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Rheuma und Osteoporose

Glukokortikoide sind ein wesentlicher Risikofaktor für Osteoporose und Frakturen in der Behandlung von schweren rheumatischen Systemerkrankungen. Durch die Suppression der Entzündung können geringe Mengen auch einen osteoprotektiven Effekt haben, höhere kumulative Dosen gehen jedoch mit einer signifikanten Abnahme der Knochendichte einher.

Die Autoren der aktuellen EULAR-Leitlinien für das Management der rheumatoiden Arthritis (RA) betonen die Wichtigkeit von Cortison in der Rheumatherapie, vor allem in den ersten sechs Monaten.1 State of the Art nach der klinischen Diagnose einer RA ist – sofern nicht kontraindiziert – die Gabe von Methotrexat (MTX) in Kombination mit einem „Short-time“-Kortikoid. Ist MTX kontraindiziert, wird initial mit Leflunomid oder Sulfasalazin plus einem „Short-time“-Kortikoid behandelt. Werden die Behandlungsziele nach 6 Monaten erreicht – mit einer Verbesserung nach 3 Monaten –, kann bei anhaltender Remission die Kortisondosis verringert werden.

Richtige Cortisondosis finden

In der Behandlung der RA sind Glukokortikoide ein Risikofaktor. Peter Oelzner et al. präsentierten auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) 2020 die Ergebnisse einer Untersuchung, die auf den Zusammenhang von Knochenmineraldichte (BMD) und Prävalenz osteoporotischer Frakturen mit der kumulativen Glukokortikoiddosis (kGKD) bei RA abzielte.2 Darin wurden 704 Patienten mit RA (558 Frauen und 146 Männer, mittleres Alter 58,9±12,9 Jahre, mittlere Erkrankungsdauer 10,4±10,3 Jahre) in 4 Gruppen unterteilt. Gruppe 1: Patienten ohne Glukokortikoide (n=157), Gruppe 2: Patienten mit kGKD ≤5g (n=177), Gruppe 3: Patienten mit kGKD 5– ≤10g (n=159), Gruppe 4: Patienten mit kGKD >10g (n=211). Neben der Messung der BMD an Lendenwirbelsäule (BMD-LS), Schenkelhals (BMD-SH) und Gesamthüfte (BMD-H) mittels dualer X-Ray-Absorptiometrie wurden demografische Daten, Entzündungsaktivität, die durchschnittliche tägliche Glukokortikoiddosis und die kGKD erfasst. Die Frakturprävalenz wurde getrennt für alle osteoporotischen und vertebrale Frakturen betrachtet.

Insgesamt fanden sich bei 19,3% osteoporotische Frakturen und bei 10,2% vertrebrale Frakturen. Signifikante Unterschiede in wichtigen Frakturrisikofaktoren wie Alter und Geschlecht bestanden zwischen den 4 Gruppen nicht. Während sich für die Prävalenz aller osteoporotischen Frakturen (Gruppe 1: 17,8%, Gruppe 2: 19,2%, Gruppe 3: 17%, Gruppe 4: 22,7%) kein signifikanter Zusammenhang mit der kGKD fand, zeigte sich für die Prävalenz vertebraler Frakturen eine signifikante Abhängigkeit von der kGKD (Gruppe 1: 7,6%, Gruppe 2: 6,8%; Gruppe 3: 11,3%, Gruppe 4: 13,7%; p=0,019). Patienten mit einer kGKD >5g zeigten gegenüber jenen ohne Glukokortikoide bzw. mit kGKD ≤5g (Gruppen 1 und 2) eine nahezu verdoppelte Prävalenz vertebraler Frakturen (12,7% vs. 7,1%; p=0,015).

In Gruppe 2 (kGKD ≤5g) fanden sich höhere Werte für BMD-SH und BMD-H als in Gruppe 1 (p<0,05) und Gruppe 2 (p<0,01 bzw. <0,001) und an allen Messorten eine höhere BMD als in Gruppe 3 (p<0,001).

Patienten ohne Glukokortikoide zeigten im Vergleich zu allen anderen Gruppe eine signifikant höhere Blutsenkung und ein höheres CRP als jene der Gruppe 2 (p<0,05).

Die Schlussfolgerungen der Studienautoren: Kumulative Glukokortikoiddosen bis 5g bei RA können durch Suppression der Entzündung einen osteoprotektiven Effekt haben, höhere kumulative Dosen gehen jedoch mit einer signifikanten Abnahme der BMD und einer erhöhten Prävalenz für vertebrale Frakturen einher.

Ebenfalls auf dem Kongress der DGRh 2020 vorgestellt wurden die Ergebnisse der CORRA-Studie, einer randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen Untersuchung, in der Wirksamkeit und Sicherheit von zwei Prednisolondosierungen in der Behandlung von Patienten mit früher RA untersucht wurden.3 Ein „Bridging“ mit initial 60mg Prednisolon führte nur für kurze Zeit zu einer Verbesserung der klinischen Krankheitsaktivität im Vergleich zu initial 10mg Prednisolon oder Placebo. Hinsichtlich der Entwicklung struktureller Gelenkschäden wurde im Rahmen einer Treat-to-target-Strategie eine Nichtunterlegenheit der 10-mg-Prednisolondosis gegenüber der 60-mg-Dosis konstatiert.

In der SEMIRA-Studie wurde das Fortsetzen der Glukokortikoidgabe dem Ausschleichen nach Erreichen einer geringen Krankheitsaktivität oder Remission bei RA gegenübergestellt.4 Ergebnis: Im Falle einer Cortisonreduktion nimmt die Krankheitsaktivität etwas zu, liegt aber im Treat-to-target-Bereich: 1,9 (0,8) bei Prednisolon ausgeschlichen (n=131) vs. 2,0 (0,9) bei Prednisolon fortgesetzt (n=128). Der Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich der Veränderung im DAS28-BSG war klein (0,613). Stärkere Anstiege der Faktoren P1NP und ALP (Knochenbildung) sowie von CTX-1 (Knochenresorption) von Baseline bis Woche 24 wurde in der Gruppe, in der Glukokortikoide ausgeschlichen wurden, verzeichnet. Bei Patienten, die mit Tocilizumab und einer mindestens 24-wöchigen Behandlung mit Glukokortikoiden eine geringe Krankheitsaktivität erreichten, bot die Fortsetzung der Glukokortikoidtherapie mit 5mg pro Tag über 24 Wochen somit eine sichere und bessere Krankheitskontrolle als die Verringerung der Glukokortikoide, obwohl zwei Drittel der Patienten in der Lage waren, sie sicher auszuschleichen. „Das heißt, es kommt zu mehr Osteoklasten- und auch Osteoblastenaktivität in der Tapering-Gruppe, wobei die Änderungen auf ein Potenzial für eine endogene Knochenwiederherstellung oder für eine Reversibilität des exogenen Glukokortikoid-induzierten Knochenverlusts hindeuten“, erklärte Dr. Raimund Lunzer, Rheumatologe an der Abteilung für Innere Medizin II, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz.

Rheumatherapie mit positiver Wirkung auf Knochen

Mit der Einführung der Januskinase(JAK)-Inhibitoren in die Rheumatherapie sollte eine breite Wirkungspalette abgedeckt werden, mit dem Ziel einer einfachen Therapie, der oralen Verfügbarkeit und einem guten Sicherheitsprofil auf dem Niveau der TNF-Inhibitoren, und das womöglich ohne MTX. JAK-Inhibitoren haben neben ihrer Wirkung auf die Entzündung auch einen sehr starken Effekt auf die Knochenheilung. Sie stimulieren die Osteoblasten und regen sie an, Knochensubstanz zu produzieren. Dies kann dazu führen, dass sich bestehende Knochenschäden bei Patienten mit RA zurückbilden.5

In einem Überblick über die Literatur und einem praktischen Leitfaden zur pharmakologischen Behandlung von Osteoporose bei Patienten mit RA werden als allgemeine Maßnahmen das Einstellen des Tabak- und übermäßigen Alkoholkonsums, sowie die Förderung (täglicher) körperlicher Aktivitäten und Belastungsübungen genannt.6 Die optimale Treat-to-target-Behandlung der RA (Remission bzw. geringe Krankheitsaktivität) können Glukokortikoide in der niedrigstmöglichen Dosis und für einen kurzen Zeitraum sein. Osteoporosebezogen sollte das Frakturrisiko gemäß nationalen und internationalen Richtlinien (DXA und VFA) berechnet werden. Das Frakturrisiko bei RA-Patienten mit Osteopenie kann mithilfe von Berechnungsinstrumenten wie FRAX® eruiert werden, die Kalziumaufnahme über die Nahrung sowie eine Vitamin-D-Supplementierung angeregt werden. Orale Bisphosphonate (Alendronat, Risedronat) gehören zur Osteoporose-Erstlinienbehandlung. Als Zweitlinien-Behandlung werden Zoledronsäure bzw. Denosumab angeführt sowie Teriparatid bei Patienten, die während der Erstlinientherapie eine Fraktur aufweisen oder keine First-Line-Therapie tolerieren. Teriparatid kann bei Patienten mit sehr hohem Frakturrisiko auch als Initialtherapie eingesetzt werden.

Mit Teriparatid Glukokortikoid-induzierte Zerstörung aufheben

„Die Bisphosphonattherapie ist der derzeitige Standard für die Vorbeugung und Behandlung von Glukokortikoid-induzierter Osteoporose“, so Lunzer. Wie in einer Untersuchung gezeigt werden konnte, stieg unter Patienten mit Osteoporose, die ein hohes Risiko für Frakturen hatten, die BMD bei Patienten, die Teriparatid erhielten, stärker an als bei Patienten, die Alendronat erhielten.7 In der 18-monatigen randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Studie wurde Teriparatid mit Alendronat bei Frauen und Männern (n=428) mit Osteoporose, die mindestens 3 Monate lang Glukokortikoide erhalten hatten (5mg täglich oder mehr), verglichen. 214 Patienten erhielten einmal täglich 20μg Teriparatid und 214 einmal täglich 10mg Alendronat. Primärer Endpunkt war die Veränderung der BMD an der Lendenwirbelsäule. Sekundäre Endpunkte waren Änderungen der BMD an der gesamten Hüfte und der Marker für den Knochenumsatz, die Zeit bis zur Änderung der BMD, das Auftreten von Frakturen und die Sicherheit.

<< Pathophysiologisch ist es wahrscheinlich die ‚optimalere‘ Lösung, den Osteoblasten zu ‚helfen‘, als die Osteoklasten zu hemmen.>>
R. Lunzer, Graz

Es zeigte sich, dass bei der letzten Messung die mittlere (± SE) BMD an der Lendenwirbelsäule in der Teriparatidgruppe stärker angestiegen war als in der Alendronatgruppe (7,2±0,7% gegenüber 3,4±0,7%). Nach 6 Wochen zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (p<0,001). Nach 12 Monaten hatte die BMD an der gesamten Hüfte in der Teriparatidgruppe stärker zugenommen. In der Teriparatidgruppe traten weniger neue Wirbelkörperfrakturen auf als in der Alendronatgruppe (0,6% gegenüber 6,1%, p= 0,004). Die Inzidenz nichtvertebraler Frakturen war in beiden Gruppen ähnlich (5,6 gegenüber 3,7%, p=0,36). Deutlich mehr Patienten in der Teriparatidgruppe hatten ein erhöhtes Maß an Serum-Kalzium. „Pathophysiologisch ist es wahrscheinlich die ‚optimalere‘ Lösung, den Osteoblasten zu ‚helfen‘, als die Osteoklasten zu hemmen. Mit Teriparatid könnte die Glukokortikoid-induzierte Zerstörung des Knochens aufgehoben werden“, erklärte Lunzer.

Aufgrund der Studienlage kam es 2019 zu einem konsentierten Beschluss der DVO-Leitlinienkommission (Stellungnahme des DVO zur Rücknahme des Therapiehinweises für Teriparatid): „Bei OsteoporosepatientInnen mit dokumentiert deutlich erhöhtem Frakturrisiko, z.B. bei Vorliegen von vertebralen Frakturen oder Schenkelhalsfraktur, verringert Teriparatid das Auftreten von Wirbelfrakturen stärker als orale Bisphosphonate. In solchen Fällen ist einer osteoanabolen Therapie mit Teriparatid gegenüber einer oralen Bisphosphonattherapie der Vorzug zu geben. Gleiches gilt bei erhöhtem Frakturrisiko unter geplanter oder laufender GK-Therapie mit >7,5mg Prednisolon/Tag >3 Monate.“8

28. Osteoporoseforum, 15.–17. Oktober 2020, St. Wolfgang

1 Smolen JS et al: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2019 update. Ann Rheum Dis 2020; 79(6): 685-99 2 Oelzner P et al: Fraktur-Prävalenz und kumulative Glukokortikoiddosis bei Rheumatoider Arthritis. 48. Kongress der DGRh 2020; doi: 10.3205/20dgrh123 3 Krause D et al: Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von zwei Prednisolon-Dosierungen in der Behandlung von Patienten mit früher rheumatoider Arthritis (CORRA): eine randomisierte, Placebo-kontrollierte, multizentrische Studie. 48. Kongress der DGRh 2020; doi: 10.3205/20dgrh135 4 Burmester GR et al: Continuing versus tapering glucocorticoids after achievement of low disease activity or remission in rheumatoid arthritis (SEMIRA): a double-blind, multicentre, randomised controlled trial. Lancet 2020: 396(10246): 267-76

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