werden – wann, wenn nicht jetzt?

Wien - Seit Anfang Oktober dieses Jahres hat die jüngste Primärversorgungseinheit (PVE) im Wiener Sonnwendviertel im 10. Bezirk geöffnet. Das Ärzteteam, bestehend aus den Allgemeinmedizinern Sebastian Huter (re.), Martin Cichocki und Maria Gomez Pellin, hat sich ebenso gefunden wie die anderen Professionen, die dieses PVE ausmachen: fünf Ordinationsassistentinnen, zwei diplomierte Pflegekräfte und Experten aus den Bereichen Sozialarbeit, Diätologie und Psychologie. Der Ansatz der Gesundheitseinrichtung: Public Health im Sinne verstärkter präventiver Angebote für die Bevölkerung.

Hausärzte, die ein PVE gründen – das ist bislang immer noch eine Rarität in der österreichischen Versorgungslandschaft. Zum einen kämpft der Beruf des Allgemeinmediziners mit Imageproblemen, zum anderen schrecken viele Mediziner vor einer Gründung zurück. Für den Allgemeinarzt Sebastian Huter, er ist einer der drei Gesellschafter des PVE Sonnwendviertel, ist beides nicht nachvollziehbar. „Wir haben uns als Ärzteteam neu gefunden und schnell gemerkt, dass wir einen sehr ähnlichen Zugang zur Medizin und Versorgung haben.“ Soll heißen: Die Einrichtung, die auf rund 600 Quadratmetern insgesamt 15 Behandlungsräume anbietet, ist von einer starken Public-Health-Perspektive geprägt. Präventive Angebote sollen neben der Reparaturmedizin eine wesentliche Rolle spielen. Zu diesem Zweck wurde Personal aus fünf weiteren Gesundheits- und Sozialberufen angeheuert.

Das Ende der Fahnenstange ist damit aber noch nicht erreicht. So jung das PVE ist, so weitreichend sind die Pläne für die nächsten Jahre. „Wir werden früher oder später Physiotherapie anbieten und auch die soziale Komponente in der Versorgung noch stärker berücksichtigen“, erklärt Huter. Grund dafür sind die spezifischen Herausforderungen, die in der Region bestehen: hoher Raucheranteil, viele Patienten mit Beschwerden des Bewegungsapparates und eine große Gruppe an älteren Menschen, die allein wohnen – Stichwort: Alterseinsamkeit.

Hausarztberuf nicht krank reden

An Betätigungsfeldern fehlt es also nicht. Und das gilt nicht nur für den 10. Bezirk in Wien. Der viel diskutierte Mangel an Allgemeinmedizinern ist aus Sicht von Huter unbestritten: „Wir kommen in Österreich im Schnitt auf rund 2400 Patienten, die ein Hausarzt versorgt.“ Das sei in anderen Ländern schon die Obergrenze. Ein erwartbarer Rückgang an besetzten Stellen in den kommenden Jahren aufgrund der Altersstruktur sowie schwaches Interesse von Studenten und Jungmedizinern für dieses Fach machen die Aussichten nicht besser.

Huter dazu: „Es gibt keinen Grund, den Beruf krankzureden.“ Einen wesentlichen Ansatz für die Rekrutierung von Allgemeinärzten sieht er in der Adaptierung der Ausbildung, die aktuell „noch sehr spitalslastig ist“. Und weiter: „Die Leute sollten am besten schon während der Basisausbildung Kontakt zu diesem Fach bekommen und die Lehrpraxis früher absolvieren.“ Zudem gelte es, nach dem Studium gute Ausbildungsplätze anzubieten. Um den Bedarf in Zukunft zu decken, werde das aber nicht reichen. „Wir werden uns auch um Kollegen bemühen müssen, die schon länger als Ärzte in anderen Sparten tätig sind, im Spital, in der Reha oder als Notärzte.“ Hier gebe es einen großen Pool an Medizinern, von denen der eine oder andere vielleicht in den niedergelassenen Bereich umsatteln würde.

Der Zeitpunkt, als Allgemeinmediziner zu arbeiten, könnte jedenfalls passender nicht sein, ist Huter überzeugt: „Die Zukunft ist gesichert. Der Mangel und der Druck, die Rahmenbedingungen zu verbessern, steigern unseren Marktpreis. Jetzt ist die Zeit, sich für den Beruf des Hausarztes zu entscheiden.“


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

Weitere Infos: PVE Sonnwendviertel

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