
20 Jahre Atemwegsallergien
Autor: Univ.-Doz. Dr. Felix Wantke
Leiter des Floridsdorfer Allergiezentrums, Wien
E-Mail: wantke@faz.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Ob durch Pollen oder Hausstaubmilben ausgelöst: Atemwegsallergien zählen zu den häufigsten Allergien, die mitunter schwere Symptome hervorrufen können. In den letzten 20 Jahren gab es massive Verbesserungen in der Diagnostik und auch die Therapieoptionen erweitern sich. Zudem sind nun auch nationale Daten zu Sensibilisierungsraten verfügbar.
Keypoints
-
Allergische Sensibilisierungen finden sich in bis zu 50% der Bevölkerung.
-
Gräserpollen sind am häufigsten für Sensibilisierungen in Österreich verantwortlich.
-
Allergische Sensibilisierungen nehmen in Österreich minimal zu.
-
Allergenkomponenten verbessern und verfeinern die Diagnostik.
-
Allergentabletten sind neu und wirksam, auch bei Asthma bronchiale.
Atemwegsallergien zählen zu den verbreitetsten Allergien, wobei die Rhinokonjunktivitis die häufigste Diagnose darstellt. Derzeit ist anzunehmen, dass etwa 20% der Kinder an einer klinisch relevanten Allergie leiden. Bei ungefähr 50% der Kinder findet sich bereits eine allergische Sensibilisierung! Und es scheint, dass allergische Sensibilisierungen zumindest geringfügig zunehmen. Bei Erwachsenen finden sich allergische Sensibilisierungen in bis zu 25%, aber nur etwa 13% leiden unter einer klinisch relevanten Allergie.
Von einer Allergie spricht man, wenn ein Patient klinische Beschwerden hat und eine Allergie im Test festgestellt werden kann. Von einer allergischen Sensibilisierung spricht man, wenn der Patient keine Beschwerden, aber einen positiven Allergietest hat. Diese Differenzierung ist wichtig, um Personen nicht unnötigerweise zu verunsichern. Es ist aber möglich, dass ein sensibilisierter Patient eines Tages Beschwerden bekommt, andererseits können Sensibilisierungen und Allergien auch wieder vergehen.
Blühperioden, leichte Floraveränderungen aufgrund von Erwärmung
In den letzten Jahren konnte beobachtet werden, dass die einzelnen Blühperioden der Allergenpflanzen teils früher begonnen haben und tendenziell länger andauern. Dies hat am ehesten mit dem derzeit etwas milderen Wetter zu tun. Die Allergenpflanzen haben sich in den letzten 20 Jahren nicht wirklich verändert, abgesehen etwa vom Eschensterben. Allerdings beginnt der aus dem Osten kommende Ragweed unser Land zu besiedeln. Dies betrifft wärmere Regionen und findet interessanterweise auch entlang der Autobahnen statt. Letzteres wurde auf das Mähen der Mittelstreifen und Grünstreifen neben den Autobahnen zurückgeführt. Als Präventionsmaßnahme wird nun nur vor der Blühperiode des Ragweed gemäht, um die Pollen-/Samenverbreitung zu minimieren.
Diagnostik: massive Verbesserungen durch Allergenkomponenten & Chips
Im Bereich der Allergiediagnostik hat sich in den letzten Jahren sicherlich die entscheidendste Veränderung ergeben. Die IgE-Bestimmung hat aufgrund der Komponentendiagnostik an Aussagekraft gewonnen. Durch Einführung der molekularen In-vitro-Testung können die Sensibilisierungsmuster ohne Störfaktoren wie Sensibilisierung auf klinisch nicht relevante Panallergene oder Kohlehydratdeterminanten („cross-reactive carbohydrate determinants“; CCD) erhoben werden.
Die Hautpricktestung ist nach wie vor State of the Art, allerdings macht der stete Verlust an seltenen Inhalationsallergenen und anderen Allergenteststoffen dem Allergologen das Leben zunehmend schwerer. Die In-vitro-Diagnostik kann dieses Manko nur bedingt abfedern, zumal auch bei der In-vitro-Diagnostik nicht jeder Teststoff über ausreichende Sensitivität verfügt.
Sensibilisierungsdaten
Bei allen Daten zur Sensibilisierungshäufigkeit muss man beachten, ob die Untersuchungen an potenziell allergischen Patienten (Atopikern) oder an einer „Querschnittspopulation“, also an zufällig ausgesuchten Personen, durchgeführt wurden. Die seit 2017 laufende österreichische LEAD-Studie stellt solch eine Querschnittspopulationsstudie dar, die Sensibilisierungsdaten bei der Allgemeinbevölkerung erhebt. Eine Untersuchung an potenziell allergischen Personen wurde von Wolfgang Hemmer in unserem Institut durchgeführt, wobei Sensibilisierungsdaten für Ostösterreich erhoben wurden.
Sensibilisierungsraten: Querschnittsstudien
In einer rezenten österreichischen Studie an 501 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen konnte mittels ISAC-Allergenchip eine Sensibilisierungsrate von 53% erhoben werden. Die hohe Sensibilisierungsrate von über 50% fand sich in Österreich bereits vor 20 Jahren (50,8%; Dorner et al. 2007). Die meisten Probanden zeigten eine Polysensibilisierung auf durchschnittlich neun Allergene. Die häufigsten Sensibilisierungen fanden sich mit 26,5% gegen Gräserpollen, gefolgt von Hausstaubmilben (18,2%), Birkenpollen (16,3%) und Katze (14,4%). Die österreichische LEAD-Studie ergab einen Peak der Sensibilisierungen mit 58,6% bei der Gruppe der männlichen 19- bis 28-Jährigen, dann fielen die Sensibilisierungen bis auf 21,1% bei den weiblichen über69-Jährigen ab.
In der deutschen KiGGS-Welle-2-Untersuchung (2014–2018) fand sich bei den 3- bis 6-Jährigen bereits eine Sensibilisierungsrate von 23,9%, die kontinuierlich anstieg und bei den männlichen 14- bis 17-Jährigen mit 55,7% den Gipfel erreichte. Gegenüber der Voruntersuchung (KiGGS Welle 1, 2003–2006) fand sich keine signifikante Erhöhung der Sensibilisierungsrate. Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts aus den Jahren 2008 bis 2011an 6925 Erwachsenen zeigen mit 48,6% eine Sensibilisierungsrate im internationalen Schnitt, allerdings ist die Rate der Sensibilisierung auf Einzelallergene, etwa auf Haustiere, auffallend gering (Abb. 1).
Abb. 1: Sensibilisierungshäufigkeit bei deutschen Erwachsenen (18–79 Jahre, männlich: n= 3371, weiblich: n=3654); Daten vom nationalen Gesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts,DEGS (modifiziert nach Thamm R et al. 2018)
Sensibilisierungsraten:Studien an Atopikern
In Analogie zur LEAD-Studie findet sich auch in unseren hausinternen Untersuchungen eine männliche Dominanz bei den Sensibilisierungen (Abb. 2). Wolfgang Hemmer fand die häufigsten Sensibilisierungen in der ostösterreichischen Atopikerstudie bei Kindern und Erwachsenen gegen Gräserpollen mit 55%, Birke mit 41,7%, Hausstaubmilben mit 37,2% und Katze mit 33,1% (Abb. 3). Obwohl die Raten höher sind, entsprechen sie ungefähr den Daten bei den Salzburger Kinder/Jugendlichen.
Abb. 2: Positive Pricktests auf inhalative Allergene nach Alter und Geschlecht; Daten vom Floridsdorfer Allergiezentrum 2018 (modifiziert nach Heindl B et al. 2022)
Abb. 3: Die 10 häufigsten Inhalationsallergene in Ostösterreich, erhoben an 13719 Atopikern im Alter von 30 ± 16 Jahren; Daten vom Floridsdorfer Allergiezentrum 1997–2007 (modifiziert nach Hemmer W et al. 2010)
Therapie
Die symptomatische Therapie der Typ-I-Allergie auf inhalative Allergene hat in den letzten 20 Jahren keine wesentlichen Schritte gemacht. Nonsedierende Antihistaminika und topische Steroide sind seit Jahren die State-of-the-Art-Behandlung. Biologicals spielen in der Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis – noch – keine Rolle. Lediglich die kleine Gruppe der echten Typ-I-Allergiker mit schwerem Asthma aufgrund einer Hausstaubmilbenallergie oder einer perennialen Schimmelpilzallergie sind Kandidaten für den Anti-IgE-Antikörper Omalizumab.
In der kausalen Therapie gibt es Fortschritte: Die spezifische Immuntherapie wurde um orale Allergentabletten gegen Hausstaubmilben, Birke, Gräser und Ragweed erweitert. Auch hier ist es wesentlich, ein Präparat zu verwenden, dessen Wirksamkeit durch Studien abgesichert ist, um einen guten Therapieerfolg zu gewährleisten. Die Tablette gegen Hausstaubmilben hat zudem die Asthmatherapie verändert, da damit erstmals auch teilkontrollierte Asthmatiker erfolgreich behandelt werden können und sollen.
Literatur:
• Dorner T et al.: Epidemiology of allergies in Austria. Results of the first Austrian Allergy Report. Wien Med Wochenschr 2007; 157:235-42 • Heindl B et al.: Häufigkeit positiver Allergietests bei Kindern, Erwachsenen und Senioren. Allergo J 2022: in press • Hemmer W et al.: Endbericht 2009 zur Studie: Prävalenz der Ragweedpollen-Allergie in Ostösterreich. St. Pölten: Amt der NÖ. Landesregierung, Landesamtsdirektion, Abteilung Gebäudeverwaltung, Amtsdruckerei 2010 • Kölli F et al.: Prevalence of positive skin prick test and associated risk factors within a general population – data from the Austrian LEAD study – Abstract. Wien Klin Wochenschr 2020; 132: 622-3 • Stemeseder T et al.:. Exposure to indoor allergens in different residential settings and its influence on igesensitization in a geographically confined austrian cohort. PLoS One 2017; doi: 10.1371/journal.pone.0168686• Stemeseder Tet al.: Cross-sectional study on allergic sensitization of Austrian adolescents using molecule-based IgE profiling. Allergy 2017; 72: 754-63 • Stemeseder T et al.: Influence of intrinsic and lifestyle factors on the development of igesensitization. Int Arch Allergy Immunol 2017; 173: 99-104 • Thamm R et al.: Allergische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. J Health Monitor 2018; doi: 10.17886/RKI-GBE-2018-075
Das könnte Sie auch interessieren:
Das Pollenjahr 2025
Die Pollen fliegen wieder – und Allergiker:innen spüren das zurzeit massiv. Wertvolle Informationen zu Pollenflug, Pollenallergien und auch dem Einfluss von Luftschadstoffen auf ...
Gewebeschädigung: Proteasen bahnen der Allergie den Weg
Warum entwickeln manche Menschen Allergien und andere nicht? Viele Aspekte dieser Frage sind nach wie vor ungeklärt. Auf der klinischen Seite zeigt sich zunehmend, dass die Behandlung ...