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Ibykus und der Maßnahmenvollzug

Wer zählt die Völker, kennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen?

Nun, es waren ca. 130 Personen, die sich am 22. und 23. September in Hinterstoder zu den 8. Stodertaler Forensiktagen für eineinhalb Tage zusammenfanden, um sich über den aktuellen Stand und die weiteren Entwicklungen des Maßnahmenvollzugs auszutauschen. Sie kamen aus allen Teilen Österreichs, aus allen Bereichen der Justiz, des Freiheitsentzugs psychisch schwer kranker Täter*innen und der Nachbetreuung, aus vielen Berufsgruppen.

Nicht direkt Thema, aber im Hintergrund mitschwingend war das Bewusstsein, dass der österreichische Maßnahmenvollzug und seine Repräsentant*innen in der Öffentlichkeit in einem eher düsteren Licht erscheinen. Immer noch sind „Brunnenmarkt“ und „Steinskandal“ eher auftretende Assoziationen als „Gewaltprävention durch Nachbetreuung“ oder „Senkung von Rückfallraten durch Therapie“. Wiederkehrende Hinweise aus der EU und von Menschenrechtskommissionen heben das internationale Image nicht.

Die Programmgestalter des Bundesministeriums für Justiz hatten dafür gesorgt, dass man durch die Einladung von Referentinnen und Referenten aus angrenzenden Ländern auch einen Blick über den österreichischen Tellerrand machen konnte.

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Die Hösshalle in Hinterstoder war Schauplatz der 8. Stodertaler Forensiktage

Workshops in Form eines „worldcafé“ gaben allen Interessierten die Möglichkeit, sich mit Expertinnen und Experten auszutauschen und auch persönliche Erfahrungen einzubringen und zu reflektieren. Im lebendigen Diskurs wurden Themen wie die Sichtweise der Volksanwaltschaft, des Maßnahmenvollzugs, der Justizverwaltung, der Anstaltsleitungen, der Bewährungshilfe, der Rechtswissenschaften und der psychiatrischen Sachverständigen er- und hinterfragt.

Die Quintessenz des Symposiums war nach einer abschließenden Podiumsdiskussion die Freude über den lebendigen Prozess und die vielen Gedanken und Kommentare, die von Referentinnen und Referenten und der Zuhörerschaft kamen. Gleichzeitig blieb auch eine leichte Skepsis, ob die Nomenklaturänderungen bezüglich des noch nicht beschlossenen Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes – forensisch-psychiatrische Zentren statt Sonderjustizanstalten, schwere und nachhaltige psychische Störung statt geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades – auch tatsächlich zu einer Änderung in der alltäglichen Praxis des Maßnahmenvollzugs und nicht nur zu einer Verschönerung bzw. zum Austausch der Tafeln an den Anstalten und des Briefkopfes führen werden.

Das Problem der mangelnden Ausstattung mit Fachpersonal, insbesondere der Mangel an Fachärztinnen und -ärzten und Sachverständigen, kann allein durch Umbenennungen nicht behoben werden. Dass die Maßnahmenpatienten und die sie betreuenden Personen zwischen zwei Stühlen (das Justizministerium: Mir täten ja eh wollen – das Finanzministerium: Mir ham ka Geld dafür) sitzen, wurde von vielen bemerkt und kommt in Zeiten von „koste es, was es wolle“ ein wenig dürftig daher.

Es gab also wieder den Wind des Kranichzugs, der auf Bewegung hinwies. Die Szene wurde zwar nicht zum Tribunal, aber doch zu einer Möglichkeit der gemeinsamen Fokussierung. Das stimmt wieder optimistisch und macht neugierig auf das auf die lange Bank geschobene Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz und auf die 9. Stodertaler Forensiktage.

8. Stodertaler Forensiktage, 22.-23. September 2022, Höss-Halle Hinterstoder

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