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Atopische Dermatitis

Wann man welche systemische Therapie erwägen sollte

Bei milder und moderater atopischer Dermatitis reichen topische Therapien, Antiseptika und allenfalls eine UV-Therapie aus. Doch Patienten mit schweren Formen kommen oftmals um eine systemische Therapie nicht herum. Wann eignet sich welches Medikament? Ein Überblick.

Im Jahr 2018 gab eine europäische interdisziplinäre Arbeitsgruppe eine aktualisierte Leitlinie zur Behandlung der atopischen Dermatitis bei Erwachsenen und Kindern heraus.1, 2 Dies ist die zurzeit noch gültige Behandlungsrichtlinie. Die Leitlinie davor stammte von 2012 – eine Aktualisierung war notwendig, weil in der Zwischenzeit unter anderem gezielt wirkende Antikörper zugelassen wurden. In einem übersichtlichen Schema haben die Autoren zu Beginn noch einmal das generelle Vorgehen dargestellt: Behandelt wird gemäß Schweregrad, der mit dem SCORAD-Bewertungssystem bestimmt wird. SCORAD steht für „Scoring of Atopic Dermatitis“. Ein SCORAD über 50 wird als schwere atopische Dermatitis erachtet, Werte zwischen 25 und 50 als moderate und ein Wert von unter 25 gilt als milde. Der Patienten-orientierte PO-SCORAD gibt den Schweregrad unabhängig von der Einschätzung des Arztes wieder. Die Ergebnisse korrelieren gut mit dem SCORAD. Während bei milder und moderater atopischer Dermatitis topische Therapien, Antiseptika und – bei Erwachsenen – allenfalls eine UV-Therapie ausreichen, kommt man bei Patienten mit schweren Formen oftmals um eine systemische Therapie nicht herum.

Therapietreue prüfen vor systemischer Therapie

Bevor man jedoch an systemische Medikamente denkt, sollte man sich fragen, warum die topische Therapie bisher nicht wirkte. Verwendet der Patient genügend feuchtigkeitsspendende Produkte? Normalerweise werden recht hohe Mengen benötigt: für Kinder bis zu 10g pro Woche und bei Erwachsenen bis zu 500g. Reinigt der Patient die Haut sorgsam und regelmäßig und mit Antiseptika? Behandelt er sichtbare Läsionen täglich mit topischen Steroiden oder mit topischen Calcineurin-Inhibitoren? Hat er einige Monate eine proaktive Therapie versucht? Also topisches Tacrolimus oder topische Steroide der Klasse II oder III einige Monate zweimal pro Woche über die Abheilung der Läsionen hinaus? Zieht er funktionelle Kleidung mit antimikrobieller Aktivität an und verwendet er Shampoos mit Antimykotika? Hat der Patient versucht, basierend auf Allergietests, die entsprechenden Allergene zu vermeiden, insbesondere Nahrungsmittel- und Kontaktallergene? Hat der Patient eine adäquate Patientenedukation erhalten? Probierte er eine genügend hohe Dosis von topischen Steroiden?

Ist all dies abgeklärt, hat sich der Patient sorgfältig um seine atopische Dermatitis gekümmert und kam man mit einer topischen Therapie, UV-Therapie und ergänzenden Behandlungen wie psychosomatischer Beratung und Klimatherapie nicht weiter, ist über eine systemische Behandlung nachzudenken. Hier muss man unterscheiden zwischen einer systemischen antipruriginösen Behandlung und der systemischen immunsuppressiven Therapie. Gemäß Leitlinie gibt es nicht genügend Evidenz, um einen generellen Einsatz von systemischen Antihistaminika zur Behandlung von Pruritus zu empfehlen. Die Präparate werden seit Jahrzehnten eingesetzt, aber die wenigen randomisierten klinischen Studien haben in der Mehrzahl nur einen schwachen oder keinen Effekt gezeigt. Im Allgemeinen sind systemische Antihistaminika gut verträglich. Man könnte sie versuchen, so die Autoren, wenn die Standardbehandlung mit topischen Steroiden und Basistherapeutika nicht ausreicht. Die Opioid-Rezeptor-Antagonisten Naltrexon und Nalmefen und die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Paroxetin und Fluvoxamin können Juckreiz reduzieren, gehen aber mit beträchtlichen Nebenwirkungen einher. Ein Routineeinsatz zur Behandlung der Neurodermitis wird daher nicht empfohlen.

Cortison systemisch maximal drei Wochen

Für die systemische antiinflammatorische Therapie steht eine Handvoll herkömmliche und neuere Substanzen zur Verfügung. In vielen europäischen Ländern setzen Ärzte orale Glukokortikoide ein. Die altbekannten Nebenwirkungen limitieren jedoch ihren Einsatz. Eine kurzfristige Anwendung bis zu einer Woche ist eine Option zur Behandlung eines akuten Schubes in besonderen Fällen. Die tägliche Dosis sollte 0,5mg/kg Körpergewicht nicht überschreiten. Ein Langzeiteinsatz oraler Kortikoide – also länger als etwa drei Wochen – wird wegen des ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils nicht empfohlen. Dass Cyclosporin A die Hauterscheinungen mindern und den Gebrauch von Glukokortikoiden senken kann, wurde in diversen Studien gezeigt. Es galt bisher als erste Option, wenn ein Patient eine systemische Therapie benötigt. Wegen Nebenwirkungen wie Nephrotoxizität oder Bluthochdruck sollte man Cyclosporin A nicht länger als dauerhaft zwei Jahre verschreiben. Empfohlen werden Therapiepausen nach vier- bis sechsmonatiger Anwendung von drei bis sechs Monaten. Man beginnt mit einer Dosis von 5mg/kg Körpergewicht pro Tag, aufgeteilt in zwei Dosen. Alternativ kann man mit 2,5mg/kg KG beginnen, aufsteigend bis 5mg/kg KG. Sobald ein klinischer Effekt zu erkennen ist, reduziert man die Dosis alle zwei Wochen um 0,5–1,0mg/kg KG/Tag. Wirkt Cyclosporin A nicht oder ist es kontraindiziert, können Methotrexat, Azathioprin oder Mycophenolat-Mofetil probiert werden. Allerdings ist dies nur off-label möglich, weil sie zur Behandlung der atopischen Dermatitis nicht zugelassen sind. Vor Beginn der Therapie mit Azathioprin sollte man die Patienten auf Thiopurin-Methyltransferase(TPMT)-Polymorphismen screenen. Da Mycophenolat-Mofetil und Methotrexat teratogen wirken, sollten die Patienten unbedingt über eine effektive Verhütung aufgeklärt werden.

Bisher nur ein Antikörper zugelassen

Gegen andere entzündliche Hautkrankheiten – vor allem Psoriasis – werden schon seit mehr als zehn Jahren Biologika eingesetzt. Für die atopische Dermatitis ist aber bisher nur ein Präparat zugelassen, nämlich Dupilumab. Der Antikörper blockiert die Interleukine IL-4 und IL-13 und greift so in das Entzündungsgeschehen ein. Mehrere große, randomisierte Studien belegen, dass Dupilumab wirkt und der Effekt anhält. Es ist zugelassen für mittelschwere bis schwere Neurodermitis, wenn eine topische Therapie nicht ausreicht und andere systemische Therapien versagt haben. Andere Antikörper sind nicht zugelassen und sollten – wenn überhaupt – nur bei Patienten versucht werden, deren atopische Dermatitis auf keine andere Behandlung anspricht. Es gibt noch ein paar andere systemisch wirkende Medikamente, die in der Leitlinie aufgeführt sind. So könnte zum Beispiel Alitretinoin eine gute Option sein, wenn der Patient gleichzeitig Handekzeme hat.

Es bleibt abzuwarten, was für systemische Präparate in den kommenden Jahren noch zugelassen werden. Prof. Thomas Werfel, Stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, ist optimistisch: Er sehe „deutliche Fortschritte“ in den neuesten Entwicklungen. „The show must go on“ – so betitelte er jüngst einen Review, in dem er die neuesten Ansätze beschreibt.3 Den Patienten wäre zu wünschen, dass die „show“ erfolgreich wird.

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Bericht:
Dr. Felicitas Witte

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