Replik von Priv.-Doz. DDr. Mehmet Özsoy zu den Interviews über Zukunftskonzepte in der Niederlassung

„Uns allen liegt die bestmögliche Patientenversorgung am Herzen“

Priv.-Doz. DDr. Mehmet Özsoy kommentiert im Rahmen von „Dialog – Diskurs – Debatte“ zu „Zukunftskonzepten in der Niederlassung“ die Stellungnahmen von ÖGK-Obmann Andreas Huss, MBA, von Prim. Dr. Claus Riedl, Vorstand der Urologischen Abteilung am Landesklinikum Baden, und vom Salzburger Gesundheitsstadtrat Dr. Christian Stöckl.

Zunächst möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, über Ihr Medium gemeinsam mit Vertretern aus unterschiedlichen Bereichen unseres Gesundheitssystems eine konstruktive Diskussion über ein so bedeutendes Thema führen zu können. Unser solidarisches, soziales Gesundheitssystem mag in den letzten Jahren vermehrt an seine Grenzen gestoßen sein, aber im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist es immer noch ein gutes System. Wir brauchen nun eine offene Diskussionskultur, ohne gegenseitige Vorwürfe und Anschuldigungen, womit wir unser Gesundheitssystem verbessern können. Ohne Zweifel liegt uns allen „die bestmögliche Patientenversorgung“ am Herzen. Und bei jeglicher gesundheitspolitischen Entscheidung, die wir treffen werden, sollten unsere Patientinnen und Patienten im Fokus stehen.

Stärkung des öffentlichen Gesundheitssystems

Deswegen ist es besonders wichtig, unser öffentliches System, sei es im Spitalsbereich oder im niedergelassenen Bereich, zu verstärken und attraktiver zu gestalten. Hierbei würden meiner Meinung nachdie von Andreas Huss, Obmann der Österreichi-schen Gesundheitskasse, vorgeschlagenen Zwangsmaßnahmen, wie die Verpflichtung der Absolvent*innen der österreichischen medizinischen Universitäten, im öffentlichen System zu arbeiten, nicht den gewünschten langzeitigen Erfolg bringen. Ohne Verbesserungen der Arbeitsbedingungen würde dies nur zu einer zeitlichen Verschiebung des Problems führen und junge Kolleg*innen würden nach dieser Zwangsbeschäftigung ins Ausland auswandern. Ebenso kann eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze in meinen Augen nicht die Lösung sein. Diese wäre, wie von Prof. Dr. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, mehrmals erwähnt, „der falsche Ansatz“. Österreich ist ein Netto-Produzent von Ärzten für die Welt, ein Ausbau der Studienplätze würde das nur weiter befeuern und wir würden mit österreichischem Steuergeld noch mehr Ärzte für andere Länder ausbilden.

Ausbildungsbedingungen und Lehrpraxis

Im Gegensatz müsste man die Bedingungen im Spital sowohl für Ärzt*innen in Ausbildung als auch für Fachärzt*innen attraktiver gestalten. Ich stimme Herrn Obmann Huss vollkommen zu: Das Gehalt ist nicht das Hauptproblem oder der Hauptgrund, warum viele junge Ärzt*innen ins Ausland wechseln, sondern eher die schlechten Arbeitsbedingungen und mangelnde Struktur und Organisation der Ausbildung. Ich freue mich, dass die Erweiterung der Lehrpraxis unter den hier Befragten eine gute Resonanz gefunden hat. Hierbei ist es wichtig, wie von Gesundheitslandesrat Dr. Christian Stöckl auch erwähnt, eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen Spitälern und Niederlassung zu ermöglichen. Auch wie von ihm vorgeschlagen halte ich es für sinnvoll, die Ausbildungsordnung anzupassen und innovative Arbeitsmodelle wie z.B. die Möglichkeit eines Nachtdienstes im Spital während der Ausbildung in der Lehrpraxis anzudenken. Die Lehrpraxis ist keinesfalls eine Konkurrenz zur Ausbildung im Spital. Prim. Dr. Claus Riedl bringt es auf den Punkt, im Rahmen der Ausbildung im Krankenhaus sieht man komplexere Fälle, die im niedergelassenen Bereich nicht mehr versorgt werden können, aber in ähnlicher Weise behandelt man im niedergelassenen Bereich Patienten mit Krankheitsbildern, die man im Krankenhaus nicht behandeln möchte und nicht behandeln sollte. Daher sind die zwei Bereiche komplementär zu betrachten und nicht als Konkurrenz. Wir beobachten immer wieder, wie die Fachärzt*innen, die kurz nach ihrer Ausbildung im Krankenhaus im niedergelassenen Bereich zu vertreten oder arbeiten beginnen, ein paar Monate brauchen, um sich mit den Krankheitsbildern im niedergelassenen Bereich vertraut zu machen. Wie Primar Riedl es richtig beschrieben hat, können die komplexeren Krankheitsbilder nur im Krankenhausbereich behandelt werden, daher sehe ich die Notwendigkeit nicht, Ärzt*innen aus dem niedergelassenen Bereich zu entfernen und von Zeit zu Zeit wieder im Krankenhaus zu beschäftigen. Dies wäre in meinen Augen eine Ressourcenverschwendung. Man müsste vielmehr die Arbeitsbedingungen im Spitalsbereich attraktivieren, eine Möglichkeit hier wäre die Einführung von Bereitschaftsdiensten für Fachärzt*innen, wobei man hier genau aufpassen müsste, um währenddessen die Arbeitsbedingungen von Asisstenzärzt*innen nicht zu verschlechtern.

Personelle Hierarchien

Eine weiteres Konzept wäre die Einführung einer flacheren hierarchischen Struktur für Oberärzt*innen im Spitalsbereich, wie z.B. die sogenannten „Consultant Urologists“ in anderen Ländern. Das bedeutet einerseits mehr Freiheit in Therapieentscheidungen und Gestaltung ihres Arbeitsmodelles, aber andererseits natürlich gleichzeitig auch mehr Verantwortung. Wie ich erwähnt habe, ist eine konstruktive Diskussion notwendig, wir sollten hierbei auch offen für neue, innovative Arbeitsmodelle sein. Ohne Zweifel müssen bei einer Neugestaltung des Gesundheitswesens das Patientenwohl und die Effizienz im Vordergrund gehalten werden.

Modelle für optimale Ressourcenverteilung

Zudem bin davon überzeugt, dass wir durch eine bessere Allokation unserer Ressourcen genügend Finanzmittel zur Verfügung hätten. Die effiziente Verteilung von Patientenströmen ist ein sehr wichtiger Aspekt solcher Ressourcenoptimierung. Wie von Dr. Stöckl empfohlen, kann der lineare Zugang eine effiziente Maßnahme sein, also „ohne Zuweisung von Facharzt/Fachärztin kein Termin in Spitalsambulanz“. Auch begrüße ich die von Herrn Huss propagierten Primärversorgungseinheiten (PVE). Sie werden sicher ein wichtiger Teil der Lösung sein und ähneln den von mir vorgeschlagenen Schwerpunktordinationen strukturell. Aber auch PVE sind kein Allheilmittel. Von der Wiener Ärztekammer ins Leben gerufene akutmedizinische Ambulanzen in den Spitälern haben sich z.B. in den letzten Jahren als eine sehr effiziente Lösung erwiesen. Außerdem werden die Einzelpraxen weiterhin ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems sein, wir können sie nicht zur Gänze durch PVE oder Ambulatorien ersetzen. Die optimale Lösung ist sicherlich eine genaue und gut überlegte Mischung aus all diesen Modellen.

Eine der zurzeit größten Hürden für größere Versorgungseinheiten mit längeren Öffnungszeiten im niedergelassenen Bereich ist die Ablehnung von Anstellungen von Ärzt*innen bei Ärzt*innen sowie von Anträgen für Gemeinschaftspraxen seitens der Gesundheitskasse mit der Begründung der fehlenden Kassenplanstellen. Hierdurch wird eine schnell umsetzbare Kapazitätserhöhung bei bereits funktionierenden, etablierten Ordinationen, die sich sowohl wirtschaftlich als auch medizinisch bewiesen haben, verhindert. Flexiblere Anstellungen im niedergelassenen Bereich würden einerseits die Wartezeiten für Patient*innen verkürzen, Patientenströme vom Spitalsbereich in den niedergelassenen Bereich lenken und andererseits attraktivere Arbeitsmodelle für junge Kolleg*innen anbieten, die sich nicht alleine selbstständig machen möchten.

E-Mail: office@uromed.at

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu dieser Debatte. Bitte senden Sie diese an die Chefredaktion, wir werden alle Kommentare an die Diskutanten weiterleiten und die wichtigsten in der nächsten Ausgabe auszugsweise diskutieren:

Chefredaktion: Christian Fexa

E-Mail: christian.fexa@universimed.com

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