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48. Deutscher Rheumatologiekongress

Den ganzen Patienten im Blick behalten

Komorbiditäten bei rheumatischen Erkrankungen rücken immer mehr in den Fokus. Sie bildeten einen Themenschwerpunkt beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).

Zusätzliche Beschwerden zur rheumatischen Grunderkrankung sind erschreckend häufig, wie Prof. Dr. Andreas Krause, Ärztlicher Direktor und Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, betont: „Bis zu 80% der RA-Patienten haben nicht nur Gelenkbeschwerden, sondern zumindest ein zusätzliches Symptom.“ Das betrifft zunächst Organmanifestationen, die vor allem bei Kollagenosen und Vaskulitiden, aber auch bei rheumatoider Arthritis (RA) auftreten – sie fallen hauptsächlich in das Aufgabengebiet des Rheumatologen. Für andere Begleit- und Folgeerkrankungen der chronischen Entzündung ist jedoch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig: mit Hausärzten (Blutdruckmessung, Impfstatuskontrolle etc.), aber auch gegebenenfalls mit Psychiatern und Psychotherapeuten.

Welch bedeutende Rolle die Rheuma-Nurses spielen, wird zunehmend durch Studien belegt. „Auch auf Komorbiditäten haben sie positiven Einfluss. So hat sich etwa gezeigt, dass gut betreute Patienten weniger Schmerzmittel benötigen“, berichtet Dr. Raimund Lunzer, Krankenhaus Barmherzige Brüder, Graz.

Lungenbeteiligung oft unerkannt

„Zu den am häufigsten betroffenen inneren Organen bei rheumatischen Erkrankungen gehört die Lunge. Eine Lungenbeteiligung wird aber oft lange nicht erkannt“, so Krause. Dis betrifft insbesondere die interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD), bei denen das Binde- und Stützgewebe der Lunge durch permanente Entzündung vernarbt. Mit der Zeit leiden die Patienten an Kurzatmigkeit und Husten. In 10–20% der Fälle tragen die Lungenschäden zum vorzeitigen Tod der Patienten bei.

ILD treten oft schon sehr früh im Krankheitsverlauf auf, verursachen aber lange Zeit keine Beschwerden. „In CT-Aufnahmen finden sich bei 60% der Gelenkrheumapatienten Anzeichen für eine ILD, klinische Symptome allerdings nur bei 6%“, sagt Krause. Daher sollten Patienten mit RA bereits bei der Erstdiagnose und dann in regelmäßigen Abständen immer wieder auf ILD untersucht werden.

Herz, Psyche und Knochen

Das Risiko für Herzkreislauferkrankungen steigt bei Rheumapatienten über die Jahre deutlich an, aber man kann gegensteuern: Rheumatologen und Rheuma-Nurses sollten die betreffenden Parameter regelmäßig abfragen, betont Krause, und dafür sorgen, dass Hypertonie, Hypercholesterinämie, Hyperglykämie etc. bei ihren Patienten auch behandelt werden.

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A. Krause, Berlin

Ebenso ist ein regelmäßiges Depressions-Screening zu empfehlen. Schmerz, Fatigue und Depression sind bei rheumatischen Erkrankungen häufig und bilden oft einen Symptomkomplex, wie Prof. Dr. Stefan Schewe vom Rheumazentrum München ausführte. Ihr Auftreten sei nicht mit dem Entzündungsgeschehen allein begründbar: Betroffene Patienten berichten diese Beschwerden oft trotz guter Therapie. „Man muss daher auch andere Ursachen identifizieren und behandeln“, betont Schewe. Dazu gehört etwa ein Screening auf Schilddrüsen- und Nebennierenstörungen, aber auch die Abklärung eines Vitaminmangels. Das beste Mittel gegen Fatigue ist nach wie vor „konsequente tägliche Bewegung“, so Schewe.

Was Infektionen betrifft, sprechen immer mehr Studiendaten dafür, dass eine richtig eingesetzte immunsuppressive Therapie das Infektionsrisiko nicht erhöht, sondern sogar senken kann. Wichtig ist es – auch in Hinblick auf das Osteoporoserisiko – Kortison so weit wie möglich zu reduzieren. „Daten sprechen dafür, dass man bei RA zumindest nach 6 Monaten Kortison absetzen kann, ohne dass es negative Auswirkungen hätte“, berichtet DGRh-Präsident Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, und Prof. Krause erinnert daran, dass – im Gegensatz zur früher vorherrschenden Meinung – auch niedrig dosiertes Kortison bei längerer Anwendung negative Auswirkungen hat: „Es gibt keinen Schwellenwert!“

JAK-Hemmer sind bezüglich Osteoporose unbedenklich, wie Dr. Lunzer berichtet. Sie scheinen die Knochendichte sogar zu verbessern.

Bericht:
Mag. Christine Lindengrün

Online-Pressekonferenz zum Deutschen Rheumatologi@Kongress 2020, 9. September 2020 • Webinar „DGRh News“, 16. September 2020

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