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Wissenschaft für die Praxis
Urologik
30
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14.09.2017
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<p class="article-intro">Zum 43. Mal trafen die österreichischen und bayerischen Urologen einander zu ihrer gemeinsamen Jahrestagung – in diesem Jahr in Wien. Rund 950 Teilnehmer informierten sich in Forumssitzungen und Kurzvorträgen über aktuelle, praxisrelevante Themen ihres Faches und diskutierten mit den Vortragenden. Im Interview beschreibt der Tagungspräsident und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, Univ.-Doz. Dr. Michael Rauchenwald, die Ziele und die herausragenden Themen des Kongresses.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der Jahrestagung?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Ich bin sehr zufrieden. Man ist sich vorher nie sicher, ob man den richtigen Nerv trifft. Ich glaube aber, das ist gut gelungen. Das Motto war in diesem Jahr „Wissenschaft, die Wissen schafft“ und alle Referenten sind dieser Aufgabe gerecht geworden. Die Programmkommission und ich hatten die Intention, „heiße Themen“ zu diskutieren. Wir wollten Therapien oder Diagnose verfahren, die derzeit in aller Munde sind, einordnen und ihnen den richtigen Stellenwert geben. Dabei galt es, die Frage zu beantworten, welche Evidenz dahintersteht und was reines Marketing ist.</p> <p><strong>Könnten Sie dafür ein Beispiel nennen?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Eine erfolgreiche Sitzung gab es beispielsweise zum Thema „Übertherapie“. Wir setzen sehr teure Therapien, vor allem Medikamente ein, etwa in der Krebsbehandlung. Wir sind alle aufgerufen, verantwortungsbewusst damit umzugehen und zu diskutieren, ob unser Gesundheitssystem sich solche Ausgaben auf Dauer leisten kann. Deshalb müssen wir uns diesbezüglich weiterbilden, damit wir nicht kritiklos auf jeden Zug aufspringen, nur weil etwas neu ist und stark beworben wird. Wenn alle verantwortungsbewusst damit umgehen, dann werden die Ressourcen des Gesundheitssystems geschont. Davon profitieren alle, besonders die Patienten, deren Versorgung wir weiterhin auf hohem Niveau sicherstellen können.</p> <p><strong>In diesem Punkt waren sich die Referenten der Sitzung einig, aber folgen darauf auch konkrete Schritte, zum Beispiel in der Aus- und Weiterbildung der Urologinnen und Urologen?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Das würde ich mir natürlich wünschen, aber die Mühlen mahlen leider langsam. Zunächst geht es darum, ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. Wenn wir das Thema immer wieder diskutieren, können wir die Dinge schrittweise beeinflussen. Dabei geht es aber nicht nur darum, Kosten einzusparen, sondern auch darum, die Versorgung der Patienten zu verbessern. Ein Beispiel ist die Rehabilitation für Prostatakrebspatienten, die von den Sozialkassen bezahlt wird, aber von den Ärzten noch immer viel zu selten verordnet wird. Dabei gibt es inzwischen ausreichend Evidenz für die positive Auswirkung einer uroonkologischen Rehabilitation auf die Genesung und die Lebensqualität der Patienten.</p> <p><strong>Nicht nur in der genannten Sitzung war Krebs ein Thema. Die Onkologie nahm insgesamt im Programm einen breiten Raum ein. Spiegelt das den klinischen Alltag wider?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Derzeit tut sich sehr viel in der Onkologie. Das ist faszinierend und vor allem für unsere Patienten erfreulich. Speziell bei Patienten, für die es bisher kaum Hoffnung gegeben hat, kommen wir mit neuen Therapien in einen Bereich, in dem wir bei guter Lebensqualität das Leben der Betroffenen verlängern können. Das spiegelt insofern die Realität wider, als ein großer Teil unserer Tätigkeit im onkologischen Bereich liegt. Man darf nicht vergessen, dass insgesamt – bei Männern und Frauen – 20 Prozent der Tumorerkrankungen im urologischen Bereich liegen, bei Männern sogar 34 Prozent sämtlicher Tumoren.</p> <p><strong>Welches waren neben der Sitzung zur Übertherapie aus Ihrer Sicht weitere Highlights dieser Tagung?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Sehr interessant waren zum Beispiel die Sitzungen zu den uroonkologischen Updates und zur Bildgebung beim Prostatakarzinom. Dort wurden neue Entwicklungen in der Diagnostik des Prostatakarzinoms wie MRT und PSMA diskutiert. Wir haben den Stellenwert dieser Verfahren festgelegt und die manchmal übertriebenen Hoffnungen, die damit verbunden sind, ein wenig relativiert. Damit haben wir den klinisch tätigen Urologinnen und Urologen etwas an die Hand gegeben, womit sie die Methoden einordnen können. Es kommt darauf an, die richtige Indikation für die Anwendung der Verfahren zu stellen. Dies ist letztlich auch wichtig für unser Gesundheitssystem. Wir haben sehr gute Instrumente an der Hand, aber wir können sie nicht wahllos anwenden, sondern müssen wissen, wo wir sie optimal einsetzen. So sind zum Beispiel die MRT-Plätze oft so ausgebucht, dass es zu langen Wartezeiten kommen kann. Und die Patienten, die tatsächlich eine MRT brauchen, haben das Nachsehen.</p> <p><strong>Dies war nun schon die 43. Gemeinsame Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie und der Bayerischen Urologenvereinigung. Gibt es darüber hinaus eine Zusammenarbeit der Gesellschaften?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Wir haben durch die jahrelange Zusammenarbeit bei den Tagungen ein sehr gutes Verständnis füreinander und eine freundschaftliche Atmosphäre geschaffen. Auch fachlich besteht ein reger Gedankenaustausch. Darüber hinaus sind beispielsweise Österreicher in maßgeblichen Funktionen in Deutschland tätig wie Professor Stenzl, ein ehemaliger Kollege von mir aus Graz, der jetzt in Tübingen arbeitet. Umgekehrt wurden wir sehr von Doktor Zellner aus Bad Füssing bei unseren Bemühungen unterstützt, die urologischonkologische Rehabilitation in Österreich zu fördern.</p> <p><strong>Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr? Welche Pläne haben Sie für den nächsten Kongress, der 2018 in Rosenheim stattfinden wird?</strong><br /> <strong>M. Rauchenwald:</strong> Es wäre schön, wenn wir die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern und etwas weiter über den Tellerrand hinausblicken würden. Damit haben wir ja mit den Tagungsthemen in diesem Jahr schon begonnen. Ich denke dabei an den Begriff des ganzheitlichen Mediziners, mit dem man eigentlich gar nicht werben dürfte. Wir sind alle Doktoren der gesamten Heilkunde, und auch jeder Facharzt muss den Patienten als Ganzes betrachten, nicht nur die Organe, auf die er spezialisiert ist. Denn gerade in Zeiten der Hochspezialisierung ist es wichtig, die ganzheitliche Betrachtung nie außer Acht zu lassen. Und dafür setze ich mich ein.</p> <p><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></p></p>
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