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Fatigue – belastende Komorbidität bei urologischen Tumorpatienten

<p class="article-intro">Die tumorassoziierte Fatigue („cancer-related fatigue“, CrF) ist in der Uroonkologie eine ernst zu nehmende Befindungsstörung mit belastenden physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen. Symptome der CrF sind mit kürzeren Überlebenszeiten, verminderter Lebensqualität und reduzierter Behandlungscompliance verbunden. Oftmals wird die Behandlungsbedürftigkeit der CrF unterschätzt. Da es sich um ein multifaktorielles Geschehen mit vielfältigen Ursachen handelt, ist die Therapie individuell auf den jeweiligen Patienten abzustimmen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Von allen Symptomen und Beschwerden w&auml;hrend (und nach) einer antitumoralen Therapie werden die der CrF als die am st&auml;rksten belastenden empfunden. CrF f&uuml;hrt zu reduzierter Lebensqualit&auml;t und schr&auml;nkt die Leistungsf&auml;higkeit deutlich ein. Studien legen sogar nahe, dass CrF ein pr&auml;diktiver Faktor f&uuml;r eine erh&ouml;hte Mortalit&auml;t ist. Die Symptomatik ist vielschichtig und reicht von Gef&uuml;hlen der Abgeschlagenheit und mangelnder Energie &uuml;ber Antriebs- und Interessenlosigkeit bis zu Konzentrations- und Ged&auml;chtnisst&ouml;rungen. Viele Betroffene leiden zus&auml;tzlich an Schmerzen, Schlafst&ouml;rungen und psychischer Belastung durch Angst und Depression. Dabei kann die CrF sowohl Ursache, Kofaktor oder Folge der anderen Belastungen sein.</p> <h2>H&auml;ufige Komorbidit&auml;t unter Tumortherapie mit vielf&auml;ltigen Ursachen</h2> <p>Unter Krebstherapie tritt das Ersch&ouml;pfungssyndrom h&auml;ufig auf (&bdquo;akute Fatigue&ldquo;), kann aber auch nach Therapieende in Erscheinung treten (chronische Fatigue), wobei die Auspr&auml;gung der CrF mit der Intensit&auml;t der Therapie nur schwach korreliert. Die Tumorerkrankung, die Behandlung und die damit verbundenen Komplikationen sind als ausl&ouml;sende Faktoren zu nennen. Malnutrition, metabolische Stoffwechselver&auml;nderungen und insbesondere An&auml;mie, tumor- und therapiebedingt, stellen dar&uuml;ber hinaus wichtige Ursachen dar. Die Betroffenheit des ganzen Menschen spiegelt die Multidimensionalit&auml;t des Ph&auml;nomens wider. Alle Erkl&auml;rungsmodelle zur Ursache und Entstehung von M&uuml;digkeitsund Ersch&ouml;pfungssyndromen gehen von einer komplexen multikausalen &Auml;tiopathogenese aus. Die mannigfaltigen Ursachen, die sich gegenseitig beeinflussen, wechselseitig bedingen und im Beschwerdebild &bdquo;Fatigue&ldquo; m&uuml;nden, k&ouml;nnen beim individuellen Patienten nicht immer klar getrennt werden, sodass die Therapie sehr individuell gestaltet werden muss.</p> <h2>Oftmals unzureichende Wahrnehmung der Behandlungsbed&uuml;rftigkeit</h2> <p>Je nach Verlauf und Auspr&auml;gung reichen die Auswirkungen der CrF von geringen, vor&uuml;bergehenden Einschr&auml;nkungen &uuml;ber unzureichende Alltagsbew&auml;ltigung mit sozialem R&uuml;ckzug bis zu Berufs- und Erwerbsunf&auml;higkeit mit finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen. Nicht nur der Patient, sondern auch das soziale Umfeld ist betroffen. Viele Studien zeigen, dass Beschwerden der CrF im klinischen Alltag kaum systematisch erfragt werden, was zu einer unzureichenden Wahrnehmung der Belastung und vor allem der Behandlungsbed&uuml;rftigkeit f&uuml;hrt. Gr&uuml;nde f&uuml;r eine unzureichende Kommunikation &uuml;ber CrF finden sich sowohl bei den Patienten als auch bei den Behandlern und umfassen Untertreibung, die Vorstellung, dass Ersch&ouml;pfung notwendiger Bestandteil der Erkrankung und Therapie sei, Zeitmangel sowie fehlende Kenntnisse zu Diagnostik und Behandlungsm&ouml;glichkeiten. 32 % der Krebspatienten weisen bereits bei station&auml;rer Aufnahme, 40 % bei Entlassung und 36 % ein halbes Jahr sp&auml;ter deutlich st&auml;rkere M&uuml;digkeits- und Ersch&ouml;pfungssymptome auf.</p> <h2>Bislang kaum Untersuchungen zu Fatigue in der Uroonkologie</h2> <p>Bislang liegen kaum Untersuchungen zu Fatigue in der Uroonkologie vor. Im eigenen Rostocker Patientenkollektiv wurde Fatigue in 58 % der F&auml;lle beschrieben (Range &bdquo;etwas&ldquo; bis &bdquo;sehr betroffen&ldquo;). Von Schmerzen oder &Uuml;belkeit/Erbrechen berichteten 34 % bzw. 29 % . In 52 % der F&auml;lle wurden diese Symptome dem behandelnden Arzt nicht mitgeteilt. Nur 15 % der Patienten erhielten eine Behandlung bzw. Beratung hinsichtlich des Managements einer CrF. In 45 % der F&auml;lle wurde die Symptomkontrolle als unzureichend beurteilt. In der multivarianten Analyse zeigte sich eine Korrelation zwischen CrF und Lebensqualit&auml;t, Depression, Dyspnoe, Gewichtsverlust, Inappetenz und Analgetikagebrauch. <br />CrF kann aber auch eine Nebenwirkung der systemischen Tumortherapie sein. Die zielgerichteten Substanzen (&bdquo;targeted therapy&ldquo;), wie die in der Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms verwendeten Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI), f&uuml;hren in der Regel zu weniger symptomatischen und h&auml;matologischen Nebenwirkungen als die &bdquo;klassischen&ldquo; Zytostatika und k&ouml;nnen daher auch &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum appliziert werden. Dennoch verursachen sie Nebenwirkungen, die alle Organsysteme betreffen k&ouml;nnen und die denen der Chemotherapeutika &auml;hneln. Oft handelt es sich nicht nur um akute Toxizit&auml;ten, da diese Medikamente aufgrund ihres Wirkmechanismus &uuml;ber l&auml;ngere Zeitr&auml;ume verabreicht werden; hier werden die besonderen Langzeiteffekte relevant. <br />CrF, die sich oft als &bdquo;bleierne M&uuml;digkeit&ldquo; bis hin zur Depression &auml;u&szlig;ern kann, scheint im Zeitalter der neuen Substanzen eine besondere Bedeutung zu erlangen, da sie w&auml;hrend einer Therapie mit TKI bei bis zu 40 % aller Patienten auftritt und f&uuml;r die Patienten eine sehr hohe Beeintr&auml;chtigung ihrer Lebensqualit&auml;t darstellt. Ferner k&ouml;nnen Hypothyreosen induziert werden, die ebenfalls psychische Symptome hervorrufen k&ouml;nnen. &Uuml;ber Langzeitfolgen der TKI liegen bislang nur wenige Daten vor, da sie erst seit ca. 10 Jahren in der regelm&auml;&szlig;igen klinischen Verwendung sind.</p> <h2>Pharmakologische Therapieverfahren zeigen nur begrenzte Effekte</h2> <p>Da pharmakologische Therapieverfahren bislang nur einen sehr begrenzten und geringen Effekt zeigten, sind andere Therapieans&auml;tze sinnvoll. Moderates Ausdauertraining und Yoga haben sich nachweislich bei Tumorpatienten als wirksam erwiesen, wobei sich die Trainingsprogramme an die individuelle Situation der Patienten anpassen sollten. Trotz aller medikament&ouml;sen und physiotherapeutischen Verfahren m&uuml;ssen Betroffene Strategien entwickeln, um mit der M&uuml;digkeit umzugehen, sodass ein Aktivit&auml;ts-Ruhe- Gleichgewicht eingehalten und auf belastende Anstrengungen verzichtet werden kann. Ferner sollte eine begleitende psychologische Unterst&uuml;tzung erfolgen, um belastende psychosoziale Faktoren zu identifizieren, zu bearbeiten und die individuelle Krankheitsbew&auml;ltigung zu unterst&uuml;tzen.</p></p>
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