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Gesundheit und Politik

Experten kritisieren Wildwuchs bei Psychotherapie auf Kassenkosten

Wien - Die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) spricht sich dafür aus, dass dem Wildwuchs von Therapieformen ohne wissenschaftlichen Wirksamkeitsbeweis ein Riegel vorgeschoben wird. Auf Krankenkassenkosten solle es nur Therapieformen geben, bei denen Evidenz für einen Effekt vorliege, so der Präsident der ÖGPP, Johannes Wancata von der MedUni Wien.

Derzeit findet in Wien der Jahreskongress der Gesellschaft mit dem Themenschwerpunkt „Psychiatrie zwischen Forschung und Praxis“ statt. Für Wancata, Professor für Sozialpsychiatrie an der MedUni Wien, ist das ein Anlass für die Forderung, dass „künftig zur Krankenbehandlung nur mehr jene Verfahren zugelassen werden“, deren positive Effekte durch wissenschaftliche Studien ausreichend belegt sind.

Hintergrund: „In Österreich sind derzeit mehr als 20 Psychotherapiemethoden zugelassen, so viele wie in keinem anderen europäischen Land. All diese Verfahren werden auch von den Krankenkassen bezahlt. Studien, welche die Wirksamkeit von Psychotherapie zur Krankenbehandlung belegen, liegen aber nur für manche Psychotherapiemethoden vor. In internationalen Guidelines zur Behandlung von seelischen Krankheiten findet man daher nur bestimmte Psychotherapieverfahren, die aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz empfohlen werden“, fasst die Fachgesellschaft zusammen.

Wissenschaftlich belegte Effekte

Die Finanzierung von Psychotherapie durch die österreichischen Krankenkassen sollte sich eben an den wissenschaftlich belegten Effekten orientieren. Wancata: „So wie bei allen Behandlungsverfahren in allen Fachgebieten der Medizin sind bestimmte Behandlungen nur für bestimmte Krankheiten wirksam und nicht einfach für alle Krankheiten.“ Jedes Medikament müsse geprüft werden, bevor es zur Behandlung einer Krankheit verwendet werden darf. Auch für Studien, welche die Wirksamkeit von Psychotherapie überprüfen, gebe es international verbindliche Standards.

Zur Behandlung psychischer Erkrankungen in Österreich dürften jedenfalls nur jene Verfahren zugelassen werden, die aufgrund wissenschaftlicher Evidenz in internationalen Guidelines für die jeweiligen Anwendungsgebiete als wirksam empfohlen werden. Wancata weiter: „Eine Refundierung der Kosten durch die Krankenkassen sollte auch nur für diese Psychotherapien erfolgen.“ Das sei man sowohl den Kranken als auch der Solidargemeinschaft der Versicherten schuldig.

ÖGK reagiert positiv

Beim derzeit stellvertretenden ÖGK-Obmann Andreas Huss stoßen diese Vorschläge auf offene Ohren. Auch er kritisiert das aktuelle „Schulen-Wirrwarr bei der Psychotherapie“ und ortet „dringenden Handlungsbedarf“. Der Ball liege hier beim Bund, konkrete Vorschläge seien schon lange bekannt. Huss: „Dazu gehören die Aufnahme von psychologischen Leistungen ins ASVG, die Erneuerung des Psychotherapie-Gesetzes und vor allem ein klares Bekenntnis zu einer staatlichen Ausbildung der PsychotherapeutInnen.“ (APA/ehs)

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