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Aktuelle Diagnostik und Therapieoptionen bei Blasenfunktionsstörungen

<p class="article-intro">Blasenfunktionsstörungen umfassen sowohl Störungen der Harnentleerung als auch Störungen der Speicherfunktion und können verschiedenste Ursachen haben. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises für Blasenentleerungsstörungen, OA Dr. Martin Haydter vom Landesklinikum Wiener Neustadt, über die erforderlichen Maßnahmen zur Diagnostik und über aktuelle Behandlungsoptionen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Welche Untersuchungen sind zur Diagnostik von Blasenentleerungsst&ouml;rungen erforderlich?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Bei der Diagnostik der Blasenfunktionsst&ouml;rungen ist eine m&ouml;glichst genaue Anamnese besonders wichtig. Als Basisuntersuchung ist ein allgemeiner urologischer Status mit Urinanalyse zum Ausschluss eines Harnwegsinfektes, k&ouml;rperlicher Untersuchung und Sonografie von Niere und Blase erforderlich. Prinzipiell muss zwischen St&ouml;rungen der Speicher- und St&ouml;rungen der Entleerungsphase unterschieden werden, deshalb sollte eine Ultraschalluntersuchung der Blase nach Miktion durchgef&uuml;hrt werden, um eine Restharnbildung zu erkennen. Des Weiteren ist eine fr&uuml;hzeitig eingesetzte Uroflowmetrie eine sehr sinnvolle Untersuchung, weil sie nicht invasiv ist und bereits guten Aufschluss &uuml;ber die Art und die Ursache der Blasenfunktionsst&ouml;rung geben kann.</p> <p><strong>Die Therapieoptionen sind je nach Ursache der Blasenfunktionsst&ouml;rungen sehr vielf&auml;ltig. Welche M&ouml;glichkeiten gibt es derzeit bei der Behandlung von Speicherst&ouml;rungen?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Bei der &uuml;beraktiven Blase (OAB) kommen bei der medikament&ouml;sen Therapie (First-Line-Therapie) in erster Linie Antimuskarinika zum Einsatz. Vor Kurzem ist auch der Beta-3-Adrenozeptor- Agonist Mirabegron zum Therapiealgorithmus hinzugekommen und wurde k&uuml;rzlich auch in die entsprechenden EAU-Leitlinien aufgenommen. Wenn diese konservativen Ma&szlig;nahmen versagen, stehen im Prinzip zwei operative Optionen zur Verf&uuml;gung. Hier hat in den vergangenen Jahren die intravesikale Injektion von Botulinumtoxin in den Therapiealltag Einzug gehalten. Die andere Option nach medikament&ouml;sem Therapieversagen ist die sakrale Neuromodulation &ndash; der Vorteil dabei liegt in der breiteren Anwendungsm&ouml;glichkeit (Versuch der Wiederherstellung der normalen physiologischen Funktionen von Blase und Mastdarm) und der prinzipiell unbeschr&auml;nkten Therapiedauer, da die Wirkung des Botox nach circa 9 Monaten wieder nachl&auml;sst. Beide Verfahren sind vom Evidenzgrad her gleichgestellt und k&ouml;nnen gem&auml;&szlig; den aktuellen Leitlinien sowohl bei der neurogenen als auch der idiopathischen &uuml;beraktiven Blase eingesetzt werden.</p> <p><strong>Welche Behandlungsm&ouml;glichkeiten gibt es bei Entleerungsst&ouml;rungen?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Hier ist es vor allem bei M&auml;nnern notwendig, eine subvesikale Obstruktion als Ursache zu erkennen. F&uuml;r diese m&uuml;ssten deobstruierende Verfahren wie etwa eine transurethrale Prostataresektion als Therapie eingesetzt werden. Bei den Blasenentleerungsst&ouml;rungen ohne Obstruktion (sog. akontraktile Blase) gibt es leider nur wenige therapeutische Optionen. Die Therapie der ersten Wahl ist noch immer der intermittierende Selbstkatheterismus. Eine sakrale Neuromodulation kann versucht werden, sie ist derzeit die einzige Hoffnung f&uuml;r eine Wiederherstellung einer suffizienten Blasenfunktion. Medikament&ouml;s gibt es derzeit keine verf&uuml;gbare Therapie. Bethanecholchlorid wird zwar immer wieder eingesetzt, hierf&uuml;r gibt es allerdings nur eine sehr schwache Evidenz und keinen hohen Empfehlungsgrad. Die dauerhafte &ndash; suprapubische oder transurethrale &ndash; Harnableitung sollte nur zum Einsatz kommen, wenn keine anderen M&ouml;glichkeiten mehr gegeben sind.</p> <p><strong>Sie sind Vorsitzender des Arbeitskreises f&uuml;r Blasenfunktionsst&ouml;rungen der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Urologie. Gibt es hier Neuigkeiten zu berichten?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Zusammen mit den Kollegen der Gyn&auml;kologie planen wir derzeit ein gemeinsames Curriculum f&uuml;r eine Facharzt-Subspezialisierung f&uuml;r weibliche Beckenfunktionsst&ouml;rungen. Sowohl Fach&auml;rzte f&uuml;r Urologie als auch Fach&auml;rzte f&uuml;r Frauenheilkunde und Geburtsmedizin sollen in Zukunft diese Zusatzausbildung, die etwa zwei Jahre dauern wird, absolvieren k&ouml;nnen. Dies w&uuml;rde in &Ouml;sterreich erstmalig eine interdisziplin&auml;re Subspezialisierung bedeuten und sicherlich ma&szlig;geblich zur Steigerung der Expertise und Qualit&auml;t in der Behandlung der Patientinnen beitragen.<br /> Au&szlig;erdem wird am 5. Oktober wieder ein Intensivseminar zum Thema Urodynamik, diesmal am LKH Wiener Neustadt, abgehalten, um die Aus- und Fortbildung unserer jungen Kollegen in diesem Bereich zu forcieren.</p> <p><strong><em>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</em></strong></p></p>
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