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Gesundheit und Politik

Knalleffekt: Gesundheitsminister Johannes Rauch will Wahlärzte verpflichten

Wien - Der schwelende Konflikt rund um den Einsatz von Wahlärzten im öffentlichen Gesundheitssystem ist um eine Facette reicher: Gesundheitsminister Johannes Rauch sieht „ein Problem mit der jetzigen Praxis des Wahlärztesystems“. Man müsse darüber reden, ob man Medizin-Absolventen nicht dazu verpflichten könne, für eine bestimmte Zeit als Kassenarzt zu arbeiten – etwa ein, zwei Tage in der Woche, kündigte der Minister in der „Tiroler Tageszeitung“ an. Nachsatz: „Das wird ein Konflikt mit der Ärztekammer – und den bin ich bereit zu führen.“

Rauch stößt demnach sauer auf, dass „der größte Teil der ausgebildeten Ärzteschaft sofort in eine Wahlarztpraxis geht und niemand mehr bereit ist, einen Kassenvertrag im niedergelassenen Bereich anzunehmen“. Dass es in Tirol noch kein Primärversorgungszentrum gibt, liegt für Rauch ebenfalls an der Ärztekammer. Er verstehe nicht, warum sich diese „unter fadenscheinigen Argumenten“ gegen neue Modelle wehrt.

Keine Kostenerstattung?

Rauch heizt damit eine Diskussion an, die seit mehreren Wochen köchelt. So hatte Andreas Huss, Arbeitnehmervertreter und aktuell Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Anfang April mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, bei den Wahlärzten solle auf das deutsche System umgestellt werden, in dem es entweder Ärzte im Kassensystem oder reine Privatärzte gebe. Die Konsequenz: Patienten, die in Deutschland einen Privatarzt besuchen, würden keinerlei Kostenersatz von der Sozialversicherung erhalten. Bei Wahlärzten in Österreich erstatten die gesetzlichen Krankenkassen dagegen den Patienten 80 Prozent des jeweiligen Kassentarifs.

Auch aus den Ländern gab es zuletzt Stimmen, wonach Ärzte stärker in die Pflicht genommen werden sollten: So schlug die oberösterreichische Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander Pflichtdienste für Wahlärzte etwa in der Therapie von Drogensüchtigen oder bei Nachtdiensten im Hausärztlichen Notdienst sowie bei Engpässen in Regionen vor. Schließlich werde das Medizinstudium öffentlich finanziert, argumentierte Haberlander.

Ärztekammer für Konflikt „jederzeit bereit“

Die Ärztekammer reagierte am Freitag prompt – und mit der erwartbaren, deutlichen Ablehnung. Der drohende Ärztemangel sei sicher nicht durch Zwang abzuwenden, „viel wichtiger wäre es, endlich die Tätigkeit des Kassenarztes zu attraktivieren – mit weniger Administration sowie besserer Honorierung für Zuwendung und ärztliches Gespräch“, hielt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, dagegen. Wiens frisch gekürter Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart, auch Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, sparte ebenfalls nicht mit Kritik am Gesundheitsminister: „Ich habe eigentlich gedacht, dass wir in einem freien Land leben und nicht in einem Land, in dem man offen totalitären Ideen von Zwangsarbeit nachhängt. Der Arztberuf ist ein freier Beruf und das muss auch so bleiben.“ Für den von Minister Rauch heraufbeschworenen Konflikt sei man „jederzeit bereit“.

Über das Ausmaß des Problems hatte im September 2021 der Rechnungshof berichtet. Die Zahl der Kassenverträge stagnierte demnach von 2009 bis 2019 bei den Allgemeinmedizinern, bei den Fachärzten ging sie sogar um sechs Prozent zurück – und das bei einem Bevölkerungszuwachs von sechs Prozent. Die Zahl der Wahlarztpraxen stieg hingegen bei Allgemeinmedizinern um 42 Prozent, bei Fachärzten um 38 Prozent. In der Frauenheilkunde und Geburtshilfe lag ihr Anteil zuletzt schon bei 16 Prozent, über alle Gruppen hinweg jedoch noch bei vergleichsweise niedrigen 5,5 Prozent. (ehs/APA)

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