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Fatigue – belastende Komorbidität bei urologischen Tumorpatienten
Urologik
30
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13.12.2018
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<p class="article-intro">Die tumorassoziierte Fatigue („cancer-related fatigue“, CrF) ist in der Uroonkologie eine ernst zu nehmende Befindungsstörung mit belastenden physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen. Symptome der CrF sind mit kürzeren Überlebenszeiten, verminderter Lebensqualität und reduzierter Behandlungscompliance verbunden. Oftmals wird die Behandlungsbedürftigkeit der CrF unterschätzt. Da es sich um ein multifaktorielles Geschehen mit vielfältigen Ursachen handelt, ist die Therapie individuell auf den jeweiligen Patienten abzustimmen.</p>
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<p class="article-content"><p>Von allen Symptomen und Beschwerden während (und nach) einer antitumoralen Therapie werden die der CrF als die am stärksten belastenden empfunden. CrF führt zu reduzierter Lebensqualität und schränkt die Leistungsfähigkeit deutlich ein. Studien legen sogar nahe, dass CrF ein prädiktiver Faktor für eine erhöhte Mortalität ist. Die Symptomatik ist vielschichtig und reicht von Gefühlen der Abgeschlagenheit und mangelnder Energie über Antriebs- und Interessenlosigkeit bis zu Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Viele Betroffene leiden zusätzlich an Schmerzen, Schlafstörungen und psychischer Belastung durch Angst und Depression. Dabei kann die CrF sowohl Ursache, Kofaktor oder Folge der anderen Belastungen sein.</p> <h2>Häufige Komorbidität unter Tumortherapie mit vielfältigen Ursachen</h2> <p>Unter Krebstherapie tritt das Erschöpfungssyndrom häufig auf („akute Fatigue“), kann aber auch nach Therapieende in Erscheinung treten (chronische Fatigue), wobei die Ausprägung der CrF mit der Intensität der Therapie nur schwach korreliert. Die Tumorerkrankung, die Behandlung und die damit verbundenen Komplikationen sind als auslösende Faktoren zu nennen. Malnutrition, metabolische Stoffwechselveränderungen und insbesondere Anämie, tumor- und therapiebedingt, stellen darüber hinaus wichtige Ursachen dar. Die Betroffenheit des ganzen Menschen spiegelt die Multidimensionalität des Phänomens wider. Alle Erklärungsmodelle zur Ursache und Entstehung von Müdigkeitsund Erschöpfungssyndromen gehen von einer komplexen multikausalen Ätiopathogenese aus. Die mannigfaltigen Ursachen, die sich gegenseitig beeinflussen, wechselseitig bedingen und im Beschwerdebild „Fatigue“ münden, können beim individuellen Patienten nicht immer klar getrennt werden, sodass die Therapie sehr individuell gestaltet werden muss.</p> <h2>Oftmals unzureichende Wahrnehmung der Behandlungsbedürftigkeit</h2> <p>Je nach Verlauf und Ausprägung reichen die Auswirkungen der CrF von geringen, vorübergehenden Einschränkungen über unzureichende Alltagsbewältigung mit sozialem Rückzug bis zu Berufs- und Erwerbsunfähigkeit mit finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen. Nicht nur der Patient, sondern auch das soziale Umfeld ist betroffen. Viele Studien zeigen, dass Beschwerden der CrF im klinischen Alltag kaum systematisch erfragt werden, was zu einer unzureichenden Wahrnehmung der Belastung und vor allem der Behandlungsbedürftigkeit führt. Gründe für eine unzureichende Kommunikation über CrF finden sich sowohl bei den Patienten als auch bei den Behandlern und umfassen Untertreibung, die Vorstellung, dass Erschöpfung notwendiger Bestandteil der Erkrankung und Therapie sei, Zeitmangel sowie fehlende Kenntnisse zu Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten. 32 % der Krebspatienten weisen bereits bei stationärer Aufnahme, 40 % bei Entlassung und 36 % ein halbes Jahr später deutlich stärkere Müdigkeits- und Erschöpfungssymptome auf.</p> <h2>Bislang kaum Untersuchungen zu Fatigue in der Uroonkologie</h2> <p>Bislang liegen kaum Untersuchungen zu Fatigue in der Uroonkologie vor. Im eigenen Rostocker Patientenkollektiv wurde Fatigue in 58 % der Fälle beschrieben (Range „etwas“ bis „sehr betroffen“). Von Schmerzen oder Übelkeit/Erbrechen berichteten 34 % bzw. 29 % . In 52 % der Fälle wurden diese Symptome dem behandelnden Arzt nicht mitgeteilt. Nur 15 % der Patienten erhielten eine Behandlung bzw. Beratung hinsichtlich des Managements einer CrF. In 45 % der Fälle wurde die Symptomkontrolle als unzureichend beurteilt. In der multivarianten Analyse zeigte sich eine Korrelation zwischen CrF und Lebensqualität, Depression, Dyspnoe, Gewichtsverlust, Inappetenz und Analgetikagebrauch. <br />CrF kann aber auch eine Nebenwirkung der systemischen Tumortherapie sein. Die zielgerichteten Substanzen („targeted therapy“), wie die in der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms verwendeten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), führen in der Regel zu weniger symptomatischen und hämatologischen Nebenwirkungen als die „klassischen“ Zytostatika und können daher auch über einen längeren Zeitraum appliziert werden. Dennoch verursachen sie Nebenwirkungen, die alle Organsysteme betreffen können und die denen der Chemotherapeutika ähneln. Oft handelt es sich nicht nur um akute Toxizitäten, da diese Medikamente aufgrund ihres Wirkmechanismus über längere Zeiträume verabreicht werden; hier werden die besonderen Langzeiteffekte relevant. <br />CrF, die sich oft als „bleierne Müdigkeit“ bis hin zur Depression äußern kann, scheint im Zeitalter der neuen Substanzen eine besondere Bedeutung zu erlangen, da sie während einer Therapie mit TKI bei bis zu 40 % aller Patienten auftritt und für die Patienten eine sehr hohe Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität darstellt. Ferner können Hypothyreosen induziert werden, die ebenfalls psychische Symptome hervorrufen können. Über Langzeitfolgen der TKI liegen bislang nur wenige Daten vor, da sie erst seit ca. 10 Jahren in der regelmäßigen klinischen Verwendung sind.</p> <h2>Pharmakologische Therapieverfahren zeigen nur begrenzte Effekte</h2> <p>Da pharmakologische Therapieverfahren bislang nur einen sehr begrenzten und geringen Effekt zeigten, sind andere Therapieansätze sinnvoll. Moderates Ausdauertraining und Yoga haben sich nachweislich bei Tumorpatienten als wirksam erwiesen, wobei sich die Trainingsprogramme an die individuelle Situation der Patienten anpassen sollten. Trotz aller medikamentösen und physiotherapeutischen Verfahren müssen Betroffene Strategien entwickeln, um mit der Müdigkeit umzugehen, sodass ein Aktivitäts-Ruhe- Gleichgewicht eingehalten und auf belastende Anstrengungen verzichtet werden kann. Ferner sollte eine begleitende psychologische Unterstützung erfolgen, um belastende psychosoziale Faktoren zu identifizieren, zu bearbeiten und die individuelle Krankheitsbewältigung zu unterstützen.</p></p>
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