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ÖGPB-Jahrestagung 2021

Psychobiologie von Bindung und Trauma Teil 1: Grundaspekte

Bindung stellt ein evolutionäres Prinzip mit großem Überlebensvorteil für die soziale Gruppe dar. Es bedeutet in der individuellen Entwicklung des Menschen ein primäres Motivationssystem, das die anfänglichen Beziehungen zwischen Mutter und Kind, insbesondere die Prozesse der affektiven Einstimmung und der Affektregulation, psychobiologisch steuert. Der Kontext dieser frühen psychosozialen Lernerfahrungen wird in enger Interaktion mit genetischer Ausstattung und epigenetischer Prägung zur entscheidenden Basis für die Reifung des kindlichen Gehirns. Er legt den Grundstein für die weitere affektive, kognitive und soziale Entwicklung des Kindes. Das aus den frühen Interaktionen in der Mutter-Kind-Dyade gewonnene Bindungsmuster schafft eine lebenslang unbewusst wirksame Matrix für künftige Beziehungen.

Die Frage nach dem motivationalen Ursprung sozialer Beziehungen wurde von den Vertretern der frühen Psychoanalyse wie folgt beantwortet: Es sind primäre körperliche und sinnliche Bedürfnisse (Hunger, Sexualität), deren Befriedigung oder aber Frustration zur Kontaktaufnahme mit der Mutter führen. Bindung ist in dieser Sicht ein erlerntes „sekundäres Motivationssystem“. Dieser theoretischen Überzeugung trat der Psychoanalytiker und Psychiater John Bowlby (1907–1990) entschieden entgegen. Gestützt auf zahlreiche empirische Beobachtungen formulierte er als Gegenposition: Der Hunger nach der Liebe und Gegenwart der Mutter ist so groß wie der Hunger nach Essen. Bindung ist ein „primäres Motivationssystem“ mit eigenen Funktionsmechanismen. Bindung stellt eine Schnittstelle zu grundlegenden anderen Motivationssystemen dar. Er betonte einen engen Zusammenhang zwischen der Qualität der mütterlichen Fürsorge und der seelischen Gesundheit im späteren Leben. Erkenntnisse der frühen Ethologie stützten Bowlbys Ansichten. So hatte Konrad Lorenz (1903–1989) sehr eindrücklich nachgewiesen, dass beispielsweise Entenküken zu einer Mutterfigur eine prägende Bindung aufbauen, selbst wenn sie von ihr nicht gefüttert werden. Die aufregenden Experimente von Harry Harlow (1905–1981) an Rhesus-Äffchen belegten eindeutig, dass das Stillen des Hungers wichtig ist, die Befriedigung von Kontaktbedürfnissen aber noch wichtiger ist. Harlow fand auch, dass eine prolongierte Trennung von der Mutter, gar ein isoliertes Aufwachsen zu massiven sozialen Kontaktstörungen führt. Er demonstrierte, dass neben der Beziehung zur Mutter auch andere Sozialkontakte, z.B. mit gleichaltrigen Spielgefährten, von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung sind.

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