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25 Jahre Kinderurologie Linz

<p class="article-intro">25 Jahre Kinderurologie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern: Die Tradition des Ordens, sich in den Dienst der Kranken, der Pflegebedürftigen sowie insbesondere der Kinder und Jugendlichen zu stellen, wurde mit der Spezialisierung auf die Behandlung angeborener Fehlbildungen mit der Gründung des Departments für Kinderurologie 2002 durch Univ.-Doz. M. Riccabona in ganz besonderer Weise sichtbar. Kinder, insbesondere kranke, sind die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft und bedürfen der besonderen Zuwendung und Hilfe. Diese Prämissen finden sich in der Charta der Kinderrechtskonvention der UNO und beinhalten neben Schutz- und Förderrechten vor allem das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dieses Bewusstsein wird an der Abteilung für Kinderurologie mit „Herz und Seele“ von Beginn an vermittelt – Kinder sind unsere Zukunft und Hoffnung auf eine bessere Welt.</p> <p class="article-content"><h2>Voraussetzungen</h2> <p>Auf europ&auml;ischer Ebene hat sich die Kinderurologie mittlerweile als eine eigene Fachdisziplin etabliert (ESPU, European Society for Paediatric Urology). Diesen Anspr&uuml;chen wurde die Abteilung f&uuml;r Kinderurologie bereits vor 25 Jahren gerecht. Eine Voraussetzung f&uuml;r diese Spezialisierung stellt die fachspezifische medizinische und nicht medizinische Infrastruktur dar. Erstere beinhaltet nicht nur die fachliche Expertise von spezialisierten Kinderurologen und Kinderan&auml;sthesisten, sondern auch eine p&auml;diatrisch spezialisierte Diagnostik in Form der Kinderradiologie und der Nuklearmedizin. Das zunehmende Wissen um angeborene Fehlbildungen des kindlichen Urogenitaltraktes dr&auml;ngt auf Spezialisierung, die Nutzung dieser Erkenntnisse hat nicht nur eine Professionalisierung zur Folge, sondern auch eine berechtigte Begehrlichkeit der betroffenen Eltern. Eine kindgerechte station&auml;re Versorgung mit Mutter-Kind-Einheiten und kinderurologische Operationsm&ouml;glichkeiten zur Durchf&uuml;hrung von minimal invasiven Eingriffen am kindlichen Urogenitaltrakt stellen daher heute eine Selbstverst&auml;ndlichkeit dar.</p> <h2>Spezialisierte kinderurologische Eingriffe</h2> <p>Entsprechend den bescheidenen personellen (ein Oberarzt, ein Assistenzarzt) und infrastrukturellen Ressourcen standen 2002 prim&auml;r &bdquo;kleine&ldquo; diagnostische und therapeutische kinderurologische Probleme im Mittelpunkt. Dazu z&auml;hlten &bdquo;simple&ldquo; Krankheitsbilder wie z.B. der Kryptorchismus. Eine Weiterentwicklung der Versorgung dieser Fehlbildung war die tagesstation&auml;re Versorgung von beidseitigen Leistenhoden, vielerorts wurden diese Hodenpathologien ausschlie&szlig;lich station&auml;r, beidseitig sequenziell bis zu einer Woche behandelt. Ein weiterer Entwicklungsschritt war die Behandlung der als sehr schwierig einzustufenden Hypospadien: Diese mit vielen Vorbehalten und &Auml;ngsten verbundenen Diagnosen machten in der Anfangszeit mehrzeitige, oft bis zu drei und mehr Re&shy;eingriffe n&ouml;tig, verbunden war damit naturgem&auml;&szlig; eine hohe emotionale elterliche und kindliche Belastung. Durch neue Operationstechniken und pflegerische Optimierung konnte ein Gro&szlig;teil dieser Fehlbildungen in der Folge mit einer Operation behandelt werden. Zunehmend wurden noch ausgepr&auml;gter minimal invasive Therapiemodalit&auml;ten mit einzeitigen Operationen von Fehlbildungen des oberen und unteren Harntraktes entwickelt, die Aufenthaltsdauer wurde laufend verk&uuml;rzt. Durch den Ausbau und die Professionalisierung der Isotopenabteilung wurde die funktionelle Komponente dieser (Nieren-)Fehlbildungen erkannt, die Indikation zu einer Operation (z.B. Nierenbeckenplastik) konnte auf signifikante, morphologisch eindeutige Engstellen beschr&auml;nkt werden. Auch die Refluxdiagnostik bei Kindern mit fieberhaften Harnwegsinfekten wurde beeindruckend weiterentwickelt: Sowohl unn&ouml;tige Bestrahlungen als auch unn&ouml;tige Wiederholungen dieser f&uuml;r das Kind durchaus unangenehmen Untersuchungstechnik konnten reduziert werden. Erg&auml;nzt wurde dieses diagnostische Tool in den letzten Jahren durch eine &bdquo;strahlenfreie&ldquo; Diagnostik, bei welcher anstatt eines R&ouml;ntgenkontrastmittels ein Sonografie-&bdquo;Kontrastmittel&ldquo; verwendet wird. Auch die Einf&uuml;hrung einer f&uuml;r das Kind absolut schmerzfreien, da &bdquo;katheterlosen&ldquo; intraoperativen Refluxpr&uuml;fung in Form des sogenannten PIC-Zystogramms (&bdquo;positioning instillation of contrast&ldquo;) ist eine Innovation, welche eine schmerzlose Diagnostik mit einer h&ouml;heren Sensitivit&auml;t und gleichzeitig einer (endoskopischen) Therapiem&ouml;glichkeit vereint.</p> <h2>Behandlung von Blasenfehlbildungen</h2> <p>Ohne das Gestern kein Heute, geschweige denn ein Morgen &ndash; Medizin bewegt sich in alter wissenschaftlicher analytischer Dynamik nur im R&uuml;ckblick auf seine Wurzeln vorw&auml;rts. So konnte die Behandlung von Blasenfehlbildungen, z.B. schwerer &bdquo;morphologischer&ldquo; Erkrankungen wie die Blasenekstrophie und auch neurologisch bedingter sogenannter &bdquo;neurogener&ldquo; Blasen, weiterentwickelt werden: Neben der aufwendigen konservativen Therapie, welche Medikamente und den (intermittierenden) Fremd- und Eigenkatheterismus (CIC) beinhalten, kann chirurgisch heute eine sogenannte &bdquo;k&uuml;nstliche&ldquo; Blase gebildet werden. Indikationen sind sowohl &bdquo;Low compliance&ldquo;-Blasen bei Myelomeningocele (MMC) als auch Blasenekstrophien mit persistierender Inkontinenz (Abb. 1).<br />Da bei einer gesch&auml;digten Blase wie auch beim aufgesteppten Darm keine Kontraktion mehr m&ouml;glich ist, muss diese augmentierte Blase mittels Einmalkatheterismus entleert werden. Dies kann &uuml;ber die noch intakte Harnr&ouml;hre bei kompetentem Blasenhals erfolgen oder, vor allem bei Patienten mit Spina bifida, welche auf einen Rollstuhl angewiesen sind, &uuml;ber ein Nabelstoma. Dabei schaltet man als Verbindung meist den Appendix (Wurmfortsatz) dazwischen, &uuml;ber diesen Wurmfortsatz wird der Einmalkatheter eingebracht und die Blase entleert. Die meisten Kinder beherrschen dies bereits nach kurzer Zeit selbst und sind damit auch unabh&auml;ngig von fremder Hilfe (Abb. 2).<br />Erleichtert werden diese Operationen heute durch die einfachere Vorbereitung auf diese Eingriffe: Wurden die Kinder in der Vergangenheit einer belastenden Darmreinigung mit N&uuml;chternheit, Einl&auml;ufen und Sondierung (Glaubersalz/Golytely) unterzogen, kann heute unmittelbar vor wie auch nach der Operation weitgehend auf diese Prozeduren verzichtet werden. Eine rasche Aufbaukost verhindert eine Sch&auml;digung der D&uuml;nndarmschleimhaut (Zottenatrophie durch N&uuml;chternheit) und steigert naturgem&auml;&szlig; subjektiv das Wohlbefinden des Kindes mit verk&uuml;rzter Rekonvaleszenz; zusammengefasst wird dies unter dem Begriff &bdquo;fast track rehabilitation&ldquo; oder besser ERAS (&bdquo;enhanced recovery after surgery&ldquo;). <br />Auch die sehr anspruchsvolle Chirurgie bei Blasenekstrophie und Epispadie beschr&auml;nkt sich heute nicht mehr auf die plastischchirurgische Wiederherstellung der Blase sowie des &auml;u&szlig;eren Genitales mit Verschluss der offenen Blasenplatte und der Harnr&ouml;hre, sondern umfasst auch die funktionelle chirurgische &bdquo;Rehabilitation&ldquo; des &auml;u&szlig;eren und des inneren Schlie&szlig;muskels. Diese Wiederherstellung des Kontinenzmechanismus stellt eine chirurgische und funktionelle Herausforderung dar. Sie basiert auf der Grundlagenforschung der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Urologie in Erlangen; hier wurde bereits vor Jahren versucht, den Verbund von externen Detrusorfasern und Rhabdosphincter herzustellen. Grundlagenforschung zum einen und moderne Technik zum anderen &ndash; hier sei nur die noch am Anfang stehende intraoperative elektrische Stimulation der f&uuml;r die Kontinenz verantwortlichen Muskelfasern erw&auml;hnt &ndash; gew&auml;hrleisten heute, im Vergleich zu fr&uuml;heren Jahren, bei diesen Patienten eine deutlich h&ouml;here Kontinenzrate. <br />Eine Erweiterung des Therapiespektrums bei inkontinenten Patienten mit sowohl neurogenen Blasen als auch strukturellen Fehlbildungen stellt auch die Implementation von k&uuml;nstlichen B&auml;ndern dar; diese werden &auml;hnlich wie beim Erwachsenen von perineal um den hinteren Harnr&ouml;hrenanteil platziert, um so ein &ndash; Kontinenz gew&auml;hrleistendes &ndash; Widerlager zu bilden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1801_Weblinks_s23_1.jpg" alt="" width="2150" height="896" /></p> <h2>Stellenwert in Europa</h2> <p>Gemeinsam sorgen die Teams verschiedener Disziplinen heute daf&uuml;r, dass die Kinderurologie am Ordensklinikum in Linz im 25. Jahr ihres Bestehens als eines der gr&ouml;&szlig;ten und aktivsten kinderurologischen Zentren weltweit wahrgenommen wird &ndash; vielleicht sogar als das gr&ouml;&szlig;te in Europa gemessen an der Zahl der Patienten, der Operationsfrequenz und der Gr&ouml;&szlig;e des &Auml;rzteteams. Die Abteilung ist weiters seit Jahren mit innovativen klinischen und Grundlagenstudien regelm&auml;&szlig;ig bei regionalen und internationalen Kongressen und Symposien pr&auml;sent, die Anzahl der j&auml;hrlich publizierten wissenschaftlichen Arbeiten in diversen Fachzeitschriften ist f&uuml;r eine nicht universit&auml;re Einheit erstaunlich.</p> <div id="keypoints"> <h2>Fazit</h2> <p>R&uuml;ckblickend muss man die Kinder&shy;urologie als eine Erfolgsgeschichte betrachten; nach dem Beginn mit wenigen Betten und einer bescheidenen OP-Kapazit&auml;t sowie zwei Mitarbeitern arbeiten wir heute in sieben OPs mit sieben Mitarbeitern sowie Gast&auml;rzten &ndash; knapp 2000 Patienten werden j&auml;hrlich operiert. Heute stehen gro&szlig;e komplexe Rekonstruktionen von Blasenfehlbildungen (Blasen&shy;ekstrophie, Ersatzblasen bei neurogenen Blasen), Nierenerkrankungen (Tumoren), Fehlbildungen des &auml;u&szlig;eren Genitales (komplexe Hypospadien, persistierender Sinus urogenitalis, Phalloplastiken) und die wenig belastende Steinentfernung (&bdquo;Mini-Perc&ldquo;) mit dem Vorteil einer einzeitigen Operationstechnik im Vordergrund. Die Zukunft wird weitere weniger invasive, jedoch effizientere Operationsmethoden durch weitere Spezialisierungen und technisch kindgerechte Hilfsmittel bringen.</p> </div></p>
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