
Hypoglossusstimulation bei OSA – wer ist der richtige Patient?
Autor:
OA Dr. Maximilian Hartl
Abteilung für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie
Barmherzige Schwestern
Ordensklinikum Linz
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Bei obstruktiver Schlafapnoe (OSA) stellt die CPAP-Therapie (nächtliche Überdruckbeatmung) nach wie vor den Goldstandard dar. Ist eine erfolgreiche Nutzung der CPAP-Maske nicht möglich, kann die Hypoglossusstimulation als effektive und sichere Therapieoption in Betracht gezogen werden.
Keypoints
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Für einige Patienten ist aufgrund von Intoleranz oder Ineffektivität eine erfolgreiche Nutzung der CPAP-Maske nicht möglich.
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Neben anderen Therapiemöglichkeiten stellt die Hypoglossusstimulation bei genauer Indikationsstellung eine effektive und sichere Therapieoption dar.
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Die Schrittmachertherapieist für Patienten mit mittel- oder hochgradiger OSA indiziert.
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Aktuell stehen drei verschiedene Systeme zur Verfügung.
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Für die atemgesteuerte selektive einseitige Hypoglossusnervstimulation liegt die höchste Evidenz vor.
Die Prävalenz des obstruktiven Schlaf-apnoesyndroms (OSAS) ist über die Gesamtbevölkerung gesehen schwierig anzugeben. In der ersten Wisconsin Sleep Cohort Study vor mehr als zwei Jahrzehnten lag die Prävalenz bei durchschnittlich 17% der erwachsenen Bevölkerung. Männer sind in der Regel häufiger betroffen als Frauen. Allerdings zeigt sich in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Anstieg der Zahl der OSAS-Erkrankungen je nach Alter und Body-Mass-Index (BMI) um 14–55%.1
Der Goldstandard in der Therapie der obstruktiven Schlafapnoe ist nach wie vor die CPAP(„continuous positive airway pressure“; nächtliche Überdruckbeatmung), wenngleich die Compliance mit Dauer der Anwendung abnimmt. So zeigt sich innerhalb der ersten 90 Tagen noch eine 75%ige Compliance, die in Langzeitdaten bei einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 78 Monaten auf 50% sinkt.2,3
In der letztgültigen Aktualisierung der S3-Leitlinie zu schlafbezogenen Atmungsstörungen bei Erwachsenen hat nun auch die Neurostimulation des Nervus hypoglossus einen festen Stellenwert in der Behandlung der mittel-und hochgradigen OSA erhalten.4
Stimulationssysteme
Es existieren derzeit drei verschiedene Systeme zur Stimulation des Nervus hypoglossus, wobei derzeit nur die Systeme der Firmen Inspire Medical Systems (Abb. 1) und Nyxoah erhältlich sind.
Abb. 1: Das Therapiesystem Inspire® besteht aus einem Atemsensor und einer Stimulationselektrode, die von einem kleinen Generator betrieben wird
Atemgesteuerte selektive einseitige Hypoglussusnervstimulation (Inspire®/Inspire Medical Systems)
Hier wird über einen interkostalen Drucksensor bei der Inspiration über den Generator ein Reiz an die protrusischen Fasern des N.hypoglossus induziert, dereine Protrusion der Zunge bewirkt und einen Verschluss der pharyngealen Strukturen verhindern soll (Abb.1). Die Stärke des Reizes wird nach Erstaktivierung mittels Titrierung durch den Patienten selbst bestimmt. Der Schrittmacher selbst wird vor dem Schlafengehen mittels Fernbedienung vom Patienten aktiviert.
Bilaterale kontinuierliche Hypoglossusnervstimulation (Genio®/Nyxoah)
Hierbei handelt es sich um ein teilimplantiertes System, bei dem durch Klappelektroden, die an den Hypoglossus-Endästen positioniert und mit einem Generator gekoppelt sind, eine Stimulation des Nervs und die Protrusion der Zunge induziert wird. Der Generator wird vor dem Schlafengehen mit Pflaster auf der Haut unter dem Kinn platziert.
Einseitige kontinuierliche Hypoglossusnervstimulation (aura6000®/Liva Nova)
Hier werden durch ringförmig angeordnete Kontakte um den Hauptstamm des Nervs eine gezielte Stimulation bestimmter Nervenfasern und damit die Stabilisierung der pharyngealen Strukturen erreicht.
Patientenscreening
Um eine vor allem für den Patienten erfolgreiche und effiziente Therapie anbieten zu können, ist ein interdisziplinäres und eng abgestimmtes Vorgehen zwischen Schlafmedizinern und implantierendem Zentrum unabdingbar. Eine genaue und kritische Indikationsstellung ist für den Erfolg und nicht zuletzt für die Compliance des Patienten essenziell.
Aktuell handelt es sich bei der Hypoglossusnervstimulation um eine Zweitlinientherapie, das heißt, dass eine CPAP-Therapie zunächst durchgeführt und im Bedarfsfall entsprechend adaptiert werden muss. Es sind daher im Rahmen des Screenings die Gründe der CPAP-Non-Adhärenz genau zu dokumentieren. In weiterer Folge sind die Möglichkeiten von Alternativtherapien wie beispielsweise der Einsatz einer Unterkieferprotrusionsschiene, Lagepositionstraining oder andere chirurgische Optionen abzuwägen.
Die Schrittmachertherapie kommt prinzipiell für Patienten mit mittel-oder hochgradiger OSA infrage. Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) soll dabei 15 Ereignisse pro Stunde nicht unter- und 65 Ereignisse pro Stunde nicht überschreiten.
Zunächst müssen polysomnografisch neben der Diagnose auch andere schlafbezogene Atmungsstörungen wie beispielsweise Insomnien, PLMD („periodic limb movement disorder“) usw. ausgeschlossen werden. Auch andere neuromuskuläre oder neurodegenerative Erkrankungen sind für eine Stimulation kontraindiziert. Weiters darf der Anteil an zentralen Apnoen 25% an den Gesamtereignissen nicht überschreiten (Tab. 1).
Schließlich korreliert eine höhergradige Adipositas mit einem schlechteren Ergebnis, sodass ein BMI von 35kg/m2Körperoberfläche (KOF) nicht überschritten werden soll. Hierbei hat sich gezeigt, dass gerade jüngere Patienten mit einem höherem BMI weniger von der Therapie zu profitieren scheinen.5
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, werden im Rahmen einer medikamentös induzierten Schlafvideoendoskopie (MISE) ein komplett konzentrischer Kollaps auf Velumebene oder andere funktionell-anatomische Pathologien wie zum Beispiel eine „floppy epiglottis“ ausgeschlossen. Die MISE wird dabei unter monitorisierten Bedingungen mit Propofol oder Midazolam durchgeführt und videodokumentiert. Untersuchungen konnten zeigen, dass ein komplett konzentrischer Kollaps auf Weichgaumenebene bei atemgesteuerter Stimulation mit einem wesentlich geringerenAnsprechen der Stimulationstherapie einhergeht.6
Um ein standardisiertes Vorgehen in der Patientenselektion zu gewährleisten, existieren Checklisten der Fachgesellschaften, die außerdem das Screening erleichtern sollen.7 Schließlich hängt der Erfolg auch stark von der Motivation und der genauen Aufklärung der Patienten ab. Der Patient muss wissen, dass er insbesondere während der Titrationszeit eine aktive Rolle bei der Therapienutzung einnimmt.
Evidenzlage
Aufgrund der unterschiedlichen Funktionsweisen und technischer Gegebenheiten der Systeme existieren auch Unterschiede in Bezug auf die klinische Evidenz.
So liegt für das atemgesteuerte System Inspire mit weit über 100 wissenschaftlichen Publikationen und über 50000 Implantationen weltweit die höchste Evidenz vor. In der STAR-Studie konnte bei 126 Patienten eine deutliche Reduktion des AHI sowie Verbesserung der „quality of life“ festgestellt werden.8 Außerdem gibt es Langzeitbeobachtungen, die die Effizienz der Therapie sowie deren Sicherheit eindeutig belegen.9–11 In der EFFECT-Therapieentzugsstudie (n=89) wurden bei Scheinstimulation ein Wiederauftreten der Morgen- und Tagesmüdigkeit sowie eine Erhöhung des AHI (Abb. 2) beobachtet.12 Schließlich konnten in der ADHERE-Registry-Studie mit über 600 Patienten ebenfalls Wirksamkeit, Sicherheit und niedrige Komplikationsrate der atmungsgesteuerten Stimulation bestätigt werden.13
Abb. 2: Ergebnisse der EFFECT-Studie. Alle Teilnehmer erhielten während der ersten Visite (Baseline) eine therapeutische Stimulation. Nach einer randomisierten Zuweisung erhielt die Stim-Sham-Gruppe eine therapeutische Stimulation, während dieSham-Stim-Gruppeeine Woche lang eine Scheinstimulation erhielt.In der zweiten Woche erhielt die Stim-Sham-Gruppe eine Scheinstimulation, während dieSham-Stim-Gruppeeine therapeutische Stimulation erhielt. A: AHI-Werte <15 Ereignisse pro Schlafstunde gelten als leichte OSA; B: ESS-Werte <10 stehen für durchschnittliche Tagesschläfrigkeit (modifiziert nach Heiser C et al. 2021)12
Für die bilaterale Hypoglossusstimulation (Nyxoah) existieren bisweilen nur kleinere Fallserien. Es zeigt sich jedoch im Vergleich zur unilateralen Stimulation, dass in Bezug auf Effizienz und Sicherheit ähnliche Ergebnisse erzielt werden können, wenngleich mit geringen Patientenzahlen. Hier bleiben Langzeitergebnisse und Studien größerer Patientenpopulationen abzuwarten.14
Zusammenfassung
Die Hypoglossusstimulation ist eine sichere und effiziente Zweitlinientherapie beim mittelschwerem und schwerem OSAS. Um zufriedenstellende Ergebnisse erzielen zu können, sind ein stark interdisziplinäres Vorgehen und eine strenge Indikationsstellung unumgänglich. Nicht zuletzt sind die aktive Einbeziehung und Motivation des Patienten von Beginn an für die Compliance und regelmäßige Nutzung der Therapie essenziell.
Literatur:
1 Peppard et al.: Increased prevalence of sleep-disordered breathing in adults. Am J Epidemiol 2013; 177(9): 1006-14 2 Patel SR et al.: Age and sex disparities in adherence to CPAP. Chest 2021; 159(1): 382-9 3 Baratta F et al.: Long-term prediction of adherence to continuous positive air pressure therapy for the treatment of moderate/severe obstructive sleep apnea syndrome. Sleep Medicine 2018; 43: 66-70 4 Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin: S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen 2017. Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen“. https://register.awmf.org/assets/guidelines/063-001l_S3_SBAS_2023-01_verlaengert_und_Hinweis_Teil-Aktualisierung.pdf ; zuletzt aufgerufen am 18.1.2024 5 Kent DT et al.: Evaluation of hypoglossal nerve stimulation treatment in obstructive sleep apnea. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2019; 145(11): 1044-52 6 Vanderveken OM et al.: Evaluation of druginduced sleep endoscopy as a patient selection tool for implanted upper airway stimulation for obstructive sleep apnea. J Clin Sleep Med 2013; 9: 433-8 7 Fietze I et al.: Wenn CPAP nicht genutzt oder nicht vertragen wird. Somnologie 2020; doi: 10.1007/s11818-020-00233-0 8 Strollo PJ et al.: Upper-airway stimulation for obstructive sleep apnea (STAR). New Eng J Med 2014; 370(2): 139-49 9 Gillespie MB et al.: Upper airway stimulation for obstructive sleep apnea: patient-reported outcomes after 48 months of follow-up. Otolaryngol Head Neck Surg 2017; 156: 765-71 10 Woodson BT et al.: Three-year outcomes of cranial nerve stimulation for obstructive sleep apnea: The STAR Trial. Otolaryngol Head Neck Surg 2016; 154: 181-8 11 Woodson BT et al.: Upper airway stimulation for obstructive sleep apnea: 5-Year outcomes. Otolaryngol Head Neck Surg 2018; 159(1): 194-202 12 Heiser C et al.: Effect of upper airway stimulation in patients with obstructive sleep apnea (EFFECT): A Randomized Controlled Crossover Trial. J Clin Med 2021; 10(13): 2880 13 Thaler E et al.: Results of the ADHERE upper airway stimulation registry and predictors of therapy efficacy. Laryngoscope 2020; 130(5): 1333-8 14 Heiser C et al.: Bilateral vs unilateral hypoglossal nerve stimulation in patients with obstructive sleep apnea. OTO Open 2022; 6(3): 2473974X221109794 15 Steffen A et al.: Die Stimulation des Nervus hypoglossus in der Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe. Aktualisiertes Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Schlafmedizin der DGHNO-KHC. Laryngorhinootologie 2021; 100(1): 15-20
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