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Die beste von allen schlechten Entscheidungen?
Unser Gesprächspartner:
Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski
Leiter der Klinischen Abteilung für Lungenkrankheiten
Universitätsklinik für Innere Medizin
LKH/Universitätsklinikum Graz
E-Mail: horst.olschewski@medunigraz.at
Das Interview führte
Dr. Katrin Spiesberger
Im März ging ein Aufschrei durch die Medien: Die Abteilung für Pulmonologie am Universitätsklinikum Graz soll geschlossen werden. Dann hieß es, die Kapazitäten werden mit 1. April reduziert, die Abteilung wird nicht geschlossen. Wir haben mit dem international anerkannten Experten und Leiter der Abteilung, Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski, über den Status quo in Graz gesprochen.
Prof. Olschewski, die Medien haben letzten Monat intensiv über die Demontage Ihrer Abteilung berichtet, jetzt ist es etwas ruhiger geworden. Was ist denn nun der Stand der Dinge?
H. Olschewski: Ganz offen: Wir haben Stress. Aber ich fange vielleicht von vorne an, also bei dem Zeitpunkt, an dem noch alles „normal“ funktioniert hat: Bis Anfang 2022 standen uns 28 Normalpflegebetten und 6 RCU-Betten zur Versorgung unserer Patient*innen zur Verfügung. Der Bedarf an RCU-Betten war erst 2018 errechnet worden, er ist Teil des Regionalen Strukturplans Gesundheit (RSG) der Steiermark. Die Errichtung dieser Versorgungseinheit im Jahre 2019 hat knapp 2 Mio. Euro gekostet, und jetzt steht sie leer, unsere Normalpflegestation mit zuletzt noch 20 Betten auch. Uns stehen aber glücklicherweise 12 Betten auf anderen Fachabteilungen und zwei RCU-Betten auf der Intensivstation zur Verfügung.
Dennoch ist das eine erhebliche Einschränkung, die uns im Laufe der Zeit noch einige Probleme machen wird. Wenn beispielsweise Patient*innen mit einer respiratorischen Dekompensation vor der Tür stehen, wird es schwierig sein, allen, die dies brauchen, eine Beatmungstherapie anzubieten. Eine Situation, die für alle Beteiligten sehr belastend ist.
Wie konnte es so weit kommen?
H. Olschewski: Vor einem Jahr gab es im Pflegebereich merkliche Ausfälle – einerseits durch Schwangerschaften und krankheitsbedingte Ausfälle, unter anderem durch Covid, andererseits durch Kündigungen und sehr wenige Bewerbungen um freie Stellen, nachdem die Ausbildungskapazität für diplomiertes Personal bereits länger zuvor herabgesetzt worden war.
Der Mangel betraf überwiegend die Abteilungen der Inneren Medizin, besonders aber die mit vielen Covid-Patient*innen. Letztlich musste immer wieder die Zahl der verfügbaren Betten an das reduzierte Pflegepersonal angepasst werden. Auf unserer RCU mussten beispielsweise phasenweise immer wieder zwei Betten gesperrt werden. In der Normalpflege mussten wir auf acht Betten verzichten. So war es im Jahr 2022 und wir hatten uns schon fast an den Zustand gewöhnt.
2023 wurde ich dann aber überrascht: Als ich Ende Februar gut gelaunt aus dem Urlaub zurückgekommen bin, habe ich Gerüchte gehört, es gebe Schwierigkeiten vonseiten der Pflegekapazität und es müssten weitere Pulmo-Betten gesperrt werden. Am Tag darauf hat die Pflegeleitung unserem Pflegeteam mitgeteilt, dass die Pulmo und die RCU gesperrt würden und das dazugehörige Pflegeteam aufgelöst würde. Das Direktorium müsse dies allerdings noch beschließen. Ich habe – das möge man mir nachsehen – dagegen protestiert und alternative Vorschläge vorgebracht. Solche waren nicht schwierig zu finden, denn wir hatten noch 25 Pflegekräfte im Stand und der Dienstplan für April war komplett besetzt. Leider wurden alle meine Vorschläge abgelehnt.
Das Problem war oder ist demnach gar nicht der Personalmangel bei Ihnen auf der Station, sondern auf den anderen Stationen?
H. Olschewski: Es ist überall ein Problem, es ist überall richtig knapp, aber man hat sich dazu entschlossen, die Pulmo-Station zuzumachen statt einer anderen. Da ich persönlich betroffen bin, bin ich an dieser Stelle nicht objektiv, aber ich bin doch der Meinung, dass Betten für pulmologische Patient*innen eine andere Bedeutung haben als für Fächer mit weniger akut lebensbedrohlichen Erkrankungen. Im pulmologischen Bereich betreuen wir häufig schwer kranke Patient*innen mit Sauerstoffbedarf, mit Beatmungsbedarf – oft in lebensbedrohlichen Situationen oder in einem palliativen Bereich, und dafür braucht man einfach Betten.
Wer trifft solche Entscheidungen?
H. Olschewski: Das hat das Direktorium entschieden, das sich aus der Pflegedienstleitung, dem Betriebsdirektor und dem ärztlichen Direktor des LKH/Universitätsklinikums zusammensetzt. Ich habe gegen diese Entscheidung argumentiert und bekam zur Antwort, es handle sich um keine gute Entscheidung, aber es sei die beste von allen schlechten Entscheidungen. Das konnte mich zwar nicht überzeugen, das wiederum hat aber den weiteren Verlauf nicht verhindert.
Die Maßnahmen sollten ja mit 1. April umgesetzt werden – ist dies nun schon passiert?
H. Olschewski: Ja, ist es. Zurzeit bietet sich ein fast gespenstisches Bild, wenn man auf die Station kommt. Keine Patient*innen, kein Personal, ein langer Flur, der nach der Generalreinigung spiegelt und glänzt, aber leer ist.
Haben diese Maßnahmen auch Auswirkungen auf das ärztliche Personal?
H. Olschewski: Ärzt*innen haben wir in der Pulmo und auch im ganzen Uniklinikum genug, das ist fast etwas kurios. Den Ärzt*innenmangel gibt es in den peripheren LKH. Die haben dafür offenbar genug Pflegepersonal, das bei uns fehlt. Auf diese Situation angesprochen, meinte der Vorstandsvorsitzende der KAGES, man sei bemüht, die Personen zu einem Ortswechsel zu motivieren, aber man habe dabei bisher nicht viel Erfolg gehabt – und Zwangsversetzungen wolle man nicht.
Was für ein Bild zeichnen Sie für die Zukunft? Was glauben Sie, wie wird es weitergehen?
H. Olschewski: Von den 25 betroffenen pneumologischen Pflegekräften hat etwa die Hälfte schon gekündigt oder die Kündigung ist auf dem Wege. Das heißt, der Rest kann die anderen Abteilungen gar nicht so unterstützen, wie es eigentlich geplant war. In Summe ist der Pflegemangel durch die Maßnahme verschärft worden – und er betrifft nun auch besonders pneumologisch gut ausgebildetes Pflegepersonal, das prinzipiell schwer zu finden ist. Durch diese Maßnahme entsteht natürlich auch eine schlechte Stimmung – nicht nur auf der Pulmonologie. 12 Betten reichen für uns einfach nicht aus, und diese Belastung bekommen nun auch die anderen zu spüren.
Welche Auswirkungen hat dies auf die Überweisungen von niedergelassenen Lungenfachärzt*innen? Können Patient*innen weiterhin zu Ihnen geschickt werden, oder werden diese gleich an andere Spitäler weitergeleitet?
H. Olschewski: Wir haben zum Glück unsere Ambulanzen, die jetzt intensiviert laufen. Außerdem laufen die Bronchoskopien und die Rechtsherzkatheter-Untersuchungen ohne Einschränkungen. Das heißt aber auch, dass unsere Ambulanzen durch mehr und schwerer kranke Patient*innen belastet werden. Wenn ein*e Patient*in aus der Ambulanz heraus stationär aufgenommen werden muss, weil es ihr*ihm einfach so schlecht geht, dass man sie*ihn nicht nach Hause schicken kann, gibt es kein Bett dafür. Das bedeutet langes Herumtelefonieren, um irgendwo im Haus ein Bett zu organisieren.
Wir wollen zusätzlich tagesklinisch arbeiten, und die entsprechenden Kapazitäten werden hoffentlich bald geschaffen. Bis dahin sehen wir zu, dass durch die gute Kooperation mit den anderen Fachdisziplinen die pneumologischen Patient*innen so wenig wie möglich Schaden nehmen. Uns ist aufgefallen, dass neuerdings die Rettungsdienste die Patient*innen zum Teil nicht mehr zu uns auf die EBA in Graz bringen, sondern in andere Krankenhäuser, wie z.B. nach Vorau. Darüber wird offiziell nicht viel gesprochen und selbst innerhalb des Roten Kreuzes ist das offenbar kein Thema. Wir merken nur, dass unsere Patient*innen in anderen Krankenhäusern aufgeschlagen sind, wenn wir von den Angehörigen kontaktiert werden. Solche Situationen erwarte ich für die Zukunft vermehrt, also dass die Patient*innen wohnortfern untergebracht bzw. versorgt werden, um die Kapazitäten in der Peripherie besser zu nutzen als bisher.
Gibt es eigentlich noch Möglichkeiten, wie man Sie unterstützen kann? Oder ist ohnehin schon alles gelaufen und man muss sich den getroffenen Entscheidungen ergeben?
H. Olschewski: Am Rande eines Treffens der österreichischen pneumologischen Primarii habe ich dieses Thema angesprochen und meine Kolleginnen und Kollegen haben daraufhin spontan ein Protestschreiben aufgesetzt. Auch die ÖGP hat eine Protestnote verfasst und viele Selbsthilfeorganisationen haben protestiert,sie haben sogar eine Petition ins Leben gerufen und ordentlich Wirbel gemacht. Damit kann keiner der politisch Verantwortlichen mehr behaupten, nichts gewusst zu haben. Aber all diese Aktionen haben bisher keine positiven Reaktionen bei den Entscheidungsträgern ausgelöst.
Eine spezielle Situation ergibt sich dadurch, dass meine Pensionierung in einem Jahr ansteht und meine Stelle gerade ausgeschrieben ist. Mitten in die Ausschreibung hinein diese Maßnahmen durchzuführen war geradezu ein Schlag ins Gesicht für das Rektorat der MedUni Graz. Die Situation könnte mögliche Bewerber*innen durchaus abschrecken.
Also was tun?
H. Olschewski: Kurzfristig können wir das Geschehene nicht ungeschehen machen, wir müssen allerdings mittelfristig dafür sorgen, dass die pneumologische Expertise im Pflegebereich wieder aufgebaut wird und dass, wie angekündigt, die Pulmo-Station und die RCU zum Herbst tatsächlich wieder öffnen können. Parallel müssen wir die ambulante und tagesklinische Versorgung intensivieren bzw. neu aufbauen. Wir werden unseren Teil zu diesen Zielen beitragen und hoffen auf breite Unterstützung durch die Krankenhausgesellschaft!
Vielen Dank für das Gespräch!
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