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Atemwegsinfekte

Phytotherapeutika in der Pneumologie

Pflanzliche Arzneimittel (auch Phytotherapeutika, Phytoarzneimittel oder Phytopharmaka genannt) werden häufig eingesetzt zur Prävention und Therapie von Atemwegsinfektionen sowie zur symptomatischen Behandlung des Hustens. Im folgenden Artikel werden in der Pneumologie eingesetzte Phytopharmaka bezüglich ihrer klinischen Wirksamkeit und ihrer Risiken aus pneumologischer und pharmakologischer Sicht näher beleuchtet.

Keypoints

  • Phytopharmaka haben in der Pneumologie einen klaren Stellenwert als Ergänzung in der Behandlung respiratorischer Infekte und können auch präventiv eingesetzt werden.

  • Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Echinacea purpurea, Pelargonium sidoides und Hedera helix ist meist vorteilhaft.

  • Mögliche Risiken wie unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Interaktionen mit anderen Medikamenten sind auch für pflanzliche Arzneimittel zu beachten.

Virale Atemwegsinfektionen, welche sowohl den oberen als auch den unteren Respirationstrakt betreffen können, sind die häufigste Ursache für das Auftreten eines akuten Hustens. Die Symptomatik kann als postinfektiöser Husten auch nach Ausheilung der akuten Infektion persistieren.1 Auf pflanzlichen Wirkstoffen basierende Antitussiva und Präparate zur Infektprävention erfreuen sich in der Bevölkerung grosser Beliebtheit. Es gilt jedoch zu beachten, dass zum aktuellen Zeitpunkt nur für wenige pflanzliche Wirkstoffe wissenschaftliche Evidenz aus randomisierten klinischen Studien vorliegt.2 Phytoarzneimittel müssen qualitativ hochstehend, wirksam und sicher sein, damit sie von der Arzneimittelbehörde (Swissmedic) zugelassen werden und im Handel sein dürfen.3 Da Arzneimittel aus pflanzlichen Extrakten viele unterschiedliche bioaktive Inhaltsstoffe enthalten, ist der Wirksamkeitsnachweis herausfordernd. Inkonsistente Studienergebnisse weisen auf die Wichtigkeit der Identifikation und ggf. Standardisierung von wirksamen Phytopharmaka und deren Dosierung für die prophylaktische und therapeutische Anwendung hin.4

Prävention von Infektionen des Respirationstraktes

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Abb. 1: Echinacea purpurea

Die Übertragung von viralen Atemwegsinfektionen wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. So sind zum Beispiel saisonale Umweltfaktoren für die Kontagiosität von Viren relevant und können die Immunantwort des Wirts modulieren. Menschliches Verhalten steuert die Kontaktraten zwischen Infizierten und anfälligen Personen.5

Zur Prävention viraler Atemwegsinfektionen und für die Stärkung der körpereigenen Immunantwort werden Zubereitungen aus frischem blühendem Kraut und Wurzeln verschiedener Echinacea-Spezies, insbesondere Echinacea purpurea (Roter Sonnenhut), eingesetzt. Die immunmodulierenden und antiinflammatorischen Effekte werden der Kombination verschiedener aktiver Inhaltsstoffe, z.B. Alkamide, Kaffeesäurederivate (insbesondere Cichoriensäure) und Polysaccharide, zugeschrieben.6 In einer Vielzahl von In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen konnten multiple Effekte von Echinacea nachgewiesen werden. Dazu zählen unter anderem antivirale Wirksamkeit, Makrophagenaktivierung, verstärkte Phagozytose, Freisetzung von Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) und Interleukinen, eine Zunahme der Anzahl an zirkulierenden Leukozyten sowie Aktivierung des Komplementsystems.7 Randomisierte klinische Studien konnten zeigen, dass sich Extrakte aus Echinacea purpurea als vorteilhaft in der Prävention von Atemwegsinfektionen erweisen. Ergänzend zu weiteren Massnahmen, die der Vermeidung von Erkältungskrankheiten dienen, werden Echinacea-Extrakte in der Dosierung von bis zu 2400mg pro Tag empfohlen.8 Die Einnahme von Echinacea-haltigen Phytotherapeutika sollte nicht länger als zwei Monate ohne Unterbruch erfolgen.9

Die Verträglichkeit von Echinacea ist meist gut, nur in seltenen Fällen wurden allergische Reaktionen beschrieben. Bei bekannter Überempfindlichkeit gegenüber Echinacea oder anderen Pflanzen der Asteraceae-Spezies ist die Anwendung kontraindiziert. Ebenso wird, aufgrund des immunstimulierenden Effektes, von einer Anwendung bei Autoimmunerkrankungen sowie bei bestehender Indikation für eine immunsuppressive Therapie abgeraten.7,9 In Kombination mit anderen Arzneimitteln sind mögliche pharmakokinetische Interaktionen zu beachten. In mehreren In-vitro-Studien konnte eine Beeinflussung der Aktivität menschlicher Cytochrom-P450-Enzyme nachgewiesen werden. Resultate aus In-vivo-Untersuchungen weisen auf eine Hemmung von CYP1A2, CYP2C9 und intestinalen CYP3A4-Enzymen sowie eine Induktion hepatischer CYP3A4-Enzyme hin.10 Zum aktuellen Zeitpunkt liegen bezüglich des Interaktionspotenzials kontroverse Daten vor, die in weiteren Studien untersucht werden sollten. Obwohl Berichte zu klinisch relevanten Interaktionen bisher fehlen, ist bei der Anwendung von Echinacea als Co-Medikation zu Arzneistoffen mit enger therapeutischer Breite, die durch die genannten Cytochrome metabolisiert werden, Vorsicht geboten.7

Behandlung von bronchitischen Symptomen bei Atemwegsinfektionen

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Abb. 2: Pelargonium sidoides

In der Behandlung von Atemwegsinfektionen mit Husten zeigt die Anwendung von Pelargonium sidoides positive Effekte. Extrakte aus den Pflanzenwurzeln beinhalten unter anderem Cumarin-Derivate (Umckalin), Gerbstoffe und Flavonoide, für welche immunmodulierende und mukolytische Effekte sowie schwach antibakterielle und antivirale Wirksamkeit nachgewiesen werden konnten. In-vitro-Untersuchungen zeigen Freisetzung von TNF-α, Interferonen und Stickstoffmonoxid. Auch kann eine signifikante Zunahme der Phagozytose und der Zilien-Schlagfrequenz im Respirationstrakt beobachtet werden.11 Die Evidenz für Pelargonium sidoides bei Erkältungserkrankungen und Bronchitis ist gegeben.12 In randomisierten placebokontrollierten Studien konnte eine statistisch signifikante Überlegenheit im Sinne eines günstigeren Krankheitsverlaufs und einer schnelleren Genesung gezeigt werden. Im Hinblick auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis wurde eine tägliche Dosis von 60mg eines Extraktes von Pelargonium sidoides als wirksam und sicher beschrieben.13 Die Behandlung sollte eine Dauer von drei Wochen nicht überschreiten. Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden selten Fälle von Überempfindlichkeitsreaktionen beobachtet. Des Weiteren gibt es Hinweise auf ein Hepatotoxizitätsrisiko, weshalb bei schweren Lebererkrankungen eine Kontraindikation für die Anwendung von Pelargonium sidoides besteht. Aufgrund der natürlichen Cumarine werden eine erhöhte Blutungsneigung und mögliche pharmakodynamische Interaktionen bei der gleichzeitigen Anwendung von gerinnungshemmenden Arzneimitteln postuliert.14 Dies bleibt allerdings umstritten, da die bislang charakterisierten Cumarine von Pelargonium sidoides die minimalen Anforderungen für eine blutverdünnende Aktivität mit ihren chemischen Strukturen nicht erfüllen.15

Efeuextrakt zur raschen Hustenlinderung

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Abb. 3: Hedera helix

Husten ist das Symptom, das am häufigsten zu einer hausärztlichen Konsultation führt, weshalb die richtige Diagnostik sowie die angemessene Behandlung von grosser Bedeutung sind.16 Sofern keine «red flags» für dieses Risikosymptom vorliegen, das heisst, z.B. eine Pneumonie oder Exazerbation einer pneumologischen Grunderkrankung ausgeschlossen werden konnten, kann eine rein symptomatische Behandlung eines akuten Hustens (<8 Wochen bestehend) erwogen werden. Bei einem chronischen Husten (Dauer von ≥8 Wochen) ist vor Initiierung einer symptomatischen Therapie eine vertiefte pneumologische Diagnostik durchzuführen, wobei unterschiedliche und allenfalls auch multifaktorielle Auslöser der Hustensymptomatik zu berücksichtigen sind.17

Zur symptomatischen Behandlung des Hustens kann aufgrund von mukolytischen und spasmolytischen Effekten Hedera helix (Efeu) als Phytotherapeutikum angewendet werden. Auszüge aus den Blättern enthalten als aktive Inhaltsstoffe unter anderem Triterpensaponine (Hederacosid C, Alpha-Hederin), Flavonoide, Kaffeesäurederivate und ätherische Öle.15 Die Stimulation von β2-Adrenorezeptoren durch Alpha-Hederin bewirkt eine Zunahme der Surfactant-Produktion, die sekretolytisch wirken kann. Die Zellen der glatten Atemwegsmuskulatur reduzieren in einem β2-adrenerg stimulierten Zustand den intrazellulären Kalzium-Spiegel, was zur ihrer Relaxation und zu einem bronchospasmolytischen Effekt beiträgt.18,19 Die Wirksamkeit von Hedera helix konnte in randomisierten, placebokontrollierten, doppelblinden Studien nachgewiesen werden. So zeigte der Efeuextrakt gegenüber Placebo eine statistisch signifikante und klinisch relevante Reduktion der Hustensymptomatik. Dies bereits innerhalb der ersten 48 Stunden mit anhaltender Wirkung über den gesamten Behandlungszeitraum von 7 Tagen und noch 7 Tage nach Beendigung der Anwendung. Neben der Wirksamkeit konnte auch eine sehr gute Verträglichkeit des Efeuextraktes gezeigt werden.20 Als unerwünschte Arzneimittelwirkung wurden sehr selten allergische Reaktionen beschrieben. Da Triterpensaponine die Magenschleimhaut reizen können, sollten Hedera-helix-Präparate bei Vorliegen einer Gastritis oder von Magenulzera nur mit Vorsicht angewendet werden.15 Klinisch relevante pharmakokinetische Interaktionen sind bislang nicht bekannt. In-vitro-Daten zeigen jedoch eine dosisabhängige Hemmung von CYP2C8, CYP2C19 und CYP2D6. Unter Berücksichtigung der maximalen täglichen Dosierung wird eine mögliche Beeinflussung der Blutspiegel von Arzneimitteln, die durch CYP2C8 und CYP2C19 metabolisiert werden, postuliert.21 Dies ist insbesondere bei einer längeren Anwendungsdauer zu bedenken.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass, unter Berücksichtigung von Kontraindikationen und möglichen Interaktionen, Phytotherapeutika in der Pneumologie, im Sinne einer Ergänzung, einen definierten Stellenwert in der Prävention und Behandlung respiratorischer Infekte haben. Dies gerade auch, wenn eine Hustensymptomatik mit im Vordergrund steht.Für pflanzliche Arzneimittel liegen durchaus Daten aus randomisierten klinischen Studien vor. Aus pneumologischer und pharmakologischer Sicht sind Phytopharmaka mit nachgewiesener Evidenz für ihre klinische Wirksamkeit und Sicherheit zu bevorzugen.

1 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. Pneumologie 2019; 73: 143-80 2 Ciprandi G, Tosca MA: Non-pharmacological remedies for post-viral acute cough. Monaldi Arch Chest Dis 2021; 92: 1821 3 Swissmedic, Phytoarzneimittel. https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/kpa/phytoarzneimittel.html ; Stand August 2022 4 Catanzaro M et al.: Immunomodulators inspired by nature: A review on Curcumin and Echinacea. Molecules 2018; 23: 2778 5 Moriyama M et al.: Seasonality of respiratory viral infections. Annu Rev Virol 2020; 7: 83-101 6 Barnes J et al.: Echinacea species (Echinacea angustifolia (DC.) Hell., Echinacea pallida (Nutt.) Nutt., Echinacea purpurea (L.) Moench): a review of their chemistry, pharmacology and clinical properties. J Pharm Pharmacol 2005; 57: 929-54 7 Saper RB: Clinical use of echinacea. UpToDate. https://www.uptodate.com/contents/clinical-use-of-echinacea ; Stand September 2021 8 Rondanelli M et al.: Self-care for common colds: the pivotal role of Vitamin D, Vitamin C, Zinc, and Echinacea in three main immune interactive clusters (physical barriers, innate and adaptive immunity) involved during an episode of common colds - practical advice on dosages and on the time to take these nutrients/botanicals in order to prevent or treat common colds. Evid Based Complement Alternat Med 2018; 2018: 5813095 9 Patienteninformation Echinacin. Abrufbar unter: www.swissmedicinfo.ch ; Stand Mai 2018 10 Rombolà L et al.: Pharmacokinetic interactions between herbal medicines and drugs: Their mechanisms and clinical relevance. Life 2020; 10: 106 11 Conrad A et al.: Extract of Pelargonium sidoides (EPs® 7630) improves phagocytosis, oxidative burst, and intracellular killing of human peripheral blood phagocytes in vitro. Phytomedicine 2007; 14: 46-51 12 Silveira D et al.: COVID-19: Is there evidence for the use of herbal medicines as adjuvant symptomatic therapy? Front Pharmacol 2020; 11: 581840 13 Matthys H, Funk P: Pelargonium sidoides preparation EPs 7630 in COPD: health-related quality-of-life and other patient-reported outcomes in adults receiving add-on therapy. Curr Med Res Opin 2018; 34: 1245-51 14 Fachinformation Kaloba. Einsehbar unter: www.swissmedicinfo.ch ; Stand November 2015 15 European Medicines Agency; Assessment report on Pelargonium sidoides DC and/or Pelargonium reniforme Curt., radix. Einsehbar unter: www.ema.europa.eu ; Stand 2018 16 Finley CR et al.: What are the most common conditions in primary care? Systematic review. Can Fam Physician 2018; 64: 832-40 17 AWMF Leitlinie akuter und chronischer Husten. Einsehbar unter: www.awmf.org ; Stand 2021 18 Kruttschnitt E et al.: Assessment of the efficacy and safety of Ivy leaf (Hedera helix) cough syrup compared with acetylcysteine in adults and children with acute bronchitis. Evid Based Complement Alternative Med 2020; 2020: 1910656 19 Frank R at al.: Ein Beitrag zum Wirkmechanismus von Efeu. Pharmazeutische Zeitung 2005; 4 20 Schaefer A et al.: A randomized, controlled, double-blind, multi-center trial to evaluate the efficacy and safety of a liquid containing ivy leaves dry extract (EA 575®) vs. placebo in the treatment of adults with acute cough. Pharmazie 2016; 71: 504-9 21 Rehman SU et al.: Time-dependent inhibition of CYP2C8 and CYP2C19 by Hedera helix extracts, a traditional respiratory herbal medicine. Molecules 2017; 22: 1241

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