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Aktuelle Diagnostik und Therapieoptionen bei Blasenfunktionsstörungen
Urologik
30
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16.05.2018
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<p class="article-intro">Blasenfunktionsstörungen umfassen sowohl Störungen der Harnentleerung als auch Störungen der Speicherfunktion und können verschiedenste Ursachen haben. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises für Blasenentleerungsstörungen, OA Dr. Martin Haydter vom Landesklinikum Wiener Neustadt, über die erforderlichen Maßnahmen zur Diagnostik und über aktuelle Behandlungsoptionen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Welche Untersuchungen sind zur Diagnostik von Blasenentleerungsstörungen erforderlich?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Bei der Diagnostik der Blasenfunktionsstörungen ist eine möglichst genaue Anamnese besonders wichtig. Als Basisuntersuchung ist ein allgemeiner urologischer Status mit Urinanalyse zum Ausschluss eines Harnwegsinfektes, körperlicher Untersuchung und Sonografie von Niere und Blase erforderlich. Prinzipiell muss zwischen Störungen der Speicher- und Störungen der Entleerungsphase unterschieden werden, deshalb sollte eine Ultraschalluntersuchung der Blase nach Miktion durchgeführt werden, um eine Restharnbildung zu erkennen. Des Weiteren ist eine frühzeitig eingesetzte Uroflowmetrie eine sehr sinnvolle Untersuchung, weil sie nicht invasiv ist und bereits guten Aufschluss über die Art und die Ursache der Blasenfunktionsstörung geben kann.</p> <p><strong>Die Therapieoptionen sind je nach Ursache der Blasenfunktionsstörungen sehr vielfältig. Welche Möglichkeiten gibt es derzeit bei der Behandlung von Speicherstörungen?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Bei der überaktiven Blase (OAB) kommen bei der medikamentösen Therapie (First-Line-Therapie) in erster Linie Antimuskarinika zum Einsatz. Vor Kurzem ist auch der Beta-3-Adrenozeptor- Agonist Mirabegron zum Therapiealgorithmus hinzugekommen und wurde kürzlich auch in die entsprechenden EAU-Leitlinien aufgenommen. Wenn diese konservativen Maßnahmen versagen, stehen im Prinzip zwei operative Optionen zur Verfügung. Hier hat in den vergangenen Jahren die intravesikale Injektion von Botulinumtoxin in den Therapiealltag Einzug gehalten. Die andere Option nach medikamentösem Therapieversagen ist die sakrale Neuromodulation – der Vorteil dabei liegt in der breiteren Anwendungsmöglichkeit (Versuch der Wiederherstellung der normalen physiologischen Funktionen von Blase und Mastdarm) und der prinzipiell unbeschränkten Therapiedauer, da die Wirkung des Botox nach circa 9 Monaten wieder nachlässt. Beide Verfahren sind vom Evidenzgrad her gleichgestellt und können gemäß den aktuellen Leitlinien sowohl bei der neurogenen als auch der idiopathischen überaktiven Blase eingesetzt werden.</p> <p><strong>Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Entleerungsstörungen?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Hier ist es vor allem bei Männern notwendig, eine subvesikale Obstruktion als Ursache zu erkennen. Für diese müssten deobstruierende Verfahren wie etwa eine transurethrale Prostataresektion als Therapie eingesetzt werden. Bei den Blasenentleerungsstörungen ohne Obstruktion (sog. akontraktile Blase) gibt es leider nur wenige therapeutische Optionen. Die Therapie der ersten Wahl ist noch immer der intermittierende Selbstkatheterismus. Eine sakrale Neuromodulation kann versucht werden, sie ist derzeit die einzige Hoffnung für eine Wiederherstellung einer suffizienten Blasenfunktion. Medikamentös gibt es derzeit keine verfügbare Therapie. Bethanecholchlorid wird zwar immer wieder eingesetzt, hierfür gibt es allerdings nur eine sehr schwache Evidenz und keinen hohen Empfehlungsgrad. Die dauerhafte – suprapubische oder transurethrale – Harnableitung sollte nur zum Einsatz kommen, wenn keine anderen Möglichkeiten mehr gegeben sind.</p> <p><strong>Sie sind Vorsitzender des Arbeitskreises für Blasenfunktionsstörungen der Österreichischen Gesellschaft für Urologie. Gibt es hier Neuigkeiten zu berichten?</strong></p> <p><strong>M. Haydter:</strong> Zusammen mit den Kollegen der Gynäkologie planen wir derzeit ein gemeinsames Curriculum für eine Facharzt-Subspezialisierung für weibliche Beckenfunktionsstörungen. Sowohl Fachärzte für Urologie als auch Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtsmedizin sollen in Zukunft diese Zusatzausbildung, die etwa zwei Jahre dauern wird, absolvieren können. Dies würde in Österreich erstmalig eine interdisziplinäre Subspezialisierung bedeuten und sicherlich maßgeblich zur Steigerung der Expertise und Qualität in der Behandlung der Patientinnen beitragen.<br /> Außerdem wird am 5. Oktober wieder ein Intensivseminar zum Thema Urodynamik, diesmal am LKH Wiener Neustadt, abgehalten, um die Aus- und Fortbildung unserer jungen Kollegen in diesem Bereich zu forcieren.</p> <p><strong><em>Vielen Dank für das Gespräch!</em></strong></p></p>