<p class="article-intro">Eine Ausbildungsordnung, deren klinische wie auch theoretische Umsetzung eine Herausforderung darstellt, ein Arbeitszeitgesetz, das die Präsenz beim Patienten deutlich reduziert, finanzielle Rahmenbedingungen, die wenig Spielraum für Investitionen lassen, Lebenskonzepte, die den Arbeitsplatz an seiner Attraktivität und Familienfreundlichkeit messen: Wie schaffen wir diesen Spagat?</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Ausbildungsordnung ermöglicht eine Vertiefung in Spezialgebiete, welche auch angeboten und eingefordert werden sollte.</li> <li>Die Rotation zwischen verschiedenen Ausbildungsstätten wird zur Abdeckung sämtlicher Module unumgänglich sein.</li> <li>Das Programm der Austrian School of Urology wurde adaptiert und trägt nun den Neuerungen der Ausbildungsordnung Rechnung.</li> <li>Die ÖGU unterstützt Initiativen zu Forschungsprojekten und bietet organisatorische Hilfestellung an.</li> </ul> </div> <h2>Spezialisierung</h2> <p>Die nicht mehr ganz so neue Ausbildungsordnung erlaubt die Konzentration auf Spezialgebiete oder Teilaspekte der Urologie, nämlich Kinderurologie, Blasenfunktionsstörung und Urodynamik, Andrologie und sexuelle Funktionsstörungen, urologisch-onkologische Chirurgie, Laparoskopie und minimal invasive Therapie oder Urogeriatrie. Eine vertiefende Ausbildung in einem dieser Module benötigt Raum und Zeit: Raum für den Auszubildenden, um sich zu entfalten und auch aktiv tätig zu werden, aber auch Zeit für den Ausbildner, um sich selbst auf die Rolle des „Lehrers“ adäquat vorzubereiten und Wissensvermittlung nicht zwischen Tür und Angel stattfinden zu lassen.</p> <h2>Maßnahmen der ÖGU</h2> <p>Ausbildung ist sehr wohl eine Bringschuld – natürlich liegt es in unserer Verantwortung als Mediziner, unser Wissen und Können an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Und zwar nicht „irgendwie“ zum Wohle der Agenda, sondern bestmöglich. Ausbildung kann auch Spaß machen, von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zu Teamwork und Synergieeffekten, von denen dann wiederum der Ausbildner profitiert. Zur Unterstützung hat die Österreichische Gesellschaft für Urologie (ÖGU) schon vor geraumer Zeit Maßnahmen ergriffen, um die Vermittlung klinischer Grundlagen auch in Zukunft sicherzustellen. Die Austrian School of Urology hat nun zweimal das komplette vierjährige Curriculum durchlaufen. In den letzten Modulen wurden die Erfordernisse und Änderungen der Ausbildungsordnung 2015 abgebildet und bereits umgesetzt: vor allem um den Themen Kinderurologie, Urogeriatrie und wissenschaftliches Arbeiten den entsprechenden Raum zur Verfügung zu stellen, wurde ein zusätzliches fünftes Modul eingeführt.</p> <h2>Heranführen an das „Arztsein“</h2> <p>Ausbildung ist aber ebenso eine Holschuld, findet zu Hause, in den eigenen vier Wänden, genauso wie im Dienstbetrieb statt. Die Vorbereitung auf eine Operation am Folgetag, sei es durch das Studium der entsprechenden Literatur oder die Wiederholung der anatomischen Grundlagen, ist genauso selbstverständlich Teil der Ausbildung wie die postoperative Betreuung und das Verfolgen des weiteren stationären Genesungsverlaufes des Operierten. Ganz grundsätzliche Elemente des ärztlichen Wirkens, des „Arztseins“, der eigenverantwortliche Erwerb von Wissen und Fertigkeiten, die Einstellung als Mediziner, eine Gesamtverantwortung für die Betreuung eines Patienten zu tragen, von der Aufnahme bis zur Entlassung und nicht nur für einen Eingriff oder eine einzelne Untersuchung, drohen zwischen der um sich greifenden Verschulung des Studiums und den Querelen des Arbeitszeitgesetzes aufgerieben zu werden. Diejenigen mit Leitungsmöglichkeit sind dafür verantwortlich, jungen Ärzten den Raum für Wissenserwerb zu schaffen, aber auch Eigeninitiative und eigenverantwortliches Handeln einzufordern. Die Absolvierung des Medizinstudiums alleine ist dafür keine Voraussetzung (mehr). In ähnlicher Weise liegt es im Eigeninteresse der jungen Ärztinnen und Ärzte, sich selbst aus- und fortzubilden und nicht darauf zu warten, aus- und fortgebildet zu werden.</p> <h2>Ausbildungsordnung mit Modulsystem</h2> <p>Die Neugestaltung der Ausbildungsordnung und die Einführung eines Modulsystems stellen zugleich eine Chance und Herausforderung für das Fach Urologie/Andrologie dar. Nur die wenigsten Abteilungen sind in der Lage, alle vorgesehenen Module anzubieten. Hiervon betroffen sind vor allem die Kinderurologie und das Wissenschaftsmodul. Sind die wissenschaftliche Ausbildung und Forschung eine Kernkompetenz und Domäne der Universitätskliniken, so sind die Abteilungen mit breiter kinderurologischer Expertise rar. Seit vielen Jahren schon wird die Rotation des Nachwuchses zwischen verschiedenen Abteilungen diskutiert und auch als notwendig erachtet, um den Anforderungen an eine umfassende Ausbildung gerecht zu werden und nicht die Kompetenz in Spezialgebieten zu verlieren. Die Kinderurologie ist hier ein gutes Beispiel: Infolge mangelnder öffentlicher Wahrnehmung und ebenso marginalisierter Präsenz in der Facharztausbildung wird dieses Fachgebiet zunehmend von Vertretern benachbarter Disziplinen „bewandert“, seien es nun Pädiater, Kinderchirurgen oder Allgemeinmediziner. Nicht zuletzt um ein Signal zu setzen und diesbezüglich eine Trendwende einzuleiten, hat die ÖGU eine kinderurologische Basisausbildung in das Curriculum der Austrian School of Urology aufgenommen und ihr dort breiten Raum eingeräumt. Im 2017 neu strukturierten Modul 1 des neuen ASU-Konzeptes wurde an zwei von drei Tagen Kinderurologie gelehrt.</p> <h2>Rotation in der Facharztausbildung</h2> <p>Aber zurück zum Alltag: Die Rotation in der klinischen Ausbildung ist wiederum Diskussionspunkt: Die Notwendigkeit ist gegeben (siehe Kinderurologie, aber auch andere Bereiche wie Steintherapie und ESWL, Laparoskopie und bestimmte minimal invasive Operationstechniken), alleine die strukturellen Voraussetzungen sind nicht ohne Weiteres erfüllt. Der Wechsel zwischen zwei Abteilungen bedarf einer langen Vorplanung, eines hohen Maßes an Eigeninitiative und ist „gesegnet“ mit bürokratischen Herausforderungen durch Dienstrecht und Arbeitszeitgesetz sowie betrieblichen Erfordernissen (denn einsetzbares Personal ist überall knapp); ganz zu schweigen vom Wechsel zwischen unterschiedlichen Krankenhausträgern. Der Wunsch nach Rotation in der Facharztausbildung und die Flexibilität dafür müssen von den Ausbildungsärzten mitgebracht werden, es liegt aber in unserer Verantwortung als Fachgesellschaft und gestaltende und leitende Ärzte, für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen. Ähnlich verhält es sich mit dem Modul zu wissenschaftlichem Arbeiten. Primäre Anlaufstelle für wissenschaftlich Interessierte sollten die Universitätskliniken sein. Aber auch in Versorgungskrankenhäusern findet klinische Forschung statt. Es ist derzeit völlig unklar, wo jemand ein wissenschaftliches Modul im Sinne der Ausbildungsordnung absolvieren kann und wie der organisatorische Ablauf ist. Speziell die Freistellung eines Mitarbeiters für ein wissenschaftliches Semester oder Jahr setzt eine motivierte Personalplanung voraus: Zumeist wird ein Dienstgeberwechsel erforderlich sein. Ist ein Personaltausch nicht möglich, so müssen die Personalressourcen gegeben sein, um den Betrieb der Abteilung während der Abwesenheit des Auszubildenden nicht einzuschränken. Soll kein eigenes Projekt umgesetzt werden, so muss die Integration des Ausbildungsassistenten in ein bestehendes Projekt adäquat erfolgen, sodass dieser trotz seiner zeitlich begrenzten Anwesenheit letztendlich profitieren kann und einen verwertbaren Einblick in Forschung und Lehre erhält. Um hier Struktur zu schaffen und Hilfestellung zu bieten, wird die ÖGU zukünftig eine Vermittlerrolle zwischen wissenschaftlich Tätigen und Interessierten anbieten. Auf diesem Weg sollen Kollegen ihre Ideen zu Studienprojekten (klinisch oder aus der Grundlagenforschung) diskutieren und in weiterer Folge auch umsetzen können, was – so ist die Hoffnung – letztendlich auch zu einer Belebung der im Dornröschenschlaf schlummernden wissenschaftlichen Landschaft in Österreich führt und die Präsenz der österreichischen Urologie und Andrologie auf internationalen Kongressen steigert.</p> <div id="keypoints"> <h2>Fazit</h2> <p>Die nicht mehr ganz so neue Aus­bildungsordnung hat einige Verän­derungen mit sich gebracht, viele Chancen und Möglichkeiten schlummern noch. Wollen wir die Kompetenz in Spezialgebieten behalten und eine breite Ausbildung im Fachgebiet der Urologie und Andrologie anbieten, dann müssen wir uns aktiv mit unseren eigenen Ideen und Vorstellungen von Ausbildung und der klinischen Realität auseinandersetzen. Für die nahe Zukunft wird dies eine unserer wesentlichsten Aufgaben und Herausforderungen darstellen.</p> </div></p>