
Lungenkrebstherapie auf Erfolgskurs
Anlässlich des Weltlungenkrebstages am 1. August warnt die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) trotz der enormen Fortschritte in der Behandlung von Lungenkrebs, nicht auf die tödlichen Gefahren des Rauchens zu vergessen.
Als zweithäufigste Krebserkrankung ist Lungenkrebs für die meisten krebsbedingten Sterbefälle in Österreich verantwortlich. Laut Statistik Austria stand Lungenkrebs 2019 mit 2061 Fällen (11%) bei Frauen und 2770 Fällen (12%) bei Männern jeweils an zweiter Stelle der Krebsneuerkrankungen in Österreich.1 Sowohl das Erkrankungs- als auch das Sterberisiko für Lungenkrebs nahmen in den vergangenen Jahren bei Frauen stark zu. Da er lange Zeit keine Symptome verursacht, erfolgt die Diagnose meist erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium: Rund die Hälfte aller Lungenkrebspatienten wird erst im letzten Krankheitsstadium diagnostiziert. In über 80% aller Fälle ist Rauchen die Ursache. Nichtrauchen ist und bleibt daher die wirksamste Maßnahme im Kampf gegen Lungenkrebs.
Moderne Therapeutika – immer besser, immer individueller
Die gute Nachricht: Dank laufend neuer Erkenntnisse in der Grundlagenforschung kann immer besser, gezielter und individualisierter vorgegangen werden. Derzeit ist kein Ende dieser rasanten Entwicklung in Sicht. Dies zeigte sich auch am weltgrößten Krebskongress ASCO im Juni dieses Jahres und auch auf der World Conference on Lung Cancer im August in Wien, wo neueste vielversprechende Ergebnisse vorgestellt und diskutiert wurden.
Innovative Therapien in immer früheren Stadien
„Wenn ich mich an den Beginn meiner beruflichen Laufbahn erinnere und daran, welch rasante Entwicklung ich bei der Diagnostik und Therapie des Lungenkarzinoms erlebt habe, und wenn ich mir die aktuelle Studienlage ansehe, gehe ich davon aus, dass es in dieser Rasanz weitergehen wird“, so OA Dr. Maximilian Hochmair, Leiter des ÖGP-Arbeitskreises Pneumologische Onkologie. „Gab es früher nur Operation, Chemotherapie und/oder Bestrahlung, haben zielgerichtete und Immuntherapie sowie Kombinationen aller Möglichkeiten für ein großes Umdenken gesorgt, das immer weitergeht.“ Denn jetzt werden diese innovativen, für Patienten weniger belastenden und effektiv wirkenden Behandlungsformen zunehmend in immer früheren Stadien eingesetzt.
Hochmair: „Das, was wir bisher vom Stadium IV bezüglich Immun- und zielgerichteter Therapien gelernt haben, wenden wir nun auch in früheren Stadien an. Denn auch wenn das Bronchialkarzinom bereits in einem frühen, lokalisierten Stadium entdeckt und – mit den bisher möglichen Medikationen – behandelt wird, entwickeln viele Patienten dennoch ein Rezidiv. Wenn wir ihnen aber die hocheffektiven Therapien nun schon in einem früheren Stadium geben, verlängern wir bei vielen die rezidivfreie Zeit und verbessern ihr Gesamtüberleben.“
Tumor verschwindet bereits bei neoadjuvanter Therapie
Wegweisend dafür sind drei Studien, die, so Hochmair, „eindeutig gezeigt haben, was hier möglich ist. So wird beispielsweise, basierend auf den Ergebnissen der CheckMate-816-Studie2,bereits in der neoadjuvanten Therapie, die vor der Operation erfolgt, um den Tumor zu verkleinern und somit besser operabel zu machen, bei Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) in einem frühen Stadium (IB bis IIIA) eine Kombination von Chemo- und Immuntherapie angewendet.“ Die CheckMate-816-Studie, deren Endpunkt die Verbesserung der pathologischen Komplettremission, pCR, also das vollkommene Verschwinden des Tumors durch eine Kombination von Immun- und Chemotherapie in der neoadjuvanten Therapie, war, belegt, dass die zusätzliche Immuntherapie vor der OP deutliche Vorteile gegenüber einer alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie bringt. „Bei 24% dieser speziellen Patientengruppe kam es dadurch zu einer pathologischen Komplettremission. Der Tumor war also bereits vor der Operation verschwunden“, so Hochmaier.
Kombination mit Immun- oder zielgerichteter Therapie bereits im Frühstadium wirksam
IMpower 0102 wiederum zeigte, dass die Ergebnisse nach einer chirurgischen Tumorentfernung bei Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs im Frühstadium und nachfolgender Chemotherapie verbessert werden können, wenn zusätzlich mittels Immuntherapie nachbehandelt wird.3 Die Ergebnisse der ADAURA-Studie deuteten darauf hin, dass beim EGFR-positiven NSCLC in einem frühen Stadium (IB, II und IIIA) mittels zielgerichteter Therapie das Risiko für ein Rezidiv signifikant reduziert werden kann.4
Hochmair: „Diese Medikamente, die bisher nur für Patienten im Studiensetting in ausgesuchten Zentren zum Einsatz zugänglich waren, stehen nun vor der Zulassung. Für die Betroffenen bedeutet dies: höhere Ansprechrate, längeres Gesamtüberleben, deutlich weniger Nebenwirkungen und eine bessere Lebensqualität. Die Chemotherapie mit all ihren belastenden Nebenwirkungen wird durch diese Entwicklungen zunehmend zur ‚Add-on-Therapie‘.“
Um keine falschen Hoffnungen zu wecken, ist es allerdings wichtig zu betonen, so Hochmair, dass zielgerichtete und Immuntherapien nicht bei allen Patienten gleich wirksam sind. Sie greifen nur bei jenen, deren Tumor besondere Biomarker aufweist, die ein Angriffsziel bieten. „Hier ist die enge Zusammenarbeit mit der Pathologie von größter Bedeutung, da sie durch immer ausgefeiltere molekularpathologische Methoden und Analysen jene Patienten identifiziert, für die diese Therapien infrage kommen“, erklärt der Experte.
Nichtrauchen nach wie vor der beste Schutz
Bei allem Fortschritt in der Behandlung und eingedenk der Tatsache, dass die modernen Therapien eben nicht für alle Lungenkrebspatienten infrage kommen, betont Hochmair abschließend noch einmal eindringlich: „Nichtrauchen, ob aktiv oder passiv, ist nach wie vor der beste Schutz vor Lungenkrebs, denn 85% der Lungenkrebspatienten sind oder waren Raucher. Und auch wenn man als Patient für die modernen Therapien infrage kommt, die Behandlungsstrukturen in Österreich hervorragend sind, Österreich nicht zuletzt dank der ÖGP bei der Behandlung von Lungenkrebs weltweit führend ist, stellt die Erkrankung dennoch immer eine große Belastung für die Betroffenen und ihr Umfeld dar. Daher unser eindringlicher Appell, am besten gar nicht erst mit dem Rauchen zu beginnen bzw. umgehend damit aufzuhören.“ ◼
Quelle:
Presseaussendung der ÖGP vom 28.7.2022
Literatur:
1 Statistik Austria: https://www.statistik.gv.at/fileadmin/announcement/2022/05/20220127Krebserkrankungen2019.pdf ; zuletzt aufgerufen am 11.8.2022 2 Forde PM et al.: N Engl J Med 2022; 386: 1973-85 3 Felip E et al.: Lancet 2021; 398(10308): 1344-57 4 Wu YL et al.: N Engl J Med 2020; 383: 1711-23
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