
Die smarte Hilfe bei Pollenflug
Autoren:
Dr. Markus Berger1–3
Lukas Dirr, MSc3–5
1 HNO-Abteilung, Klinik Landstraße,
Wiener Gesundheitsverbund
2 Allergiezentrum Wien West
3 Österreichischer Polleninformationsdienst
4 Institut für Botanik, Universität Innsbruck
5 Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik, Fakultät für Lebenswissenschaften, Universität Wien
E-Mail: markus.berger@pollenresearch.com
KI revolutioniert zunehmend die medizinische Versorgung und bietet auch für Pollenallergiker vielversprechende Lösungsansätze. Personalisierte Vorhersagen, präzisere Diagnostik und ein verbessertes Selbstmanagement sind nur einige der Vorteile, die durch den Einsatz von KI-gestützten Systemen in der Allergologie ermöglicht werden.
Keypoints
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Die intelligente Verknüpfung von Umweltdaten, indivi-duellen Symptomen und medizinischem Fachwissen durch die KI ermöglicht personalisierte Vorhersagen, Warnungen und Empfehlungen für Allergiker.
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Durch den Abgleich der anonymisierten Nutzerdaten mit den gemessenen Pollenkonzentrationen lernt die KI kontinuierlich dazu und verbessert ihre Vorhersagemodelle stetig.
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KI in der Medizin muss sensible Patientendaten schützen, Fehlinformationen verhindern und einer laufenden Qualitätskontrolle unterliegen.
Ein herausragendes Beispiel für den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Allergologie ist die Entwicklung der digitalen Assistentin „Pollee“ durch den Österreichischen Polleninformationsdienst, die Betroffenen eine individuelle und tagesaktuelle Unterstützung bietet. Die Zukunft der Allergieversorgung wird maßgeblich von der intelligenten Verknüpfung von Umweltdaten, individuellen Symptomen und medizinischem Fachwissen durch KI geprägt sein, was zu einer erheblichen Steigerung der Lebensqualität von Allergikern führen wird.
Der Vormarsch der KI: eine kurze Entwicklungsgeschichte
Die Wurzeln der KI reichen bis in die 1930er-Jahre zurück, als Alan Turing mit der „Turingmaschine“ das theoretische Fundament für kognitive Prozesse durch Rechenmaschinen legte. Der Begriff „künstliche Intelligenz“ wurde jedoch erst 1956 auf einer Konferenz am Dartmouth College geprägt.
Ein weiterer Meilenstein in diesem Bereich war die Entwicklung des ersten Chatbots, ELIZA, im Jahr 1966, der einfache menschliche Konversationen simulieren konnte. Bereits in den 1970er-Jahren hielt dann die KI mit Expertensystemen wie MYCIN, das speziell zur Unterstützung bei der Diagnose und der Therapie von Krankheiten entwickelt wurde, Einzug in die Medizin.1 Seither hat sich die KI rasant weiterentwickelt und ist heute aus vielen Bereichen des täglichen Lebens, einschließlich der modernen Medizin, nicht mehr wegzudenken.
Warum KI in der Patienten-versorgung unverzichtbar wird
KI hat das Potenzial, die Patientenversorgung nachhaltig zu verbessern. KI-Systeme können aus riesigen Datenmengen, wie bei klinischen Studien, Patientendaten und Bildgebungsverfahren in kürzester Zeit analysieren und Muster erkennen, die für das menschliche Auge unsichtbar bleiben. Dies führt zu einer schnelleren und präziseren Diagnostik, beispielsweise bei der Erkennung von Krebserkrankungen auf Röntgenbildern. Darüber hinaus ermöglicht die KI die Entwicklung personalisierter Behandlungspläne, die auf die individuellen genetischen und lebensstilbedingten Faktoren eines Patienten zugeschnitten sind. Administrative Aufgaben im Gesundheitswesen, wie die Terminplanung oder die Dokumentation, können ebenfalls durch KI automatisiert und effizienter gestaltet werden, wodurch medizinisches Personal entlastet wird und mehr Zeit für die direkte Betreuung der Patienten hat.2
Geschlossene Systeme: ein Muss für medizinische KI
Bei der Anwendung von KI im medizinischen Bereich ist der Schutz sensibler Patientendaten von höchster Priorität. Daher kommen hier in der Regel „geschlossene Systeme“ zum Einsatz. Im Gegensatz zu offenen Systemen, die frei auf Informationen aus dem Internet zugreifen und daraus lernen, operieren geschlossene Systeme in einer kontrollierten Umgebung mit einer klar definierten und geprüften Wissensbasis. Dies hat entscheidende Vorteile:
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Datensicherheit und Datenschutz: Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten unterliegt strengen gesetzlichen Regelungen wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Geschlossene Systeme gewährleisten, dass Patientendaten die sichere Umgebung nicht verlassen und vor unbefugtem Zugriff geschützt sind.3
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Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit: Die Entscheidungen und Empfehlungen einer medizinischen KI müssen transparent und nachvollziehbar sein. Bei geschlossenen Systemen basieren die Algorithmen auf kuratierten und validierten medizinischen Daten und Leitlinien. Dies verhindert, dass die KI durch Fehlinformationen aus dem Internet „verunreinigt“ wird und falsche Schlüsse zieht.
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Kontrolle und Qualitätssicherung: Die Wissensbasis eines geschlossenen Systems wird von Experten, also Ärzten und Wissenschaftlern, kontrolliert und regelmäßig aktualisiert. Dies stellt die hohe Qualität und Verlässlichkeit der von der KI generierten Informationen sicher.
Pollenallergiker profitieren von smarter Technologie
Für die Millionen von Menschen, die unter Pollenallergien leiden, kann KI eine erhebliche Erleichterung im Alltag bringen. Durch die Analyse von Echtzeit-Daten wie Pollenflug, Wetterbedingungen und Luftverschmutzung in Kombination mit den vom Nutzer eingegebenen Symptomen können KI-gestützte Anwendungen hochpräzise und personalisierte Vorhersagen erstellen. Anstatt sich nur auf allgemeine Pollenflugkalender zu verlassen, erhalten Allergiker individuelle Warnungen und Empfehlungen. Studien haben gezeigt, dass solche digitalen Gesundheitsanwendungen das subjektive Wohlbefinden der Nutzer verbessern und zu einem messbaren Rückgang der Beschwerden führen können. Die Betroffenen können ihr Verhalten anpassen, Medikamente gezielter einsetzen und so ihre Lebensqualität während der Pollensaison deutlich steigern.4
Abb. 1: Aktuelle Pollenvorhersage von Pollee, der digitalen Assistentin von polleninformation.at
„Pollee“: Österreichs digitale Assistentin für Allergiker
Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist der Österreichische Polleninformationsdienst, der mit „Pollee“ eine innovative digitale Assistentin entwickelt hat. Pollee ist ein auf KI basierender Chatbot, der rund um die Uhr personalisierte Informationen zur aktuellen Pollenbelastung in Österreich liefert. Nutzer können ihre Symptome dokumentieren und erhalten im Gegenzug eine auf ihren Standort und ihre spezifischen Allergien zugeschnittene Belastungsvorhersage. Die KI lernt kontinuierlich dazu, indem sie die anonymisierten Daten der Nutzer mit den gemessenen Pollenkonzentrationen abgleicht und so ihre Vorhersagemodelle stetig verbessert. Pollee ist über eine Website und verschiedene Messenger-Dienste erreichbar und stellt eine niederschwellige und effektive Hilfe für Allergiker dar.5
Die Zukunft der KI in der Allergieversorgung
Die Entwicklung von KI in der Allergologie steht erst am Anfang. Zukünftige KI-Systeme werden noch stärker personalisiert sein und könnten beispielsweise individuelle Schwellenwerte für Symptome auf Basis des persönlichen Lebensstils und der Exposition gegenüber Allergenen berechnen. Die Integration von Daten aus Wearables, die beispielsweise Schlaf- und Aktivitätsmuster aufzeichnen, könnte die Vorhersagen weiter verfeinern. Langfristig könnte die KI auch bei der Entwicklung neuer, personalisierter Immuntherapien eine entscheidende Rolle spielen, indem sie analysiert, welche Therapie für welchen Patienten am vielversprechendsten ist. Die intelligente Verknüpfung von medizinischer Forschung, Umweltdaten und individuellen Gesundheitsdaten durch KI verspricht eine Zukunft, in der Allergien besser verstanden und effektiver behandelt werden können.6
Literatur:
1 Bosch Global. Geschichte der Künstlichen Intelligenz. https://www.bosch.com/de/stories/geschichte-der-kuenstlichen-intelligenz/ ; zuletzt aufgerufen am 12.8.2025 2 HPE Österreich (Hewlett Packard Enterprise). Was ist KI im Gesundheitswesen? https://www.hpe.com/at/de/what-is/ai-healthcare.html ; zuletzt aufgerufen am 12.8.2025 3 CGM (CompuGroup Medical) (28. April 2025). Datenschutz und Sicherheitbei KI in Arztpraxen. https://www.cgm.com/deu_de/magazin/artikel/medizinischer-dokumentationsassistent/datenschutz-und-sicherheit-was-arztpraxen-bei-der-nutzung-von-ki-beachten-muessen.html ; zuletzt aufgerufen am12.8.2025 4 Allergieinformationsdienst (5. Mai 2025). PollDi-App: Digitale Unterstützung bei Heuschnupfen zeigt Wirkung. https://www.allergieinformationsdienst.de/aktuelles/news/artikel/polldi-app-digitale-unterstuetzung-bei-heuschnupfen-zeigt-wirkung ; zuletzt aufgerufen am 12.8.2025 5 Polleninformation.at. Pollee – die digitale Assistentin von polleninformation.at. https://www.polleninformation.at/pollee; zuletzt aufgerufen am 12.8.2025 6 medcram. Künstliche Intelligenz in der Allergologie – Wie moderne Technologienden Umgang mit Allergien verändern. https://cme.medcram.de/themen/kuenstliche-intelligenz-in-der-allergologie-wie-moderne-technologien-den-umgang-mit-allergien-veraendern ; zuletzt aufgerufen am 12.8.2025
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