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Lebensqualität und Alltagsbewältigung im Fokus

<p class="article-intro">Von den klassischen Late-onset-Rheumaerkrankungen – wie chronischer Polyarthritis, Polymyalgia rheumatica und Sarkoidose – sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Doz. Christina Duftner aus Innsbruck erklärt, was bei der Behandlung von älteren Patienten mit rheumatischen Erkrankungen besonders zu beachten ist.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Wie ver&auml;ndern sich rheumatische Erkrankungen im Alter? Welche Probleme k&ouml;nnen auftreten?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Es gibt nicht viel Literatur dazu. Dieses Thema wird von der Forschung bisher kaum aufgegriffen, obwohl es nat&uuml;rlich sehr relevant ist. In der Praxis haben wir zwei Szenarien: erstens Patienten, die schon seit vielen Jahren mit einer rheumatischen Erkrankung leben und damit &auml;lter werden, und zweitens Menschen, die im hohen Alter die Erstmanifestation einer chronisch-entz&uuml;ndlichen rheumatischen Erkrankung erleben. Wenn man die erste Gruppe betrachtet, kommt im Alter noch einiges dazu, vor allem degenerative Probleme &ndash; das ist in dieser Gruppe das Hauptproblem. Bei den anderen, die erst im hohen Alter erkranken, sind eher die vorbestehenden Morbidit&auml;ten das Problem. Wenn dann noch eine rheumatische Erkrankung dazukommt, bedeutet das eine zus&auml;tzliche und oft sehr gro&szlig;e Einschr&auml;nkung der Lebensqualit&auml;t. Hier besteht die Schwierigkeit darin, im Rahmen der bestehenden Komorbidit&auml;ten die individuell beste Behandlung der rheumatischen Erkrankung f&uuml;r den Patienten zu finden.</p> <p><strong>Aber auch bei den Patienten, die schon lange eine rheumatische Erkrankung haben, kommen doch im Alter Komorbidit&auml;ten dazu &hellip;</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Ganz genau. Aber diese Patienten kennen sich mit ihrer rheumatischen Erkrankung schon gut aus. In der Regel sind sie auch medikament&ouml;s gut eingestellt. Bei den Late-onset-Patienten dagegen gibt es oft schon degenerative Ver&auml;nderungen im Rahmen anderer Erkrankungen. Wenn dann noch die chronisch-entz&uuml;ndliche rheumatische Erkrankung dazukommt, ist man als Arzt oft mit Einschr&auml;nkungen in der Behandlung konfrontiert, z. B. wegen eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion. Da muss man &uuml;berlegen: Welche Medikamente darf ich da &uuml;berhaupt geben? Diese Patienten sind oft unterversorgt, weil man bei der Therapie viel vorsichtiger und zur&uuml;ckhaltender vorgeht. Eine gute Behandlung ist aber sehr wichtig. Die chronische Polyarthritis im h&ouml;heren Alter zum Beispiel ist fr&uuml;her oft als Alterserscheinung abgetan worden, aber wir wissen, dass sie im Alter mindestens genauso aggressiv ist wie bei J&uuml;ngeren.</p> <p><strong>Welche Rheumamedikamente sollte man bei Patienten im h&ouml;heren Alter nicht anwenden?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Prinzipiell k&ouml;nnen alle Rheumamedikamente auch im Alter eingesetzt werden. Man muss nur das Nebenwirkungsrisiko und Komorbidit&auml;ten bedenken, etwa ein erh&ouml;htes Infektionsrisiko oder eine vorbestehende eingeschr&auml;nkte Nierenfunktion. Aber wenn solche Einschr&auml;nkungen nicht bestehen, wirken die Medikamente genauso gut und sind genauso gut vertr&auml;glich wie bei j&uuml;ngeren Patienten.</p> <p><strong>K&ouml;nnen Biologika auch im h&ouml;heren Alter eingesetzt werden?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Das Problem ist, dass Patienten h&ouml;heren Alters aus gro&szlig;en Studien ausgeschlossen sind. Daher hat man wenig Studiendaten daf&uuml;r. Von den Registerdaten her, die es gibt, scheinen Biologika im Alter gleich effektiv und sicher zu sein. Die entz&uuml;ndliche Aktivit&auml;t bekommt man also in den meisten F&auml;llen sehr gut in den Griff. Die Herausforderung bei &auml;lteren Patienten besteht eher darin, den Sekund&auml;rarthrosen besser entgegenzuwirken. Denn diese bedeuten eine gro&szlig;e Einschr&auml;nkung in der Alltagsbew&auml;ltigung.</p> <p><strong>Welche nicht medikament&ouml;sen Optionen kann man den Patienten anbieten?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Es ist ganz wichtig, dass die Patienten nicht nur allgemein k&ouml;rperlich aktiv bleiben, sondern auch ein ganz gezieltes Muskeltraining machen. Man verliert ja schon ab dem 30. Lebensjahr an Muskelmasse und damit an k&ouml;rperlicher Kraft. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man wirklich den Muskelaufbau trainiert. Das Bewusstsein f&uuml;r diese Komponente der Behandlung sollten wir bei den Patienten eindringlich sch&auml;rfen. Noch besser w&auml;re es, wenn wir dazu auch entsprechende Angebote h&auml;tten, die die Patienten aufgreifen k&ouml;nnen, sodass das auch wirklich umgesetzt wird. Dass Muskelaufbau von den Patienten nicht nur als gut gemeinter Ratschlag aufgenommen wird, sondern als wesentlicher Bestandteil der Therapie, daran sollten wir Rheumatologen intensiver arbeiten. Dann w&uuml;rden die &auml;lteren Patienten im Alltag viel besser zurechtkommen.</p> <p><strong>Gibt es im h&ouml;heren Alter noch genderspezifische Unterschiede bei rheumatischen Erkrankungen?</strong> <strong>C. Duftner:</strong> Das ist schwierig zu beantworten, weil es dazu &uuml;berhaupt keine Daten gibt. In der Praxis habe ich den Eindruck, dass bei Frauen &ouml;fter eine depressive Komponente dazukommt. Sie finden sich manchmal schlechter zurecht mit der Erkrankung als M&auml;nner. Was Gicht betrifft, gibt es auch insofern einen Gender-Unterschied, als bei Frauen oft nicht daran gedacht wird. Dabei ist die Pr&auml;valenz auch bei Frauen im Alter erh&ouml;ht. Die Pseudogicht &ndash; die Chondrokalzinose &ndash; tritt bei Frauen sogar h&auml;ufiger auf als bei M&auml;nnern.</p> <p><strong>Betreuen Sie hochbetagte Rheumapatienten?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Ja, etwa 10&ndash;20 % unserer Patienten sind in einem h&ouml;heren Lebensalter. Es gibt ja auch rheumatische Erkrankungen, die einen klassischen Altersgipfel haben, wie z. B. die Polymyalgia rheumatica oder die Riesenzellarteriitis. Da haben wir auch Patienten zwischen 80 und 90.</p> <p><strong>Wie kann man solche Erkrankungen identifizieren? Wird die Diagnostik durch Multimorbidit&auml;t erschwert?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Das klinische Bild ist schon sehr typisch. Und es gibt eindeutige Risikofaktoren. Bei der Polymyalgia rheumatica haben Frauen mit einer besonders hohen entz&uuml;ndlichen Last ein hohes Risiko f&uuml;r einen schweren Verlauf. Das hei&szlig;t, hier spielt das Geschlecht durchaus eine gewisse Rolle f&uuml;r die Prognose. Bei der Sarkoidose gibt es zwei Altersgipfel: einen im jungen Lebensalter zwischen 20 und 30 und einen nach dem 50. Lebensjahr. Bei der &auml;lteren Gruppe sind Frauen h&auml;ufiger betroffen und sie haben &ouml;fter einen Verlauf mit h&ouml;herer Morbidit&auml;t. Solche Unterschiede sollten meiner Meinung nach noch viel gezielter wissenschaftlich untersucht werden: ob sie f&uuml;r das Outcome eine Rolle spielen und ob es Unterschiede gibt, welche die therapeutischen Entscheidungen beeinflussen sollten, ob z. B. Frauen von einer bestimmten Therapie mehr profitieren. Bei der Polymyalgia rheumatica z. B. wissen wir, dass es wichtig ist, eine fr&uuml;hzeitige Basistherapie mit Methotrexat einzuleiten, wenn Risikofaktoren f&uuml;r einen schweren Verlauf der Erkrankung vorliegen.</p> <p><strong>Welche Botschaft m&ouml;chten Sie Rheumatologen mitgeben, die &auml;ltere Patienten betreuen?</strong><br /> <strong>C. Duftner:</strong> Ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass man der Osteoporose mehr Aufmerksamkeit widmet. Denn diese ist mit chronisch-entz&uuml;ndlichen Erkrankungen assoziiert und bedeutet im Alter ebenfalls eine starke Einschr&auml;nkung im Alltag. Sie ist mit hoher Morbidit&auml;t und stark reduzierter Lebensqualit&auml;t vergesellschaftet. Und darauf wird leider viel zu wenig geachtet.</p></p>
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