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René Théophile Hyacinthe Laënnec (1781–1826) – Teil 2

<p class="article-intro">Im ersten Teil unserer Betrachtung des Erfinders des Stethoskops ging es um die frühen Jahre Laënnecs und seine Wegbegleiter in dieser Zeit. Der zweite Teil wirft einen Blick auf seine Kindheit und befasst sich mit seinem Wirken in den Zeiten von der Französischen Revolution bis nach der Ära Napoleons. Doch auch Wegbegleiter, die eine wichtige Rolle in Laënnecs Leben spielen, werden nicht vergessen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Wie bereits berichtet, ist Jean-Nicolas Corvisart (1755&ndash;1821) einer der angesehensten Mediziner seiner Zeit. Sowohl Corvisart wie auch La&euml;nnec wird ein St&uuml;ck Jugend geraubt. Beide haben V&auml;ter, die eine Position &auml;hnlich der eines &bdquo;Staatsanwalts&ldquo; innehaben (&bdquo;avocat au parlament&ldquo;). Corvisarts Vater ist in Paris t&auml;tig, der von La&euml;nnec in der Bretagne. Beide V&auml;ter pr&auml;gen mit ihrer H&auml;rte den weiteren Lebensweg ihrer S&ouml;hne entscheidend.</p> <h2>Eine schwierige Kindheit</h2> <p>La&euml;nnec verlor mit sechs Jahren seine Mutter, sie starb an Lungentuberkulose. Sein Vater, Jurist, war nebenbei Dichter. Gesetzeswesen und Dichtkunst beanspruchten ihn derart, dass er keine Zeit hatte, sich um seine Kinder zu k&uuml;mmern. Er brachte sie deshalb bei Verwandten unter. Die Kinder schienen aber das Recht gehabt zu haben, selbst zu w&auml;hlen, bei welchem Onkel oder welcher Tante sie wohnen wollten. Der erste Onkel, bei dem der kleine Ren&eacute; unterkam, war Priester und Doktor an der Sorbonne-Universit&auml;t. Bei diesem konnte der Junge jedoch nicht lange bleiben, denn nach seiner Ernennung zum Generalvikar hielt es der Onkel f&uuml;r angebracht, der Franz&ouml;sischen Revolution durch die Emigration nach England zu entgehen. Weitere Verwandte nahmen sich nacheinander Ren&eacute; La&euml;nnecs an. Er kam schlie&szlig;lich zu seinem Onkel Guillaume-Fran&ccedil;ois, einem Arzt und Professor im H&ocirc;tel-Dieu in Nantes.<sup>A</sup> Schon bald war er f&uuml;r Ren&eacute; der &bdquo;geliebte Onkel&ldquo; (oncle bien-aim&eacute;). <br /> Ren&eacute; La&euml;nnec wollte zun&auml;chst Priester werden, was jedoch zur Zeit der Revolution nicht m&ouml;glich war. Anscheinend war er aber auch sehr angetan davon, Arzt zu werden. Sein Onkel Guillaume-Fran&ccedil;ois bem&uuml;hte sich sehr, dass sein &bdquo;Sch&uuml;tzling in der Medizin&ldquo; vor allem mit dem schwierigen Anfang zurechtkam. Er f&uuml;hrte seinen Neffen selbst in die T&auml;tigkeiten in den Krankens&auml;len ein und sorgte f&uuml;r eine gute Ausbildung in Anatomie. So kam es, dass Ren&eacute; seinen Onkel mehr und mehr sch&auml;tzte. Als es 1795 zu kriegerischen Ausschreitungen kam, stand er an der Seite des Onkels und richtete &bdquo;charpie&ldquo;, Scharpie (Verbandsmaterial f&uuml;r Verwundete), her.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite45.jpg" alt="" width="380" height="452" /></p> <h2>Eine harte Schule</h2> <p>Jean-Nicolas Corvisart erging es in seiner Jugend nicht wesentlich besser. Wie wir bereits wissen, traten die Pariser Juristen recht streng auf. Den jungen Corvisart interessierte das Studieren von Gesetzen so gar nicht und er versteckte sich vor seinem Vater immer wieder in Spit&auml;lern. Daher wurde er aus der Familie ausgeschlossen und stand ohne Unterst&uuml;tzung da, also ohne Geld. Da man jedoch damals Medizinstudenten gerne in den Spit&auml;lern als Krankenpfleger einsetzte, kam er ganz gut &uuml;ber die Runden. <br /> Nach Ansicht zeitgen&ouml;ssischer Autoren hat diese Strenge dem jungen Corvisart nicht geschadet. So schreibt etwa der Pariser Psychiater Guillaume Ferrus, ein Sch&uuml;ler von Philippe Pinel und Verfasser der Corvisart&rsquo;schen &Eacute;loge, <em>&bdquo;&hellip;dass das harsche Vorgehen der Pariser &sbquo;juristischen Familie&lsquo; f&uuml;r diesen t&uuml;chtigen jungen Mann gar nicht schlecht war. Es bewirkte St&auml;rkung in der Entwicklung des jungen Corvisart.&ldquo;</em> Allerdings w&auml;re dies f&uuml;r Corvisarts Eltern beinahe schlecht ausgegangen, als sie verarmt um Essen betteln mussten. Napoleon und sein Minister verhinderten jedoch das Schlimmste. Beide kannten Corvisarts Korrektheit in Staatsangelegenheiten. Er wollte niemanden beg&uuml;nstigen, weil er damit vielleicht einem anderen schaden k&ouml;nnte. Und schon gar nicht, wenn die Beg&uuml;nstigten Verwandte waren. Dies vermutend, hatte Napoleon das Ansuchen der Eltern (wahrscheinlich f&uuml;r eine Unterbringung in einem Altersheim) an sich gezogen und das &bdquo;Gesetz ein wenig ge&auml;ndert&ldquo;. Damit rettete er das Leben der Eltern seines Freundes Corvisart.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Urologik_Uro_1603_Weblinks_seite46.jpg" alt="" width="376" height="586" /></p> <h2>Von der Revolution bis zum Wiederaufleben der Monarchie</h2> <p>Zur&uuml;ck zu den kriegerischen Ereignissen: <em>&bdquo;Die Jakobiner verhielten sich w&auml;hrend ihrer Zeit des &sbquo;Terreurs&lsquo; (Schreckens) skandal&ouml;s. Nach der Niederschlagung des bewaffneten Aufstandes in der Vend&eacute;e (Guerre de Vend&eacute;e) 1793 verbreitete sich eine Typhusepidemie &uuml;ber die Reste des Aufst&auml;ndischenheeres weiter. In ihrer Unmenschlichkeit warfen die siegreichen Republikaner auch die Frauen und Kinder der Soldaten in den Kerker.&ldquo;</em> <br /> Jedoch das Schicksal geht die sonderbarsten Wege, um etwas Positives zu erreichen. In unserem Fall handelte es sich um Hilfe bei der schweren Typhusepidemie. &bdquo;Instrument&ldquo; des Schicksals war die Schwiegermutter von Guillaume-Fran&ccedil;ois La&euml;nnec. Eine nicht sehr kluge Bemerkung dieser Dame <em>(&bdquo;r&eacute;flexion imprudente de sa bellem&egrave;re&ldquo;)</em> f&uuml;hrte zu einer Durchsuchung der Wohnung des Professors und daraufhin zu sechs Wochen Kerkerhaft f&uuml;r jenen. Nun k&uuml;mmerte sich einer der besten &Auml;rzte der Bretagne um die an Typhus erkrankten Gefangenen. Endlich wurden sie gut behandelt und der Zustand der gefangenen Soldaten sowie der Frauen und Kinder besserte sich. <br /> Ren&eacute; La&euml;nnec hatte neben seinem Onkel noch einen weiteren Lehrer: Corentin-Fran&ccedil;ois Ulliac (1758&ndash;1813).<sup>B</sup> W&auml;hrend dessen Dienstzeit als Marinearzt war es La&euml;nnecs gro&szlig;er Wunsch, seinen Milit&auml;rdienst auf Ulliacs Segelschiff zu leisten &ndash; f&uuml;r jemanden, der urspr&uuml;nglich Priester hatte werden wollen, eher au&szlig;ergew&ouml;hnlich. Doch wegen der Aufst&auml;nde in La&euml;nnecs Heimat war dies nicht m&ouml;glich. Wie Dupont<sup>1</sup> schreibt, hatte La&euml;nnec 1799 eine Pr&uuml;fung f&uuml;r &Auml;rzte im Offiziersrang in der Armee bestanden und wurde daher als Offiziers-Mediziner in die Armee von General de Brune einberufen.<br /> 1801 kam La&euml;nnec endlich nach Paris und erlangte dort einen Platz in der &bdquo;&Eacute;cole de sant&eacute;&ldquo;. 1804 promovierte er mit dem schwierigen Thema &bdquo;Vorschlag f&uuml;r eine Vorgehensweise, die Lehre des Hippokrates mit der modernen, kausalen Medizin zu vergleichen&ldquo;.</p> <h2>Die Bedeutung der Jahre 1815&ndash;1816</h2> <p>Im ersten Teil der Geschichte La&euml;nnecs nahm sein guter Freund und Kollege Gaspard Laurent Bayle (1774&ndash;1816) gro&szlig;en Raum ein. Obwohl sich beide in vielerlei Hinsicht &auml;hneln, st&ouml;&szlig;t man bei genauerem Hinsehen auf deutliche Unterschiede. Bayle war ein modern ausgerichteter Arzt mit einer gro&szlig;en Praxis und Erster Assistent Corvisarts sowie dessen Vertreter und Freund. Der &bdquo;kaiserlich&ldquo; (f&uuml;r Napoleon) gesinnte Corvisart hatte 1815 alle seine Aufgaben niedergelegt und sich auf sein Gut zur&uuml;ckgezogen. Bayle &uuml;bernahm die T&auml;tigkeit, konnte aber wegen seines fr&uuml;hen Todes 1816 die &bdquo;moderne kausale Medizin&ldquo; an der Pariser Charit&eacute; nur noch ein Jahr weiterf&uuml;hren. La&euml;nnec hingegen war im Grunde seines Herzens ein kirchentreuer, politisch konservativer Royalist. Er lernte zwar einiges von den f&uuml;hrenden Medizinern seiner Zeit, dem Chirurgen Guillaume Dupuytren, dem Anatomen und Pathologen Marie Fran&ccedil;ois Xavier Bichat und nicht zuletzt von Jean-Nicolas Corvisart. Vor allem Letzteren sch&auml;tzte La&euml;nnec dennoch nicht. William Bynum schreibt dazu: <em>&bdquo;He had in addition assimilated Corvisart&rsquo;s message, even if the pious, politically conservative royalist La&euml;nnec had little personal regard for Napoleon&rsquo;s agnostic physician.&ldquo;</em><sup>2</sup></p> <h2>Die Zeit nach Napoleon: Absetzung von Professoren</h2> <p>Meiner Ansicht nach bedeuten die Jahre 1815 und 1816 einen gro&szlig;en Wendepunkt in der franz&ouml;sischen Medizin. Und dies war politisch bedingt: Nach dem Sturz Napoleons und seiner Verbannung auf St. Helena 1815 wurde vielen Professoren ihre Lehrt&auml;tigkeit durch konservative Politiker und Kirchenvertreter entzogen. Eines der zahlreichen Beispiele ist Philippe Pinel (1745&ndash;1826). Er hatte einer gro&szlig;en Anzahl psychisch Kranker ihre Menschenw&uuml;rde zur&uuml;ckgegeben, indem er sie aus den Kerkern holte und in ein Krankenhaus brachte, was besonders w&auml;hrend der Revolution nicht leicht war. Es war besonders diese Menschlichkeit daf&uuml;r ausschlaggebend, dass man Pinel beim &bdquo;Zehn-Jahres-Preis f&uuml;r Medizin&ldquo; (gestiftet von der franz&ouml;sischen Regierung) als Kontrahenten zu Corvisart ausw&auml;hlte.<br /> W&auml;hrend der Revolution und des anschlie&szlig;enden &bdquo;Regimes des Terrors&ldquo; fanden au&szlig;erdem zahlreiche Priester und andere politisch Gef&auml;hrdete Unterschlupf in Pinels Psychiatrien. Nach dem Ende des Terrors hatten die Vertreter der Kirche und der konservativen Partei dies aber offenbar vergessen. Dass Pinel nicht hingerichtet wurde, verdankte er nur seinen Patienten. Als er verhaftet wurde, umringten ihn viele seiner Patienten, um ihn zu sch&uuml;tzen. Da diese nicht sehr friedlich aussahen, konnten die zur Verhaftung des Arztes geschickten Personen von Gl&uuml;ck reden, dass sie heil davonkamen. Pinels Lehrt&auml;tigkeit wurde nach Ende der napoleonischen Periode nicht mehr verl&auml;ngert. Bei Dupont<sup>1</sup> hei&szlig;t es, dass er Mitglied des &bdquo;Instituts&ldquo; (&bdquo;membre de l&rsquo;institut&ldquo;) war und sp&auml;ter auch &bdquo;m&eacute;dicin-consultant de l&rsquo;&Eacute;mpereur&ldquo;: <em>&bdquo;Pinel est mis retraite (1823) sous le pression des ultras.&ldquo;</em> (Pinel wurde unter dem Druck der Ultras [der Ultra-Konservativen] in Pension geschickt.)<br /> Ein anderes Beispiel ist der Ordinarius f&uuml;r Medizin an der Universit&auml;t in Nantes, der &bdquo;vielgeliebte Onkel&ldquo; Guillaume-Fran&ccedil;ois La&euml;nnec, der ebenfalls keine Vorlesungen mehr halten durfte. Diese Strafe war nach Ansicht vieler Historiker allerdings offenbar doch nicht so hart. La&euml;nnec war ein so beliebter Arzt, dass seine Praxis sich eines regen Zulaufs erfreute. Doch gerade sein Beispiel wirft ein tr&uuml;bes Licht auf seinen Neffen Ren&eacute;. Dieser war zu jener Zeit der Leibarzt der Herzogin von Berry, der Mutter des franz&ouml;sischen Thronfolgers. In dieser Position w&auml;re es ihm sicher m&ouml;glich gewesen, sich f&uuml;r seinen Onkel einzusetzen, zumal ihm selbst alle medizinischen und wissenschaftlichen T&uuml;ren offenstanden. Dies tat er jedoch nicht.</p> <h2>Auf dem Gipfel des Ruhmes</h2> <p>Was war von dem &bdquo;romantischen&ldquo; jungen Studenten geblieben, dem viele Wegbegleiter beim Weiterkommen in der Medizin geholfen hatten? Diesen gab es offensichtlich nicht mehr. Laut Bynum war es auch eher seine politische Einstellung als seine medizinisch-wissenschaftliche Arbeit, die La&euml;nnec zu weiteren Ehren f&uuml;hrte.<sup>2</sup> So wurde er 1822 als Nachfolger des verstorbenen Jean No&euml;l Hall&eacute; (1754&ndash;1822), eines Pioniers hygienischer Ma&szlig;nahmen in Frankreich, in das Coll&egrave;ge de France berufen. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Akademie f&uuml;r Medizin. Nach einer Reorganisation der Fakult&auml;t &uuml;bernahm er zudem Corvisarts Klinik in der Charit&eacute;.<br /> 1824 heiratete der schwer an Tuberkulose erkrankte La&euml;nnec seine Haush&auml;lterin und starb nur zwei Jahre sp&auml;ter in seiner bretonischen Heimat.<sup>1</sup></p> <h2>Einige kritische Betrachtungen</h2> <p>War Ren&eacute; La&euml;nnec tats&auml;chlich einer der hervorragendsten Mediziner seiner Zeit, wie oft behauptet wird? Seit wann hatte er sich eingehend mit der Auskultation besch&auml;ftigt? Schon Hippokrates hatte darauf hingewiesen, dass &bdquo;Laute aus dem menschlichen K&ouml;rper heraustreten und wertvoll f&uuml;r die Diagnostik sein k&ouml;nnten&ldquo;. Dieses Wissen war &ndash; zumindest in Frankreich &ndash; weit verbreitet und daher auch Ren&eacute; La&euml;nnec bekannt. 1814 verbrachte er nach neuerlichen kriegerischen Auseinandersetzungen in seiner Heimat l&auml;ngere Zeit in der Bretagne, m&ouml;glicherweise um dort Unterschiede zwischen &uuml;blichen Kranken und Kriegsverletzten zu finden. Ausgew&auml;hlte Patienten brachte er von dort in das H&ocirc;pital de la Salp&ecirc;tri&egrave;re in Paris, in dem er damals arbeitete. Was genau der Inhalt seines medizinischen Projekts war, ist mir nicht bekannt. Allerdings waren seine G&ouml;nner offenbar erschrocken &uuml;ber die finanziellen Mittel, die er daf&uuml;r be&shy;n&ouml;tigte.<br /> 1816 suchte La&euml;nnec Gaspard Laurent Bayle in der Charit&eacute; auf, weil er bei einer stark &uuml;bergewichtigen j&uuml;ngeren Patientin mit Herzbeschwerden mit der Perkussion nicht zurechtkam. Daher wandte er sich an Bayle, der bereits mehr als zehn Jahre Erfahrung mit der Auskultation, dem sogenannten griechischen Verfahren, hatte. Dies geschah, indem der Arzt sein Ohr direkt auf bestimmte Bereiche des Thorax des zu untersuchenden Patienten legte. Wir sprechen daher auch gerne vom Bayle&rsquo;schen Verfahren (siehe auch <em>Urologik 2/2016</em>, S. 50ff). Ob dabei bereits Erkrankungen der Bronchien beurteilt wurden, wissen wir nicht. Sehr wahrscheinlich wurde aber die Herzfunktion untersucht. Wie wir wissen, lehnte La&euml;nnec eine solche Untersuchung bei seiner jungen Patientin ab. Um den direkten Hautkontakt mit der Frau zu vermeiden, nutzte er eine Papierrolle zwischen seinem Ohr und der Patientin &ndash; de facto das erste Stethoskop. Da Bayle im gleichen Jahr starb, war die Weiterentwicklung der Auskultation vorl&auml;ufig am Ende.<sup>C</sup> La&euml;nnec schreibt, dass er die Erfindung des Stethoskops Kindern und deren Besch&auml;ftigung mit Holz(-Balken) in den Parkanlagen von Paris verdankt, was ich nicht recht nachvollziehen kann.<sup>D</sup> Mit keinem Wort erw&auml;hnt er, dass Corvisart und Bayle sich bereits mit der direkten Auskultation besch&auml;ftigt haben. Gerechterweise h&auml;tte er dies tun sollen, denn er hatte mit seinem (indirekten) &bdquo;Stethoskop&ldquo; lediglich einen neuen Weg f&uuml;r eine bereits bekannte Methode gew&auml;hlt.<br /> Auch die Tatsache, dass er &ndash; obwohl er schon an einer schweren Tuberkulose litt &ndash; innerhalb gut eines Jahres drei hohe wissenschaftliche Positionen erhielt, f&uuml;r die andere deutlich l&auml;nger brauchten, wirft Fragen auf. Wie war es m&ouml;glich, dass La&euml;nnec zwischen 1822 und 1823 Professor am Coll&egrave;ge de France, Mitglied der Akademie der Medizin und Leiter des Instituts von Corvisart an der Charit&eacute; wurde? Ob dies eine politische Entscheidung der damaligen Regierung war oder ob er den von ihm wenig gesch&auml;tzten Corvisart &uuml;berfl&uuml;geln wollte, wissen wir nicht. Bekannt ist aber, dass seine Krankheit ihn oft an der Aus&uuml;bung seiner Pflichten hinderte und er die Positionen nicht so ausf&uuml;llen konnte, wie dies n&ouml;tig gewesen w&auml;re.<br /> Im Gegensatz etwa zu Gaspard Laurent Bayle war Ren&eacute; La&euml;nnec ein Rastloser. Er wechselte die Anstellungen und T&auml;tigkeiten h&auml;ufig. Als er einmal gefragt wurde, welcher Schule er angeh&ouml;re, antwortete er: &bdquo;So geh&ouml;re ich dann keiner Schule an, gehe weder mit den Alten noch mit den Neuen und halte die Erfahrung f&uuml;r meinen einzigen Lehrer.&ldquo; Dieses Zitat stammt aus einem Feuilleton in der &bdquo;Wiener Medizinischen Wochenschrift&ldquo; aus dem Jahr 1865.<sup>3</sup> Es geht darin um die &Uuml;bersch&auml;tzung des Klinikers Ren&eacute; La&euml;nnec.<br /> Wir erkennen in La&euml;nnec einen sehr widerspr&uuml;chlichen Charakter. Er hatte sicher seine Verdienste um die moderne kausale Medizin. Wie gro&szlig; diese jedoch waren, kann diskutiert werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Dupont M: Dictionnaire historique des m&eacute;decins dans et hors de la m&eacute;decine. Paris: Larousse, 1999 <strong>2</strong> Bynum WF: Science and the practice of the medicine in the 19<sup>th</sup> century. Cambridge: Cambridge University Press, 1994 <strong>3</strong> Guardia JM: Laennec &ndash; eine Skizze. Wiener Medizinische Wochenschrift 1865; 15: 1228-30, 1243-45 &bull; Weiterf&uuml;hrende Literatur beim Verfasser.</p> <p><br /><strong>Anmerkungen:</strong><br /><sup><strong>A</strong></sup> Guillaume-Fran&ccedil;ois La&euml;nnec studierte in Paris und ging anschlie&szlig;end nach Montpellier, wo er auch promovierte. Danach verbrachte er zwei Jahre in England. Er war ein sehr angesehener Arzt in der Bretagne und Rektor der kleinen Universit&auml;t in Nantes. Als in Frankreich die &bdquo;medizinischen Sekund&auml;rschulen&ldquo; errichtet wurden, geh&ouml;rte er 1808 zu den Ersten, die diese einf&uuml;hrten. Er &uuml;bernahm in Nantes die innere Klinik und Materia medica. <br /><sup><strong>B</strong></sup> Wir haben nur eine Biografie &uuml;ber Corentin-Fran&ccedil;ois Ulliac gefunden, und zwar in Larousse: &bdquo;Dictionnaires historique des m&eacute;decins dans et hors de la m&eacute;decin&ldquo; von Michel Dupont (1999). Ulliac war Sch&uuml;ler der Chirurgen Philippe-Jean Pelletan (1747&ndash;1829) und Rapha&euml;l Bienvenu Sabatier (1732&ndash;1811) sowie des Gyn&auml;kologen Antoine Dubois (1756&ndash;1837). Sp&auml;ter wurde Ulliac einer der Lehrer von Ren&eacute; La&euml;nnec. Er war Marinechirurg, dann allgemeiner Milit&auml;rchirurg. Anschlie&szlig;end wurde er an die Spit&auml;ler in Rennes und Nantes berufen. Als Milit&auml;rchirurg war er an den Schlachten in Deutschland und Polen beteiligt und wurde w&auml;hrend der Napoleonischen Kriege in Spanien Chefchirurg f&uuml;r die Armee. Als er versuchte, dem im Gefecht verwundeten General Lapisse zur Hilfe zu kommen, verlor Ulliac ein Auge. Er starb w&auml;hrend der Schlacht bei Talavera 1809. <br /><sup><strong>C</strong></sup> In meiner medizinischen Jugend wurden noch viele Krankheiten fast ausschlie&szlig;lich mit Perkussion und Auskultation festgestellt. Vielleicht auch, weil dies die Zeit unmittelbar nach dem Krieg mit sehr begrenzten (diagnostischen) Mitteln war. Wie bereits erw&auml;hnt, kannte ich viele &auml;ltere, erfahrene &Auml;rzte, die kein Stethoskop verwendeten. Man legte sein Ohr an die Thoraxhaut des Patienten, nutzte also die altgriechische oder die Bayle&rsquo;sche Methode. Es gab auch einige Stethoskope aus Holz und fast alle hatten die &uuml;blichen Stethoskope mit zwei Gummischl&auml;uchen.<br /><sup><strong>D</strong> </sup>Ich meine, dass die Holzklopferei der Kinder eine beachtliche &bdquo;externe L&auml;rmerzeugung&ldquo; bewirkt und damit eine genaue Beurteilung der Bronchien bis in ihre Peripherie sowie der Herzt&auml;tigkeit und der Str&ouml;mung in den gro&szlig;en thorakalen Blutgef&auml;&szlig;en st&ouml;rt. Wie kann dies mit einem Stethoskop verglichen werden? Beim Stethoskop mit zwei Gummischl&auml;uchen gehen vom nicht zu gro&szlig;en Trichter zwei Schl&auml;uche ab. So werden mehr Lautschwingungen aufgenommen und auf zwei Ohren verteilt. Gleichzeitig sch&uuml;tzen sie die Ohren vor &auml;u&szlig;eren St&ouml;rger&auml;uschen. Der nicht zu gro&szlig;e Trichter erm&ouml;glicht das Abh&ouml;ren von kleinen Bereichen. Dies verhindert, dass zu viele st&ouml;rende Nebenger&auml;usche aus dem K&ouml;rperinneren aufgefangen werden und die Auskultation beeintr&auml;chtigen.</p> </div> </p>
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