
Penisdeviation, angeboren oder erworben – wann und wie operieren?
Autor:
Prim. Priv.-Doz. Dr. Florian Wimpissinger, MBA
Vorstand – Urologische Abteilung
LK Mistelbach-Gänserndorf
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Als Penisdeviation wird in der Regel eine Verkrümmung des Penis im erigierten Zustand beschrieben. Hauptursachen sind angeborene Formen und die erworbene Deviation im Rahmen der Induratio penis plastica (IPP, engl. Peyronie’s Disease, PD). Darüber hinaus können auch Tumoren, Traumata und Operationen zu Deformationen des Penis führen.
Keypoints
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Die angeborene Penisdeviation ist selten. Sie wird in der Regel im Pubertätsalter symptomatisch und lässt sich meist durch Rafftechniken operativ korrigieren.
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Deviation und/oder Einschnürung der Schwellkörper durch Plaques der IPP müssen zum Zeitpunkt der Operation mindestens 6–12 Monate stabil sein.
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Die Wahl der OP-Technik richtet sich bei IPP nach dem Ausmaß der Erkrankung und reicht von Rafftechniken über Plaqueinzision mit Deckung (Graft) bis hin zum Penisimplantat.
Epidemiologie
Die Inzidenz der kongenitalen Penisdeviation wird mit 1% bis 10% angegeben. Sie ist häufig, aber nicht immer mit einer Hypospadie vergesellschaftet und nach ventral gerichtet. Da sich Deviationen in der Regel erst im erigierten Zustand des Penis zeigen, ist die Diagnose oft verzögert. Zahlen zur Prävalenz der IPP sind stark von Modus, Definition und Population der zugrundeliegenden Studien abhängig und reichen von 0,5–20,3% der männlichen Bevölkerung. Aufgrund zunehmender Bekanntheit der Erkrankung, sowohl in der Bevölkerung als auch in Fachkreisen, ergeben neuere Untersuchungen tendenziell höhere Prävalenzraten.
Pathophysiologie
Eine Penisdeviation tritt dann auf, wenn sich die Corpora cavernosa bei Erregung aus anatomischen und/oder strukturellen Gründen nicht gleichmäßig und symmetrisch erweitern können. Im Falle der angeborenen Deviation liegt in der Regel eine fehlerhafte Entwicklung der distalen ventralen Schichten im Bereich der Urethra und des Corpus spongiosum, der Buck’schen Faszie sowie der Tunica albuginea der Corpora cavernosa vor.
Ursache der Penisdeviation bei IPP ist die lokalisierte überschießende Narbenbildung (Plaque) der Tunica albuginea des Corpus cavernosum, welche sich dann durch den Verlust ihrer Elastizität bei Erektion nicht mehr ausdehnen kann und so die erigierten Schwellkörper deformiert. Je nach Ausprägung und Größe der Plaque kommt es dann auch zu einer Einschnürung in Form einer Sanduhr (sog. Sanduhr-Deformität). Der Grund, warum es bei betroffenen Männern zur Bildung einer solchen pathologischen Plaque kommt, ist noch unklar. Ursache einer primären entzündlichen Komponente ist offensichtlich eine übertriebene Reaktion auf Mikrotraumen mit Beteiligung zahlreicher bereits identifizierter Zytokine und Wachstumsfaktoren.
Wann operieren?
Grundsätzlich stellt die Penisdeviation dann eine Operationsindikation dar, wenn sie durch ihre Ausprägung das sexuelle Leben des Betroffenen negativ beeinflusst. Neben der offensichtlichen anatomischen Komponente einer Verkrümmung können auch Schmerzen (Patient und Partner*in) und Erektionsstörungen negativen Einfluss auf ein erfülltes Sexualleben haben. Liegen keine weiter reichenderen Fehlbildungen wie eine Hypospadie vor, stellen sich Patienten mit angeborener Penisdeviation meist um das Pubertätsalter herum vor. Aufgrund der hier meist vorliegenden ventralen Deviation kann diese schon bei geringerer Ausprägung die sexuelle Aktivität einschränken. Darüber hinaus ist der junge Patient ohne feste Partnerschaft zusätzlich einem psychosozialen Leidensdruck ausgesetzt.
Für die Operationsplanung ist die exakte Einschätzung der Deviation entscheidend. Primär sollte ein Foto des erigierten Penis in zumindest zwei Achsen vorliegen. Noch besser ist die ambulante Einschätzung durch künstliche Erektion (SKAT). Die Plaque bei IPP wird in ihrer Ausprägung klinisch am detumeszenten Penis palpiert. Im Small-Parts-Ultraschall sind verkalkte Areale darstellbar, bei unklarer Durchblutung kann diese dann mittels Doppler-US bei Erektion definiert werden. Die Penisdeviation bei IPP muss zum Zeitpunkt der Operation mindestens 6 Monate – besser 12 Monate – stabil sein, um ein Fortschreiten der Erkrankung postoperativ zu verhindern.
Wie operieren?
Das Spektrum der zur sog. Penisbegradigung beschriebenen OP-Techniken ist sehr breit, kann jedoch in drei Grundtechniken zusammengefasst werden:
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Verkürzung der der Verkrümmung abgewandten (konvexen) Seite der Schwellkörper
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Verlängerung der plaquetragenden (konkaven) Seite der Deviation
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Einsatz eines Penisimplantats
Indikation sowie Vor- und Nachteile der Techniken sind in Tabelle 1 dargestellt.
Verkürzen (Raffen) der konvexen Seite der Schwellkörper
Ideal sind diese Techniken bei kongenitalen Deviationen und Patienten mit IPP und geringer Deviation ohne zusätzliche Deformierung der Schwellkörper. Die Angabe von 60° als eine Art Cut-off-Maß für die Wahl der OP-Technik wird zwar allgemein angegeben, ist jedoch wissenschaftlich nicht fundiert.
Techniken:
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Inzision und Raffung (Yachia)
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Exzision und Raffung (Nesbit)
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Alleinige Raffung/Plikatur (Schröder-Essed, Gholami)
Die alleinige Raffung bedeutet gegenüber Exzision und Inzision der Tunica albuginea ein geringeres Trauma des Schwellkörpergewebes und damit eine geringere Beeinträchtigung der Erektionsfunktion. Geometrisch führt die reine Plikatur beim Ausgleich einer höhergradigen Deviation zum Einstülpen eines beträchtlichen Gewebeanteils mit einer theoretischen Einschränkung der Durchblutung des distalen Schwellkörperanteils. Um dies zu verhindern, beschrieb Schwarzer die Inzision mit Verschluss im Sinne eines U-Flaps.
Verlängern der konkaven Seite der Schwellkörper (Inzision und Grafting)
Eine Verlängerung der konkaven Seite ist dann indiziert, wenn der Grad der Deviation >60° beträgt bzw. wenn bei geringerer Deviation auch eine Einschnürung der erigierten Schwellkörper vorliegt. Außerdem kann so der Verlust an Penislänge minimiert werden, weshalb sich Patienten mit Angst vor einer weiteren Verkürzung auch bei geringerer Deviation für diese Technik entscheiden. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass eine IPP an sich in der Regel zu einer Verkürzung der Schwellkörper führt, was in der präoperativen Aufklärung in Bezug auf die Erwartungen an das postoperative Ergebnis beachtet werden muss.
Nachdem die Exzision der Plaque bei Patienten mit IPP zu einem höheren Trauma des darunterliegenden gesunden Schwellkörpergewebes führt, haben sich die Inzision, welche entsprechend geometrisch ausgeführt wird, und anschließende Deckung als optimale Technik etabliert. Zur Deckung des durch Inzision erreichten Längendefekts der Tunica albuginea werden zahlreiche Gewebe und Materialien eingesetzt, welche sich im Grunde in vier Kategorien einteilen lassen:
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Autologe Grafts – körpereigen: Vene, Dermis, Faszien, Tunica vaginalis, Mundschleimhaut
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Allografts – human, Kadavergewinnung: Fascia lata, Dura mater, Pericard
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Xenografts – tierisch: Pericard, Dünndarm-Submukosa, Dermis, TachoSil®
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Synthetische Grafts: Dacron®, Gore-Tex®
Alle verwendeten Grafts haben ihre Vor- und Nachteile, die publizierten Ergebnisse sind in der Regel vergleichbar und keine Studie hat bisher den direkten Vergleich unterschiedlicher Grafts untersucht.
Plaqueinzision und Grafting: Tipps und Tricks
Die folgenden Operationsschritte einer Plaqueinzision mit autologem Venengraft (Vena saphena magna) enthalten die wichtigsten Tipps und Tricks, die es in der Chirurgie der IPP zu beachten gilt:
Hautschnitt (Abb. 1)
Üblicherweise erfolgt ein Zirkumzisionsschnitt, bei einfachen Korrekturen können Penisschafthaut und Buck’sche Faszie auch longitudinal inzidiert werden. Eine Zirkumzision selbst ist bei nicht beschnittenen Patienten nicht notwendig. Wird das Präputium erhalten, besteht lediglich ein geringes Risiko für ein anhaltendes Ödem des inneren Vorhautblattes.
Degloving
Im nächsten Schritt werden Penisschafthaut und Subkutangewebe (mit Nerven und Gefäßen!) von der Buck’schen Faszie abpräpariert (sog. „degloving“). Bei ausgeprägten Fällen der IPP stößt man hier bereits auf erste bindegewebige Verwachsungen.
Buck’sche Faszie und Gefäßnervenbündel (Abb. 2)
Um eine Rekonstruktion der betroffenen Tunica albuginea der Corpora cavernosa zu ermöglichen, muss nun die Buck’sche Faszie beidseits lateral inzidiert werden. Danach wird die Faszie mit den in ihr verlaufenden Nerven und Gefäßen – dem Gefäßnervenbündel (GNB) – von beiden Seiten nach dorsal abpräpariert, bis sie komplett angehoben werden kann. Im Bereich der Plaque findet man immer starke Verwachsungen, die nur scharf gelöst werden können. Das GNB sollte maximal atraumatisch gefasst werden, z.B. durch Verwendung eines sterilen Zwirnhandschuhs anstatt Pinzetten. Bei den selteneren rein ventralen Deviationen kann auf diese Präparation zumindest teilweise verzichtet werden. Alternativ können Buck’sche Faszie und GNB auch dorsal median inzidiert und von hier aus nach lateral/ventral abpräpariert werden. Die Nerven des GNB sind vorwiegend somatische Nerven – Äste des Nervus pudendus. Die für die Erektionsfunktion verantwortlichen parasympathischen Nerven des Plexus pelvicus verlaufen ihrerseits als GNB rechts und links entlang der Prostatakapsel zur Urethra und gelangen auf diesem Weg in die Schwellkörper. Die nach Penisoperationen praktisch immer beobachtete (und teilweise reversible) Hyposensibilität liegt auch im initialen Zirkumzisionsschnitt begründet.
Plaqueinzision (Abb. 3)
Abb. 3: Künstliche Erektion und Markierung der geplanten Plaqueinzision
Nach Freiliegen der Corpora cavernosa kann nun mittels künstlicher Erektion über NaCl-Injektion in einen der beiden Schwellkörper das eigentliche Ausmaß der Deviation und ggf. Einschnürung festgestellt und markiert werden (steriler Hautmarkierungsstift). Ein Tourniquet am Penisschaft ist nicht notwendig, sowohl für die Erektion als auch zum Operieren selbst reicht jeweils digitale Kompression. Interessant ist, dass das intraoperative Ergebnis nicht selten vom präoperativen klinischen Bild in geringem Umfang abweicht. Der Grund dafür sind:
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der Wegfall der deckenden Schichten, welche eine Einschnürung erst evident werden lassen, und
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mögliche bindegewebige Verwachsungen vor allem im Bereich der Buck’schen Faszie, welche den Grad der Deviation erhöhen können.
Die Inzision der Plaque erfolgt mit dem Skalpell – der Einsatz monopolarer Instrumente ist in der Penischirurgie verboten. Der Schnitt wird meist H-förmig geführt – so lässt sich im Vergleich zur einfachen Querinzision mehr Länge gewinnen. Direkt am Rand der Inzision kann das Schwellkörpergewebe minimal (max. 1–2 mm) von der Plaque tragenden Tunica albuginea mobilisiert werden, die 4 aus der H-Inzision resultierenden Ecken können geringfügig reseziert werden.
Grafting (Abb. 4 u. 5)
Anatomisch passend wird der Defekt nun mit dem ausgewählten Graft gedeckt. Im Falle des autologen Venengrafts wird dieses fortlaufend mit PDS® oder Biosyn® 4–0 oder 5–0 eingenäht. Danach erfolgt eine neuerliche künstliche Erektion zur Kontrolle der Korrektur.
Wundverschluss (Abb. 6)
Erster Schritt des Wundverschlusses ist eine sorgfältige Naht der Inzisionen der Buck’schen Faszie. Eine derartige Rekonstruktion der Faszie ist aus folgenden Gründen wichtig:
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vermindertes Hämatomrisiko,
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verhindert Auswölbung des Grafts,
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Rekonstruktion der für Erektion und GV richtigen Verschiebeschichten des Penisschafts.
Außerdem erleichtert der anatomisch korrekte Verschluss der Schichten Rezidiveingriffe. Die Hautinzision wird resorbierbar in Einzelknopftechnik verschlossen. Dabei bewährt sich ein vorsichtiges Mitfassen des Subkutangewebes der Penisschafthaut, um durch Retraktion eine Verjüngung des Durchmessers nach distal zu vermeiden und Blut- und Nervenversorgung zu optimieren.
Als Wundverband hat sich selbstklebende OP-Folie für 4 Tage bewährt. Die Harnblase sollte am OP-Ende mittels Einmalkatheter entleert werden.
Der richtigen Indikation angepasst führen alle beschriebenen OP-Techniken zur Korrektur einer Penisdeviation zu sehr zufriedenstellenden Ergebnissen von deutlich über 80%. Diese hohe Patientenzufriedenheit wird jedoch maßgeblich von der Aufklärung über alle Aspekte der verschiedenen Techniken und der Erfahrung des Operateurs beeinflusst. Falsche Erwartungen an postoperative Erektionsfunktion, Penislänge oder Sensibilität müssen präoperativ ausgeräumt werden. Um Probleme durch postoperative Narbenbildung oder sogar ein Rezidiv zu vermeiden, hat sich der Einsatz von Streckübungen oder sogar Streckapparaten über mehrere Monate etabliert, der sich vor allem auf die postoperative Penislänge positiv auswirkt.
Besteht zusätzlich zur Penisdeviation eine erektile Dysfunktion, ist die operative Versorgung mit einem Penisimplantat und ggf. Korrektur der Tunica albuginea des Corpus cavernosum indiziert und liefert dann sehr gute Ergebnisse. Dies gilt auch für Rezidive, wenn eine weitere Rekonstruktion nicht sinnvoll erscheint.
Literatur:
beim Verfasser
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