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Welche Biomarker bei NSCLC kann man heute im Blut bestimmen?
Jatros
Autor:
Dr. Dagmar Krenbek
Pathologisch-bakteriologisches Institut<br> Otto-Wagner-Spital, Wien<br> E-Mail: dagmar.krenbek@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
10.05.2018
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<p class="article-intro">Gerade bei Patienten mit Lungenkrebs gestaltet sich die Gewinnung von Gewebeproben oft als schwierig. Daher ist die minimal invasive Methode der Liquid Biopsy, also die Analyse von zirkulierenden Tumorzellen oder zirkulierender freier Tumor-DNA, ein großer Hoffnungsträger.</p>
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<p class="article-content"><h2>Einleitung</h2> <p>Bereits heute hat die Analyse von EGFRMutationen, insbesondere die Bestimmung einer T790M-Mutation, bei Patienten unter Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) Einzug in die klinische Routine gehalten. An weiteren Einsatzmöglichkeiten wie Analysen größerer Spektren von Mutationen mittels „next generation sequencing“ (NGS) sowie dem Einsatz der Liquid Biopsy im Rahmen der Tumorfrüherkennung wird fieberhaft gearbeitet.<br /> Biomarker sind messbare biologische Moleküle. Sie dienen zum Erlangen oder Absichern einer Diagnose, zur Einschätzung der Prognose einer Erkrankung oder im prädiktiven Setting zur Einschätzung, ob eine Therapieform Erfolg versprechend ist. Die Bestimmung von Biomarkern im peripheren Blut wird aufgrund der minimal invasiven Gewinnungsmethode und der guten Verfügbarkeit sehr geschätzt. Im Blut werden routinemäßig gelöste Bestandteile bestimmt, wobei neben Elektrolyten, Gasen und Proteinen in zunehmendem Maße auch Nukleinsäuren analysiert werden. Auch zelluläre Bestandteile werden beurteilt, wobei neben Zellen des normalen peripheren Blutes (Blutbild) im Falle maligner Erkrankungen auch zirkulierende Tumorzellen nachweisbar sind.</p> <h2>Probleme in der Histologie des Lungenkarzinoms</h2> <p>Der Goldstandard zur Diagnostik eines malignen Tumors ist nach wie vor die histologische Analyse einer im Rahmen einer Biopsie oder Tumorentfernung gewonnenen Gewebeprobe nach Paraffineinbettung. Neben der genauen Zuordnung des Tumorgewebes werden auch prädiktive und prognostische Marker am Paraffinmaterial bestimmt. Jedoch gestaltet sich insbesondere bei Lungenkrebspatienten die Gewinnung von Tumorgewebe oft als schwierig und in einigen Fällen ist eine Probenentnahme aufgrund unvorteilhafter Lokalisation des Tumors oder des schlechten Allgemeinzustands des Patienten nicht möglich. Ein weiteres oft diskutiertes Phänomen ist die Tumorheterogenität, wobei Teile des Tumors oder auch die Metastasen verschiedene Merkmale aufweisen können, wodurch ein unterschiedliches Ansprechen auf eine Therapie zu erwarten ist.<br /> Lösungen dieser Probleme werden intensiv erforscht, insbesondere da durch neue Therapieoptionen die für die Therapieentscheidung nötigen Tests aufwendiger und gewebefordernder werden.</p> <h2>Minimal invasive Verfahren</h2> <p>Neben neuen Techniken zur Gewinnung von größeren Tumorproben aus schlechter zugänglichen peripheren Lungenabschnitten liegt ein großer Schwerpunkt auf der Erforschung nicht oder minimal invasiver Eingriffe.<br /> Die Tatsache, dass Tumoren durch aktive Produktion oder passive Freisetzung, etwa im Rahmen des Zelltodes, Zellbestandteile in die Blutzirkulation abgeben, ist die Grundlage für die Bestimmung zirkulierender Biomarker. In den letzten Jahrzehnten lag der Fokus vor allem auf Proteinen, im Falle des Lungenkarzinoms auf Biomarkern wie der Neuron-spezifischen Enolase (NSE) oder dem karzinoembryonischen Antigen (CEA) sowie dem zirkulierenden Zytokeratin-19-Fragment CYFRA21-1. Jedoch sind diese Marker zu wenig sensitiv und spezifisch, um für eine sichere Einzeldiagnostik herangezogen zu werden.</p> <h2>Liquid Biopsy</h2> <p>Ein großer Hoffnungsträger ist derzeit die Liquid Biopsy, womit vor allem die Analyse von im Blut zirkulierenden Tumorzellen (CTC) und zirkulierender zellfreier Tumor- DNA (ctDNA), Exosomen und „tumor-educated platelets“ gemeint ist. Diese gelangen aus allen Tumorlokalisationen in die Zirkulation und ihre Detektion ist somit repräsentativ für das gesamte Tumorgenom.<br /> Vor allem zirkulierende Tumorzellen liegen jedoch, insbesondere beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), nur in sehr geringer Menge im peripheren Blut vor und sind nur mit erheblichem Aufwand und eigenen Geräten zu isolieren, wodurch sich eine routinemäßige Gewinnung dieser Zellen zu diagnostischen Zwecken nicht anbietet.<br /> Auch zirkulierende zellfreie Tumor- DNA (ctDNA), die aus nekrotischen oder apoptotischen Tumorzellen in die Blutbahn gelangt, kann im peripheren Blut nachgewiesen werden, wobei die Menge an ctDNA, abhängig von Tumorentität und Tumorstadium, stark variiert. Neben der zum Teil geringen Menge an ctDNA und deren oft durch Degradierung eingeschränkter Qualität kann auch eine Kontamination durch Nicht-Tumor-DNA, die beim Zerfall von Leukozyten in der Blutprobe freigesetzt wird, zu Problemen bei der Analyse führen. Daher werden für die Abnahme einer Liquid Biopsy spezielle Röhrchen mit Zusätzen zur Stabilisierung der Leukozytenmembranen verwendet (z.B. Streck-Röhrchen).<br /> Als Einsatzmöglichkeiten der Liquid Biopsy werden derzeit besonders die Verlaufskontrolle (Therapie-Monitoring), die Bestimmung prädiktiver Biomarker, inklusive des Auftretens von Resistenzmutationen, sowie auch die Tumorfrüherkennung (Therapie-Screening) diskutiert.<br /> Zur Bestimmung von Mutationen im EGFR-Gen, inklusive der Resistenzmutation T790M, liegt seit 2016 der von der FDA zugelassene cobas<sup>®</sup> EGFR Mutation Test v2 vor. Dieser Test beruht auf einem Multiplex- Realtime-PCR-Ansatz, bei dem bis zu 0,1 % mutierter DNA vor dem Hintergrund von WildTyp-DNA nachgewiesen werden können. Eine höhere Sensitivität (bis zu 0,01 % ) kann durch den Einsatz der digitalen PCR erreicht werden, jedoch ist hierbei die Möglichkeit der Generierung von falsch positiven oder (noch) nicht klinisch relevanten Ergebnissen gegeben. Daher ist es wichtig, die erhobenen Befunde mit dem klinischen Bild zu korrelieren, um gültige Cut-offs oder Sensitivitätsgrenzen zu ermitteln. Sowohl mit Multiplex-Realtime- PCR als auch mit digitaler PCR kann jedoch nur eine geringe Anzahl bekannter Veränderungen detektiert werden.<br /> Ein größeres Spektrum an Veränderungen kann mittels Sequenziermethoden („next generation sequencing“) detektiert werden. Bei der Verwendung von „wholeexome sequencing“ (WES) oder „wholegenome sequencing“ (WGS) fallen jedoch große Datenmengen an, deren Auswertung und Interpretation aufwendig sind und wofür zusätzliche bioinformatische Kenntnisse benötigt werden. Daher wird zunehmend auf gut erforschte Gen-Panels gesetzt („targeted resequencing“), die in immer größerer Zahl auch für Liquid-Biopsy- Anwendungen auf den Markt kommen. Neben der Analyse von Punktmutationen und Insertionen/Deletionen (EGFR, BRAF, KRAS usw.) können mit diesen Methoden auch komplexere Veränderungen wie Translokationen (z.B. ALK, ROS-1) oder längere Deletionen (zumeist auf RNA-Ebene, z.B. „MET exon 14 skipping“) untersucht werden.<br /> Mittels größerer „NGS resequencing panels“ kann auch eine Aussage über die Mutationslast von Tumoren („tumor mutational burden“, TMB), die neben der PD-L1- Expression als Biomarker des Ansprechens auf eine Immuntherapie verwendet wird, getroffen werden. Die Analyse der TMB von Tumoren ist auch in ctDNA aus peripherem Blut möglich. Erste Studien zum Einsatz der Messung von TMB im Blut wurden am ESMO 2017 (Fabrizio DA 2017) vorgestellt und die kommenden Publikationen werden zeigen, ob die Bestimmung des TMB aus Blut eine weitere klinisch wertvolle Anwendung der Liquid Biopsy darstellt.<br /> Auch im Einsatz der Liquid Biopsy zur Tumorfrüherkennung konnten kürzlich Fortschritte vermeldet werden. In einer von Cohen et al. publizierten Arbeit (Science 2018) wurde ein auf einer Kombination aus ctDNA- und Protein-Bestimmung aus dem Blut basierender Test an Tumorpatienten in operablen Tumorstadien untersucht, um dessen Eignung zum Screening auf acht häufige Tumortypen (inkl. Lungenkrebs) zu bestimmen. Die Positivitätsrate lag im Median bei 70 % , die höchsten Sensitivitätsraten (69–98 % ) wurden in den fünf Krebsgruppen Ovar, Leber, Magen, Pankreas und Ösophagus erzielt. Bei Patienten mit bekanntem Lungenkrebs in den Stadien I–III lag die Positivitätsrate des Tests lediglich bei etwa 60 % . Im Vergleichskollektiv von Normalpersonen zeigte der Test nur bei unter 1 % ein (falsch) positives Ergebnis. Als Einschränkung der Studie muss allerdings erwähnt werden, dass die eingeschlossenen Patienten bereits Tumorsymptome zeigten und die Sensitivität im Stadium I durchwegs deutlich geringer war als bei höheren Tumorstadien. Auch ist in einer durchschnittlichen Screening-Population, die auch Patienten mit chronischen, u.a. entzündlichen Erkrankungen einschließt, eine höhere Zahl an falsch positiven Ergebnissen zu erwarten. Größere Studien zum Einsatz in der Tumorfrüherkennung sind bereits angelaufen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die Liquid Biopsy ist bereits ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil in der Betreuung von Lungenkrebspatienten. Zum derzeit schon in der Routine eingesetzten EGFR-Mutationstest, insbesondere zur Erkennung einer T790M-Resistenz-Mutation unter TKI-Therapie, sind in nächster Zeit eine Reihe an zusätzlichen Diagnose- und Monitoring-Möglichkeiten abzusehen. Jedoch besteht insbesondere beim Lungenkrebs das Problem der eingeschränkten Sensitivität der Tests. Daher bleiben auch in Zukunft Gewebeproben von Primärtumoren und/oder Metastasen ein essenzieller Bestandteil in der Abklärung des Lungenkarzinoms.</p> </div></p>
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