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Gesundheit und Politik

Long Covid oder: Das Fischen im Trüben

Wien - Es ist eine Gretchenfrage: Wie viele Patienten kämpfen in Österreich nach einer Covid-19-Erkrankung mit Long Covid? Wolfgang Panhölzl von der Arbeiterkammer (AK) Wien stellt dazu folgende Rechnung auf: Aus Großbritannien wisse man, dass rund zehn Prozent der Infizierten betroffen sind. Bei bisher rund 3,5 Millionen Erkrankten hierzulande wären das 350.000 Personen. So hoch würde Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom im Institut für Höhere Studien (IHS), die Schätzung nicht ansetzen. Zum einen sei in Österreich mehr getestet worden, zum anderen habe die Impfung im Lauf der Pandemie das Risiko, an Long Covid zu erkranken, reduziert. Allerdings: Nichts Genaues weiß man nicht. Daher sind sich die Experten in einem Punkt einig: Die Datenlage in Österreich ist zu dünn.

Dabei ist die Ausgangssituation ohnehin denkbar schwierig. Laut Andreas Huss, Arbeitnehmer-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), gilt als Long-Covid-Patient, wer mehr als vier Wochen nach der Infektion noch immer gesundheitliche Probleme hat. Die Bandbreite der Beschwerden ist dabei groß. Huss: „Wir verstehen darunter bis zu 200 unterschiedliche Krankheitssymptome.“ Allen voran haben die Patienten psychische Probleme, gefolgt von Lungen- und Atembeschwerden, anderen organischen Erkrankungen und dem Fatigue-Syndrom.

Seit Beginn der Pandemie waren in Österreich 46.000 Krankenstände durch Long Covid zu verzeichnen, Stand heute: 2500 Menschen. In dieser Statistik berücksichtigt ist freilich allein die Gruppe der Erwerbstätigen – Kinder, Jugendliche und Pensionisten sind nicht erfasst. Und das ist nicht der einzige Grund, warum die Dunkelziffer kaum zu greifen ist.

Vernetzung der Daten

„Es fehlt die standardisierte Diagnose-Codierung im niedergelassenen Bereich. Wir wissen nicht, ob die Allgemeinmediziner alle Fälle eingeben“, weist Huss auf eines der Probleme hin. Nachsatz: „In Deutschland müssen die niedergelassenen Ärzte Long Covid nach dem internationalen Codierungssystem melden, in Österreich herrscht hier Aufholbedarf.“ Weitere Forderungen der Experten: Die Daten der Sozialversicherung müssten mit dem epidemiologischen Meldesystem (EMS) verknüpft werden, wie auch die Sozialversicherungs- und Krankenanstaltsdaten. Diese Vernetzung solle für Forschungszwecke „natürlich nach den Richtlinien des Datenschutzes“ zur Verfügung stehen, meint Panhölzl.

Dass die derzeitige Situation „das Arbeiten erschwert“, wie Huss meint, stößt beim Gesundheitsexperten und Mediziner Czypionka auf Verständnis. Zumal in weiterer Folge auch die Planung im Gesundheitswesen beeinträchtigt ist. „Gerade bei einer neuen Erkrankung wäre es wichtig, die Verdachtsdiagnosen aus dem niedergelassenen Bereich zu kennen. Sonst sind wir allein auf die Daten aus den Spitälern angewiesen.“ Je besser und umfangreicher das Zahlenmaterial ist, umso eher ließen sich Krankheitsverläufe und -auffälligkeiten erfassen sowie Strategien – etwa für notwendige Therapieplätze – entwickeln.


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

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