
Erhaltungstherapie mit Avelumab nach Erstlinienchemotherapie beim fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom
Vortragende Ärzte und Chairs:
PD Dr. Maria de Santis, Berlin
REGION WEST
Chair: Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Zams
Präsentation: Priv.-Doz. Dr. Renate Pichler, Innsbruck
REGION NORD
Chair & Präsentation: OA Dr. Franz Stoiber, Oberösterreich
Präsentation: Priv.-Doz. Dr. Lukas Weiss, Salzburg
REGION SÜD
Chair: Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eisterer, Klagenfurt
Präsentationen: Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Bauernhofer, Graz
Ass.-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Martin Pichler, Graz
REGION OST
Chair: Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat, Wien
Präsentationen: OA Dr. Kilian Gust, Wien
OÄ Dr. Dora Niedersüß-Beke, Wien
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Das sich bevorzugt im Bereich der Harnblase manifestierende Urothelkarzinom (UC) ist durch eine hohe Prävalenz charakterisiert: In Österreich erkranken pro Jahr rund 1500 Personen.1,2 Die Patient*innen sind überwiegend männlich, das Durchschnittsalter zum Diagnosezeitpunkt beträgt 73 Jahre.3,4 In der Häufigkeitsstatistik belegt das Urothelkarzinom unter allen Malignomen weltweit den 12. Rang, und 2,1% aller krebsbedingten Todesfälle gehen auf die Erkrankung zurück.5
Die Prognose des metastasierten Urothelkarzinoms ist generell ungünstig. Im metastasierten Stadium (mUC) liegt die Fünfjahres-Überlebensrate unter 5%.4,6 Mit der platinbasierten Chemotherapie wurde in der Erstlinie eine Behandlungssäule etabliert, die nach wie vor Gültigkeit hat. Allerdings geht das dadurch erreichte Ansprechen häufig rasch verloren. Eine neue Therapiemöglichkeit besteht nun in der Erstlinienerhaltungstherapie mit Avelumab. Im Anschluss an die erfolgreiche Erstlinienchemotherapie gelangt der Immuncheckpoint-Inhibitor Avelumab (Bavencio®) zum Einsatz. Die Studie JAVELIN Bladder 100 zeigte bei gleichzeitiger guter Verträglichkeit ein signifikant längeres medianes Überleben durch die Erhaltungstherapie mit Avelumab.7
Am 29. April 2021 diskutierten internationale und nationale Expert*innen im Rahmen eines Webinars, das anlässlich der EU- Zulassung von Avelumab als Erhaltungstherapie beim mUC veranstaltet wurde, die Studienevidenz vor dem Hintergrund der aktuellen Therapielandschaft. Zum Programm gehörten auch Breakout-Sessions, in denen sich die Teilnehmer*innen nach Regionen getrennt (Osten, Norden, Westen und Süden Österreichs) über Besonderheiten und Unterschiede im Hinblick auf die Handhabung der Therapie bei mUC austauschten. Allgemein herrschte Konsens dahingehend, dass sich die Perspektive für Patient*innen mit mUC durch die Verfügbarkeit der Erhaltungstherapie mit Avelumab grundlegend verändern kann.
Therapielandschaft des mUC
Nach der Diagnose eines mUC stellt die Chemotherapie mit Cisplatin (plus Gemcitabin oder als MVAC [Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin und Cisplatin] bzw. auch HDMVAC [High Dose MVAC] bzw. Carboplatin/Gemcitabin) nach wie vor die Standard-Erstlinienstrategie dar.8,9 Wenn der*die Patient*in fit genug ist, sollte Cisplatin der Gabe von Carboplatin vorgezogen werden, da günstigere Outcomes zu erwarten sind.10–12 Als Option bei cisplatinunfitten Patient*innen und hoher PD-L1(Programmed-Death-Ligand-1)-Expression fanden die Checkpoint-Inhibitoren (CPIs) Atezolizumab und Pembrolizumab Eingang in die Erstlinie. Chemotherapie-CPI-Kombinationen wurden in den letzten Jahren im Phase-III-Setting getestet, die Wirksamkeit war hierbei teilweise niedriger als erwartet. In einer weiteren Studie wird zurzeit die Kombination aus einem PD-L1-Inhibitor und einem CTLA-4(Cytotoxic-T-Lymphocyte-Associated-Protein-4)-Antikörper untersucht.13–16
Im Zweitlinien-Setting stehen die CPIs Atezolizumab, Nivolumab und Pembrolizumab als neuere Standardoptionen zusätzlich zu den älteren chemotherapeutischen Schemen (Paclitaxel, Docetaxel, Vinflunin) zur Verfügung. Pembrolizumab kann hier mit einer fundierten Evidenz aufwarten.9,17
Innovative Ansätze
Überzeugende Ergebnisse wurden für das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat (ADC) Enfortumab-Vedotin generiert. In der Phase-II-Studie EV-201 fand sich bei cisplatinunfitten Patient*innen nach CPI-Vortherapie eine objektive Ansprechrate (ORR) von 52%, die Rate der Komplettremissionen lag hier bei 20%.18 Ab der Drittlinie bewirkte die Substanz bei CPI- und platinvorbehandelten Patient*innen in der Phase-III-Studie EV-301 gegenüber der Chemotherapie überlegene Ergebnisse in Bezug auf ORR (40,6% vs. 17,9%) und Gesamtüberleben (OS; 12,88 vs. 8,97 Monate; HR: 0,70).19 In der Studie zeigten sich allerdings Toxizitäten/unerwünschte Nebenwirkungen wie Hautveränderungen, periphere Neuropathie und Hyperglykämie.
Mit Sacituzumab-Govitecan befindet sich ein weiteres ADC in Erprobung. Die Phase-II-Studie TROPHY-U-01 ergab bei Patient*innen nach CPI und platinbasierter Chemotherapie eine 27%ige ORR mit einer CR-Rate von 5%.20, 21 Zu den Nebenwirkungen der Therapie zählten Knochenmarktoxizität, Diarrhö und Fatigue.
FGFR-Aberrationen können beim UC in verschiedenen Varianten vorliegen (Mutation, Rearrangement, Amplifikation).22 Phase-II-Daten zum FGFR-Hemmer Erdafitinib belegten eine ORR von 40,4 % bei Patient*innen mit FGFR-Mutationen und -Fusionen.23 Kombinationsstudien mit CPIs und Erdafitinib laufen gerade. Ein weiterer zielgerichteter Ansatz ist der ADC RC48, der bei HER2-Positivität Wirksamkeit zeigt. Im Phase-II-Setting wurde eine ORR von über 60% erzielt.24 Patient*innen mit Lebermetastasen sprachen zu 70% an, und das mediane progressionsfreie Überleben war zum Analysezeitpunkt noch nicht erreicht, obwohl die Patient*innen intensiv vortherapiert waren.
Avelumab-Erhaltung: JAVELIN Bladder 100
Die Studie JAVELIN Bladder 100 evaluierte die Erhaltungstherapie mit Avelumab 10mg/kg alle zwei Wochen plus Best Supportive Care (BSC) bei Patient*innen mit nichtresezierbarem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem UC, die nach 4–6 Zyklen einer Erstlinienchemotherapie eine komplette Remission (CR), partielle Remission (PR) oder Krankheitsstabilisierung (SD) erreicht hatten.7 Gegenüber Best Supportive Care (BSC) allein erreichte die Therapie mit Avelumab eine Zunahme des medianen OS (mOS) von 14,6 auf 22,1 Monate (HR: 0,70; p=0,0008), was dem längsten bisher in klinischen Studien beobachteten mOS beim mUC entspricht.25 Bei Patient*innen mit PD-L1-positiven Tumoren resultierte eine noch deutlichere Risikoreduktion (nicht erreicht vs. 17,5 Monate; HR: 0,60; p=0,0019).25
mOS-Benefits manifestierten sich unabhängig von der Dauer der Erstlinienchemotherapie7 und von deren Art (Cisplatin vs. Carboplatin) sowie vom Ausmaß des Ansprechens vor Beginn der Erhaltungstherapie.26 Die Verträglichkeit der Avelumab-Therapie zeigte keine unerwarteten Daten. Immunassoziierte Grad-3-Nebenwirkungen wurden bei 7,0% verzeichnet, und die Therapie führte zu keiner signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität im Vergleich zu BSC allein.27
Die ESMO-Guidelines sprechen eine IA-Empfehlung für die Erhaltungstherapie mit Avelumab bei Patient*innen aus, die nach einer platinbasierten Chemotherapie keine Progression aufweisen.9
Kasuistiken
Patient*innenfälle illustrieren die Erhaltungstherapie mit Avelumab im klinischen Alltag. Bei dem von OÄ Dr. Dora Niedersüß-Beke, Wien, vorgestellten Patienten, der im Alter von 80 Jahren mit muskelinvasivem UC und Lungenmetastasen vorgestellt wurde, wurde die Induktionstherapie aufgrund zahlreicher Komorbiditäten (COPD, chronische Niereninsuffizienz, Hypertonie, Z.n. Myokardinfarkt) bereits mit Split-dose-Cisplatin gestartet. Dennoch erzwang ein Kreatininanstieg eine rasche Umstellung auf Carboplatin. Nach dem Eintreten eines Ansprechens konnte schließlich eine Avelumab-Erhaltungstherapie verordnet werden. Bis dato erhielt der Patient 12 Zyklen, die er gut vertrug.
Auch ein Anfang-70-jähriger Patient, der von Priv.-Doz. Dr. Lukas Weiss, PhD, Salzburg, präsentiert wurde, war mit einigen Komorbiditäten vorbelastet (Hypertonie, Typ-2-Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis), insgesamt jedoch fit. Sechs Monate nach einer transurethralen Resektion aufgrund eines UC (pT1 Nx Mx, G3) manifestierte sich eine lymphogene Metastasierung. Auch hier gab die renale Vorbelastung den Ausschlag für eine Reduktion der Cisplatin-Dosis. Nach Eintreten einer CR nach sechs Zyklen konnte Avelumab trotz Vorliegens der Hashimoto-Thyreoiditis mit (adäquat substituierter) Hypothyreose verordnet werden. Keine der Therapien bedingte nennenswerte Toxizitäten.
Priv.-Doz. Dr. Renate Pichler, Innsbruck, berichtete über eine Patientin Anfang 80, die nach der radikalen Zystektomie (pT3b L1 V0 pN2 R0) primär nur nachbeobachtet wurde. 14 Monate später zeigte die Bildgebung ein großes Lokalrezidiv sowie pelvine Lymphknotenmetastasen. Zwar wies die Patientin einen guten ECOG-Performance-Status auf, jedoch bei einer Kreatinin-Clearance von 41ml/min. Bei PD-L1-Negativität stand eine CPI-Monotherapie nicht zur Diskussion. Es kamen vier Zyklen Carboplatin/Gemcitabin zur Anwendung, die gut toleriert wurden. Seit dem Erreichen einer PR im Februar 2021 erhält die Patientin Avelumab bei guter Verträglichkeit. Das rezenteste Staging Ende April zeigte eine anhaltende PR ohne Hinweis auf Fernmetastasen.
Klinische Erfahrungswerte und Empfehlungen
Indikation zur Avelumab-Erhaltungstherapie
Nach Aussage der anwesenden Ärzt*innen wird in der Praxis derzeit die Erhaltungstherapie mit Avelumab dem Watch-and-Wait-Konzept mit einer Zweitlinienbehandlung nach der Progression vorgezogen. Nach Meinung der Ärzt*innen besteht ein großes Risiko, dass sich der Allgemeinzustand bei Eintreten einer Progression rasch und drastisch verschlechtern kann, weshalb Folgetherapien häufig nicht mehr infrage kommen. Eine Indikation zur Verordnung von Avelumab ist auch bei Vorliegen einer viszeralen Metastasierung gegeben; zwar zeigte diese Subgruppe in JAVELIN Bladder 100 etwas ungünstigere Outcomes, die Patient*innen profitierten jedoch ebenso von der Behandlung.26
In der Studie betrug das Intervall zwischen dem Ende der Induktionschemotherapie und dem Beginn der Erhaltungstherapie teilweise aus organisatorischen Gründen 4–10 Wochen. Vor dem Hintergrund möglicher Synergien der Checkpoint-Blockade mit der Chemotherapie sowie angesichts der Tendenz zur raschen Progression wird versucht, das Intervall bis zur Initiierung von Avelumab in der Praxis allgemein möglichst kurz zu halten. Laut der Diskussion der Expert*innen erfolgt die Behandlung bis zur Progression, wobei sich deren Definition in der Praxis aufgrund abweichender Kriterien an den einzelnen Abteilungen unterschiedlich gestalten kann.
Hohe PD-L1-Expression
Im Rahmen der Induktionschemotherapie stellt Cisplatin gegenüber Carboplatin aus der Sicht der Expert*innen eindeutig die zu bevorzugende Option dar, wobei Split-dose-Cisplatin im Vergleich zur Umstellung auf Carboplatin im Allgemeinen favorisiert wird. Auch bei PD-L1-positiven Tumoren verspricht man sich grundsätzlich mehr von einer Chemotherapie plus Erhaltungstherapie als von einer Erstlinienimmuntherapie. Eine CPI-Gabe steht bei ausgeprägter PD-L1-Positivität im Raum. Die Nordgruppe gab zu bedenken, dass die Optionen nach dem Behandlungsbeginn mit einer Immuntherapie rasch ausgeschöpft sind. Eine hohe PD-L1-Expression könnte nach Einschätzung der Breakout-Gruppe der Südregion einen „weichen“ Parameter für einen frühzeitigen Beginn der Erhaltungstherapie nach nur vier Chemotherapiezyklen bilden.
Was tun bei Komplettremission?
Eine interessante Diskussion entwickelte sich in Bezug auf die Frage, ob Avelumab bei Patient*innen, die unter der Chemotherapie eine CR erreichen, eingesetzt werden soll, bzw., falls ja, wie lange die Therapie dann fortgesetzt werden soll. Eine Weiterbehandlung könnte unter diesen Umständen unnötige Toxizitäten mit sich bringen, andererseits verzichtet man unter Umständen bei der Beendigung der Erhaltungstherapie im Einzelfall auf die in JAVELIN Bladder 100 gezeigten Benefits.
Im Osten Österreichs sprach man sich angesichts des laut Subgruppenanalyse geringeren OS-Zugewinns bei CR im Vergleich zu PR oder SD dafür aus,28 die Therapie den Patient*innen anzubieten, sie aber kritisch zu diskutieren. Alternativ stellt nach Meinung der anwesenden Ärzt*innen eine Rechallenge mit Chemotherapie nach Eintreten einer Progression eine Möglichkeit dar, wenngleich nur wenige Patient*innen mit der Chemotherapie allein langfristig eine CR erreichen und zudem mittlerweile ein Wechsel auf andere Optionen möglich ist. Die Nordgruppe gab zu bedenken, dass Daten zur Rechallenge bisher nur in der Indikation des Melanoms generiert wurden. Da die Therapie mit Avelumab mit guter Verträglichkeit und Lebensqualität einhergeht, erscheint die Therapie auch bei Patient*innen mit CR indiziert. Nach einer zweijährigen Behandlungsdauer könnte eine Beendigung mit der*dem Patient*in diskutiert werden. Dagegen plädierte die Westgruppe bei ausbleibenden Toxizitäten für eine Fortführung bis zur Progression, wobei auch der Patient*innenwunsch zu berücksichtigen sei.
Entgeltliche Einschaltung
Mit freundlicher Unterstützung durch Firmen Merck Gesellschaft mbH und
Pfizer Corporation Austria Gesellschaft m.b.H
Freigabenummer: AT-AVEBL-00110; 07/2021
Literatur:
1 Statistik Austria 2 Stenzl A et al.: Eur Urol 2011; 59: 1009-18 3 Siegel RL et al.: CA Cancer J Clin 2019; 69(1): 7-34 4 SEER*Explorer: https://seer.cancer.gov/explorer/ . Accessed 13 January 2020 5 Bray F et al.: CA Cancer J Clin 2018; 68(6): 394-424 6 Saginala K et al.: Med Sci (Basel) 2020; 8(1): 15 7 Powles T et al.: N Engl J Med 2020; 383(13): 1218-30 8 Bellmunt J et al.: Ann Oncol 2014; 25(Suppl 3): iii40-iii48 9 https://www.esmo.org/guidelines/genitourinary-cancers/bladder-cancer/eupdate-bladder-cancertreatment-recommendations3 . Accessed 13 May 2021 10 von der Maase H et al.: J Clin Oncol 2000; 18(17): 3068-77 11 von der Maase H et al.: J Clin Oncol 2005; 23(21): 4602-8 12 De Santis M et al.: J Clin Oncol 2011; 30(2): 191-9 13 Galsky MD et al.: Lancet 2020; 395(10236): 1547-57 14 Powles T et al.: Lancet Oncol 2020; 21(12): 1574-88 15 Alva A et al.: ESMO 2020, LBA23 16 Rexer H et al.: Aktuelle Urol 2019; 50(01): 20-21 17 Bellmunt J et al.: N Engl J Med 2017; 376(11): 1015-26 18 Balar AV et al.: J Clin Oncol 2021; 39(Suppl 6): Abstr 394 19 Powles T et al.: J Clin Oncol 2021; 39(Suppl 6): Abstr 393 20 Loriot Y et al.: Ann Oncol 2020; 31(4): S1156 21 Tagawa ST et al.: J Clin Oncol 2021; 39(22): 2474-85 22 Helsten T et al.: Clin Cancer Res 2016; 22(1): 259-67 23 Siefker-Radtke AO et al.: J Clin Oncol 2018; 36(Suppl): Abstr 4503 24 Sheng X et al.: J Clin Oncol 2019; 37(Suppl): Abstr 4509 25 BAVENCIO®-Fachinformation, aktueller Stand 26 Supplement to Powles T et al.: N Engl J Med 2020; 383(13): 1218-30 (Supplementary Appendix) 27 Powles T et al.: ESMO Virtual Congress 2020, Abstract no 2653 28 Grivas P et al.: ESMO Congress 2020, Abstract 704MO
Fachkurzinformation
▼Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 Nebenwirkungen in der Fachinformation. Bezeichnung des Arzneimittels: Bavencio 20 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jeder Milliliter Konzentrat enthält 20 mg Avelumab. Eine Durchstechflasche zu 10 ml enthält 200 mg Avelumab. Avelumab ist ein humaner monoklonaler IgG1-Antikörper, der gegen den immunmodulatorischen Zelloberflächen-Liganden PD-L1 gerichtet ist und mittels rekombinanter DNA-Technologie aus Ovarialzellen des Chinesischen Hamsters gewonnen wird. Anwendungsgebiete: Bavencio wird als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit metastasiertem Merkelzellkarzinom (Merkel cell carcinoma, MCC) angewendet. Bavencio wird als Monotherapie in der Erstlinien-Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom (urothelial carcinoma, UC) angewendet, die nach einer platinbasierten Chemotherapie progressionsfrei sind. Bavencio in Kombination mit Axitinib wird als Erstlinientherapie bei erwachsenen Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (renal cell carcinoma, RCC) angewendet (siehe Abschnitt 5.1). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Andere antineoplastische Mittel, monoklonale Antikörper, ATC-Code: L01XC31. Liste der sonstigen Bestandteile: Mannitol, Essigsäure 99 %, Polysorbat 20, Natriumhydroxid, Wasser für Injektionszwecke. Inhaber der Zulassung: Merck Europe B.V., Gustav Mahlerplein 102, 1082 MA Amsterdam, Niederlande. Vertrieb: Merck GmbH, 1147 Wien. Verschreibungspflicht / Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Weitere Informationen zu den Abschnitten Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Mitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit und Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand der Information: Oktober 2021
Statement Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat
An der JAVELIN-Studie nahmen 700 Patient*innen teil. Es handelte sich um eine 1:1-Randomisierung, bei der Avelumab plus Best Supportive Care mit Best Supportive Care allein verglichen wurde; die Endpunkte waren das mediane Gesamtüberleben in der ITT-Population („intention to treat“) und in der PD-L1-positiven Population. Eingeschlossen wurden Patient*innen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom, die 4 bis 6 Zyklen einer platinbasierten Chemotherapie, Gemcitabin-Cisplatin oder Gemcitabin-Carboplatin erhalten
hatten. Patient*innen, bei denen die Erkrankung trotz Chemotherapie fortgeschritten war, waren ausgeschlossen, und vor der Randomisierung war eine CT-Untersuchung erforderlich. Zu den Ausschlusskriterien gehörte auch die Kontraindikation gegen einen Immun-Checkpoint-Inhibitor. Die Patient*innen wurden zwischen 4 und 10 Wochen nach Abschluss der Chemotherapie randomisiert. Die Patient*innen hatten einen Performance-Score von 0 oder 1. Nach meiner Erfahrung ist die Verfassung der Patient*innen nach der Chemotherapie oft relativ gut. Was die Ergebnisse der Studie anbelangt, so ergab sich für die primären Endpunkte eine Hazard-Ratio von 0,69, d.h. eine Verringerung des Sterberisikos um 31% und ein medianes Gesamtüberleben von 21 gegenüber 14 Monaten. Die Hazard-Ratio von 0,56 in der PD-L1-positiven Population war ebenfalls positiv, was ein koprimärer Endpunkt war. Die Hazard-Ratio für das progressionsfreie Überleben (PFS) war ebenfalls statistisch signifikant. Einige der Patient*innen waren nach 24 Monaten noch progressionsfrei, was darauf hindeuten könnte, dass eine Subgruppe von Patient*innen unter Immun-Checkpoint-Inhibitoren mit Avelumab eine dauerhafte Remission erreicht. Das Profil der unerwünschten Ereignisse entsprach dem, was man bei einem Immun-Checkpoint-Inhibitor erwarten würde: Etwa 12% der Patient*innen brachen die Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse ab und 9% der Patient*innen benötigten eine hoch dosierte Steroidbehandlung zur Behandlung einer immunvermittelten Nebenwirkung. Die häufigsten unter Avelumab auftretenden Nebenwirkungen waren Ermüdung (30,0%), Übelkeit (23,6%), Diarrhö (18,5%), Obstipation (18,1%), verminderter Appetit (17,6%), infusionsbedingte Reaktionen (15,9%), Erbrechen (15,6%) und Gewichtsabnahme (14,5%).
In der Analyse der einzelnen Subgruppen zeigte die Forest-Plot-Analyse einen Nutzen unabhängig von der Art der Chemotherapie, dem PD-L1-Status und dem Ansprechen auf die Therapie. Es gab auch Daten zur Lebensqualität, die keinen signifikant nachteiligen Effekt des Immun-Checkpoint-Inhibitors im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich um die erste Studie handelt, die einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil in der Erstlinienbehandlung mit einem Immun-Checkpoint-Inhibitor nach einer Chemotherapie gezeigt hat. Daher ist dies derzeit nach Ansicht der gängigen Leitlinien (ESMO und EAU) und Expert*innen der neue Standardansatz für die Erstlinienbehandlung des metastasierten Urothelkarzinoms.
Freigabenummer: AT-AVEBL-00127; 11/2021
Literatur
• Powles T et al.: N Engl J Med 2020; 383: 1218-30 •Supplement to: Powles T et al.: N Engl J Med 2020; 383(13): 1218-30 (Supplementary Appendix) • Powles T et al.: ESMO Virtual Congress 2020, Abstract no 2653 • Fachinformation Bavencio®, aktueller Stand • https://www.esmo.org/guidelines/genitourinary-cancers/bladder-cancer/eupdate-bladder-cancer-treatment-recommendations4 (last access 23.11.2021) • Witjes JA et al.: European Association of Urology Guidelines on Muscle-invasive and Metastatic Bladder Cancer: Summary of the 2020 Guidelines. Eur Urol 2021; 79(1): 82-104