
„Von allen Kollegen kann man lernen!“
Unser Gesprächspartner:
Assoz. Prof. Dr. Gábor Kovács
Klinische Abteilung für Pulmonologie
Universitätsklinik für Innere Medizin (UKIM)
Medizinische Universität Graz
E-Mail: gabor.kovacs@medunigraz.at
Dr. Katrin Spiesberger
Im Rahmen der letztjährigen Generalversammlung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) wurde Assoz. Prof. Dr. Gábor Kovács, Graz, zum neuen ÖGP-Präsidenten gewählt. Wir durften mit ihm über seinen Lebensweg und seine Pläne für die nächsten zwei Jahre sprechen.
Der Kliniker und Forscher Assoz. Prof. Dr. Gábor Kovács, ist 1. stellvertretender Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz. Die beeindruckende wissenschaftliche Karriere des gebürtigen Ungarn zeichnet sich nicht nur durch seine enorme Publikationsleistung aus, er ist auch Träger zahlreicher Preise und Auszeichnungen. Im Gespräch mit JATROS Pneumologie & HNO erzählte er, wie sich sein medizinischer Weg gestaltete und welche Ziele er während seiner ÖGP-Präsidentschaft verfolgt.
Sehr geehrter Herr Assoz.Prof. Kovács, wie sind Sie eigentlich zur Pulmologie gekommen?
G. Kovács: Ich komme aus einer Arztfamilie – mein Vater ist Pulmologe, meine Mutter ist Radiologin. Bereits im Schulalter habe ich mich im Fasching als Arzt verkleidet. Als Teenager habe ich allerdings ein wenig dagegen gekämpft, diese Familientradition weiterzutragen, und wollte unbedingt etwas anderes ausprobieren. Für kurze Zeit habe ich sogar Kunstgeschichte studiert, bin schlussendlich aber doch bei der Medizin gelandet.
Durch meinen Vater habe ich die Pulmologie schon relativ früh kennengelernt und mir war schnell klar, dass ich mich in ein internistisches Fach vertiefen möchte. Die Pulmologie war hier das für mich spannendste Fach, da man die Möglichkeiten zu Interventionen hat und zudem mit sehr vielen anderen Fachbereichen zusammenarbeitet. Da mein Vater, wie gesagt, auch Pulmologe ist und zudem auch Gábor heißt, wurden wir oft verwechselt. Mir war es daher sehr wichtig, meine eigene Identität unabhängig von ihm zu entwickeln – ich denke, das ist mir in Österreich ganz gut gelungen.
Warum ist Ihre Wahl auf Österreich gefallen?
G. Kovács: Als Ungar muss man Fremdsprachen lernen, sonst wird man nirgendwo verstanden. Ich habe in der Schule also nicht nur Russisch, Englisch und Latein gelernt, sondern auch Deutsch. Auf der Uni kam dann später auch noch Französisch dazu. Danach bestand die Idee, Auslandserfahrung zu sammeln, ein wenig in die Wissenschaft zu schnuppern und dann wieder nach Ungarn zurückzukehren. Aufgrund meiner familiären Situation wollte ich allerdings nicht so weit weg sein, daher waren Deutschland oder Österreich naheliegend. Ich habe Kollegen gefragt, welche renommierten Pulmologen sie mir im deutschsprachigen Raum empfehlen können. Dabei haben sie mehrere Kollegen aus Deutschland erwähnt, die wissenschaftlich sehr anspruchsvoll arbeiten. Mir hat damals das Thema pulmonale Hypertonie sehr gefallen und als Person wurde mir Prof. Olschewski – damals noch in Gießen tätig – empfohlen. Ich wollte daraufhin ein Jahr in Gießen verbringen, es stellte sich jedoch heraus, dass Prof. Olschewski nach Graz gewechselt ist, was ich ursprünglich gar nicht wusste. Meine Briefe wurden ihm weitergeleitet und so haben wir uns in Graz getroffen. Ich habe ihn besucht und wir haben vereinbart, dass wir uns beide bemühen, ein Stipendium für mich zu finden. Das ist tatsächlich gelungen und Ende 2005 habe ich hier mit einem wissenschaftlichen Stipendium begonnen. Wir haben innerhalb eines Jahres sehr vielversprechende Projekte begonnen, die in dem eigentlich geplanten Zeitraum nicht abzuschließen waren – daher habe ich um ein weiteres Jahr verlängert. Und da die Zusammenarbeit so gut funktioniert hat, bin ich noch immer da.
Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der pulmonalen Hypertonie. Warum gerade diese Entität?
G. Kovács: Was mich immer sehr interessiert hat, ist, dass die pulmonale Hypertonie wirklich ein sehr interdisziplinäres Thema ist. Hier spielt die Pulmologie genauso eine Rolle wie die Kardiologie, aber zum Teil auch die Rheumatologie, da rheumatische Erkrankungen ein Risiko für die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie bedeuten. Außerdem sind auch die Untersuchungsmethoden sehr interdisziplinär. Wenn man sich wirklich gut auskennen möchte, dann sollte man die Hämodynamik verstehen und Rechtsherzkatheteruntersuchungen sowie Echokardiografien durchführen können. In diesem Grenzbereich mit der Kardiologie muss man auch die Herzfunktion verstehen und bei den Laboruntersuchungen gibt es viele Überschneidungen mit der Rheumatologie. Genau das ist, was mir von Anfang an sehr gefallen hat. Man schränkt sich nicht auf einen Bereich ein, sondern kann auch mit den Kollegen aus anderen Fächern zusammenarbeiten und lernen.
In Kooperation mit der MedUni Graz wurde das LudwigBoltzmannInstitut (LBI) für Lungengefäßforschung ins Leben gerufen, in dem Sie als Leiter der klinischen Studien tätig sind. Können Sie uns etwas zu diesem Projekt erzählen?
G. Kovács: Sehr gerne. Das LBI für Lungengefäßforschung wurde 2010 initiiert. Herr Prof. Olschewski und Frau Prof. Olschewski waren daran maßgeblich beteiligt und ich durfte seit der Gründung des Instituts als Programmlinienleiter mitarbeiten. Im Rahmen dieses LBI arbeiten Grundlagenwissenschaftler und klinische Forscher zusammen und entwickeln die translationale Forschung im Bereich der pulmonalen Zirkulation bzw. im Bereich der pulmonalen Hypertonie weiter. Ich denke, es ist uns gelungen, ein sehr modernes Institut aufzubauen. Wir haben mehrere Programmlinien, konnten viele Publikationen veröffentlichen und hoffen, dass so die pulmonale Zirkulation besser verstanden wird.
Im klinischen Bereich haben wir in erster Linie das Ziel, die Erkrankung früher erkennen zu können. Dazu haben wir innovative diagnostische Tools entwickelt und auch evaluiert. Diese umfassen in erster Linie bildgebende Verfahren wie CT und MR, aber auch sonstige nichtinvasive Tools wie die exspiratorische CO2-Analyse, die Impedanzkardiografie oder die Belastungsechokardiografie.
Die Rechtsherzkatheteruntersuchung ist zwar weiterhin der Goldstandard für die Diagnose der pulmonalen Hypertonie, aber wir arbeiten daran, dass diese in Zukunft mit nichtinvasiven Methoden in den meisten klinischen Situationen ersetzt werden kann.
Außerdem haben wir eine große klinische Datenbank und Biobank entwickelt und viele gemeinsame Projekte mit unseren Kollegen in der Grundlagenforschung laufen. In den letzten paar Jahren haben wir uns zudem auch in Richtung Lungengefäßkrankheiten bei Entitäten wie der COPD oder der interstitiellen Lungenkrankheit bewegt. Wir denken, dass diesen in den kommenden Jahren eine besonders große Bedeutung zukommen wird.
Gibt es Erfolge in Ihrer Forschungsarbeit, auf die Sie besonders stolz sind?
G. Kovács: Worauf ich derzeit am stolzesten bin, ist, dass wir eine Taskforce zum Thema Belastungshämodynamik im Auftrag der European Respiratory Society (ERS) leiten durften.
Unter der Leitung von Prof.Olschewski undProf. Herve – ich war der Initiator dieser Taskforce – haben wir eine offizielle Stellungnahme über die Bedeutung der Belastungshämodynamik geschrieben. Danach erfolgte die Etablierung einer ClinicalResearchCollaboration, die unter der Schirmherrschaft der ERS arbeitet und von Graz aus geleitet wird. Aktuell nehmen an dieser Kollaboration 30 internationale Zentren in den USA, Europa und Südamerika teil, die Patientendaten in eine zentrale Datenbank eintragen. Wir haben weltweit schon über 1300 Patienten in dieser Datenbank und somit das größte Register im Bereich der pulmonalen Belastungshämodynamik. Diese Datenbank wird übrigens vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation der Medizinischen Universität Graz geführt, die ersten Auswertungen erfolgen gerade. Damit haben wir jetzt tatsächlich eine Chance, entscheidende Analysen durchführen und dadurch Aussagen treffen zu können. Ich denke, das ist wirklich etwas sehr Wertvolles, und wir sind stolz darauf, dass dieses Projekt von Graz aus geführt wird.
Nun zur ÖGP. Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zur gewonnenen Wahl! Wie lässt sich diese neue Aufgabe mit Ihrem Arbeitsalltag vereinbaren?
G. Kovács: Es ist sicher eine Herausforderung, die Zeit dafür zu finden, allerdings – und das möchte ich betonen – funktioniert auch die Zusammenarbeit mit allen weiteren Beteiligten hier ausgezeichnet. Daher ist es nicht nur angenehm kollegial, sondern auch sehr konstruktiv, im Präsidium zu arbeiten. Mein Vorgänger, Prof. Eber aus Graz, hat einerseits schon sehr viel vorbereitet. Andererseits habe ich großartige Unterstützung: Mein Vizepräsident ist Prof. Lamprecht aus Linz. Er hat früher als Generalsekretär der ÖGP gearbeitet und kennt deswegen die Gesellschaft, die Statuten und die Struktur sehr gut. Als Generalsekretärin fungiert Frau Prof. Löffler-Ragg aus Innsbruck, mit der man extrem gut zusammenarbeiten kann. Sie hat ein sehr praktisches Denken und ihr fallen auch oft Kleinigkeiten auf. Wir ergänzen uns hier also sehr gut.
Außerdem durfte ich früher, als mein Chef Prof. Olschewski Präsident der Gesellschaft war, viele Themen mit durchdiskutieren, das hilft mir jetzt natürlich sehr. Und last, but not least haben wir ein hervorragendes Gesellschaftssekretariat, dessen Mitarbeiter uns sehr professionell bei der Kongressorganisation und den Sitzungen unterstützen. Sie geben uns eine Struktur, sodass wir Zeit für andere wichtige Belange haben.
Trotzdem braucht man viel Zeit – mehr als ich gedacht habe. Da es aber eine große Ehre für mich ist, das Vertrauen der Gesellschaft bekommen zu haben, finde ich diese Zeit. Denn mir ist wichtig, dass die Gesellschaft in den zwei Jahren einwandfrei funktioniert und jeder Schritt gut durchdacht ist.
Welche Schwerpunkte haben Sie sich für die nächsten zwei Jahre Ihrer Präsidentschaft gesetzt?
G. Kovács: Tatsächlich habe ich schon während der letzten zwei Jahren als Vizepräsident nachgedacht, welche Schwerpunkte ich gerne setzen würde. Wichtig für die Wahl der Schwerpunkte war für mich, authentisch zu sein. Da ich doch einen recht starken wissenschaftlichen Hintergrund habe und als junger Pulmologe in diesem wissenschaftlichen Umfeld aufgezogen wurde, liegt mein erster Schwerpunkt auf der Förderung der Kooperation zwischen Wissenschaft und klinischer Praxis. Da ich der jüngste Präsident der ÖGP bin, möchte ich zweitens vor allem die Jugend bzw. den Nachwuchs unterstützen.
Was ich in diesem Zusammenhang wirklich betonen will und mir von meinem Vater mitgegeben wurde: Von allen Kollegen kann man lernen! Es ist mir wichtig, die niedergelassenen Kollegen, die vielleicht in ihrem Alltag weniger mit der akademischen Wissenschaft zu tun haben, genauso wie die wissenschaftlich erfahrenen Kollegen in die Entwicklung unserer Programme einzubinden. Und auch wenn ich einen bestimmten Fokus auf den Nachwuchs setze, darf das nicht bedeuten, dass andere Bereiche vernachlässigt werden. Ich denke, in der ÖGP hat man schon sehr gute Initiativen hervorgebracht, die ich selbstverständlich weitertragen möchte.
Gibt es schon konkrete Vorhaben zur Förderung des Nachwuchses?
G. Kovács: Wir haben jetzt ein Mentoringprogramm ins Leben gerufen, das im Rahmen des ÖGP-Kongresses als Mentorship stattfindet. Das heißt, dass junge Kollegen, die sich für dieses Mentorship-Programm anmelden, gratis am Kongress teilnehmen dürfen. Sie werden von Mentoren aus dem Bereich ihres Interesses unterstützt, indem sie gemeinsam die Inhalte des Kongresses besprechen und darüber hinaus vielleicht auch noch später verbunden bleiben. Außerdem übernehmen wir für unsere jungen ÖGP-Mitglieder die ERS-Jahresmitgliedschaft, sodass diese die Möglichkeit haben, quasi gratis ein Jahr lang ERS-Mitglied zu sein.
Dann haben wir eine neue Veranstaltung ins Leben gerufen, den ÖGP-Wissenschaftsretreat, der Anfang Mai stattfinden soll. Dabei möchten wir zwei Tage lang einen Rahmen für junge Wissenschafter bzw. Interessierte schaffen, sich einmal im Jahr treffen zu können. Diese Veranstaltung wird von den Jungen selbst organisiert. Dazu werden 10–12 erfahrenere Kollegen aus verschiedenen Bereichen der Pulmologie eingeladen, die mitdiskutieren und helfen, sodass dabei auch eine Mentoring-Situation entsteht. Es soll also wirklich eine Netzwerkveranstaltung sein, bei der sich die jungen wissenschaftlich interessierten Pulmologen in einem lockeren Umfeld kennenlernen, mit erfahreneren Kollegen austauschen und Kooperationen schaffen bzw. Karrieremöglichkeiten besprechen können.
Steht das Format dieses Wissenschaftsretreats schon?
G. Kovács: Die Idee wäre, dass wir verschiedene Bereiche der Pulmologie definieren, zu denen es jeweils Impulsvorträge von erfahrenen Kollegen gibt. Danach sollen die vorab eingereichten Abstracts von jungen Wissenschaftlern präsentiert und auch diskutiert werden. Wir haben im Moment ein vorläufiges Programm, aber wir können noch nicht abschätzen, wie viele Arbeiten eingereicht werden. Und dann wäre hier ja auch noch ein weiterer mittlerweile gut bekannter Unsicherheitsfaktor. Wir hoffen auf jeden Fall, dass die Veranstaltung stattfinden kann – das liegt mir sehr am Herzen.
Und eines vielleicht noch: Es gibt ein Grundlagenskript, das von jungen Assistenzärzten mit entwickelt wird. Dazu haben wir ein System ausgearbeitet, wie dieses Skript regelmäßig upgedatet werden kann, um als Unterstützung für die Kollegen in Ausbildung und für Turnusärzte in pulmologischen Abteilungen zu fungieren, an praktisches Wissen zu kommen. Zusätzlich haben wir dieses Jahr die größte Zahl von Stipendien und Preise für die jungen Mitglieder der ÖGP ausgeschrieben, womit wir auch ihre Forschungsambitionen unterstützen wollen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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