
COPD-Exazerbationen: Welche Präventionsmaßnahmen sind sinnvoll?
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
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Jede Exazerbation ist mit einem Verlust an Lungenfunktion verbunden und sollte daher möglichst vermieden werden. Bei der ÖGP-Jahrestagung wurden Definitionen und Möglichkeiten der Prophylaxe von Exazerbationen anhand aktueller Studiendaten und Expertenempfehlungen erläutert.
Die Definition einer Exazerbation der COPD (ECOPD) ist nach wie vor nicht einheitlich, erklärte Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski, Graz, zu Beginn seines Vortrags und zitierte die „gängigsten“ Varianten: Die European Respiratory Society (ERS) formulierte sie 2017 als „Episoden zunehmender respiratorischer Symptome, insbesondere Dyspnoe, Husten, purulenter Auswurf“, die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) erläuterte sie im GOLD-Report 2021 als „akute Verschlechterung der respiratorischen Symptome, die zu einer zusätzlichen Therapie führt“.1
Die derzeitigen Definitionen von ECOPD würden mehrere Mängel aufweisen, die sich nachteilig auf klinische Entscheidungen auswirken, so die Kritik einer Gruppe internationaler Experten unter der Leitung von Prof. Bartolome R. Celli, Harvard. Diese hat daher im Zuge einer Konsensuskonferenz mit dem „Rome Proposal“ eine neue Definition inklusive Schweregrad-Klassifikation der ECOPD erarbeitet und Ende 2021 präsentiert. Die Empfehlungen strukturieren die Diagnose der ECOPD mithilfe von gut etablierten, klinisch relevanten Markern. Begleiterkrankungen bzw. Differenzialdiagnosen werden ebenso berücksichtigt und von der ECOPD abgrenzt (Abb. 1).1
Abb. 1: „Rome Proposal“: Integration von 5 Parametern (Dyspnoe, Atemfrequenz, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Serum-CRP), um den Schweregrad einer ECOPD zu bewerten. Die Standard-Schweregrad-Klassifizierung ist die der leichten ECOPD. Damit eine Episode als moderat angesehen werden kann, sollten mindestens 3 dieser 5 Parameter schlechter sein als die Schwellenwerte bei der leichten ECOPD (modifiziert nach Celli BR et al. 2021)1
Das Dilemma der Differenzialdiagnosen
Die Problematik dabei: Komorbiditäten sind bei COPD-Patienten häufig anzutreffen. „Es gibt mindestens 29 Erkrankungen bzw. Begleitumstände, die eine Exazerbation imitieren können“, gab Olschewski zu bedenken. Die GOLD nennt als wichtigste Differenzialdiagnosen der COPD Asthma, Herzinsuffizienz, Bronchiektasien, Tuberkulose, diffuse Bronchioloitis sowie als Differenzialdiagnosen einer Exazerbation u.a. Pneumonie, Pneumothorax oder Lungenödem, die bei der Diagnose einer ECOPD berücksichtigt werden müssen.2
Die Beurteilung der akuten Symptomatik hänge letztlich sehr von der individuellen ärztlichen Einschätzung ab, so Olschewski. Dabei müsse in weiterer Konsequenz hinterfragt werden, wie sicher diese Diagnosen sind. Olschewski nannte als Beispiel die Dekompensation einer Herzinsuffizienz. In diesem Fall sei es selbst unter Studienbedingungen nicht möglich, diese eindeutig von einer ECOPD zu unterscheiden: „Aus meiner Sicht müssen wir uns die Frage stellen, ob die Beschwerden durch die Differenzialdiagnose ausreichend erklärt werden. Wenn nicht, ist es eine Exazerbation.“ Unter Berücksichtigung dieser Parameter präsentierte Olschewski abschließend seinen persönlichen Vorschlag für eine Exazerbation-Definition: „Die eindeutige Verschlechterung der COPD-Symptome, die nicht alternativ erklärt werden kann.“
Prophylaxe der ECOPD
„Wir kennen heute die Ursachen hinter Exazerbationen, wir glauben die Pathomechanismen zu verstehen – von Hyperkapnie über Hypoxämie bis zu Air Trapping –,aber wir nehmen diese Parameter nicht zur Hand, wenn wir das Ausmaß einer Exazerbation fassen möchten. Das wird sich ändern“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Bernd Lamprecht, Linz, auch in Hinblick auf das „Rome Proposal“ (Abb.1).1„Das könnte einen Teil unserer Probleme lösen“, so Lamprecht. „Alle bestimmt nicht.“
Die GOLD empfiehlt eine Reihe von Präventionsmaßnahmen, um eine Exazerbation zu verhindern – von Bronchodilatatoren über Kortikoide und weitere antientzündliche Medikamente wie Roflumilast bis hin zu Vakzinen, Antibiotika, Mukoregulatoren und „shielding measures“, also abschirmende Maßnahmen, wie Masken, Abstandhalten und häufiges Händewaschen.2 Lamprecht erläuterte in seinem Vortrag eine Auswahl dieser Maßnahmen und ergänzte sie mit aktuellen Daten, die großteils beim ERS-Kongress 2022 vorgestellt wurden.
„Shielding measures“ und „digital tools“
Der Benefit von FFP2-Masken ist mittlerweile unumstritten und ist zumindest bei Personen mit einem erhöhten Risiko sinnvoll, v.a. in Zeiten eines dynamischen Infektionsgeschehens und/oder, wenn Abstand halten schwierig ist, erklärte Lamprecht. Das bestätigen die Erfahrungen in der Praxis seit Beginn der Coronapandemie ebenso wie wissenschaftlich erhobene Daten.3
Durch den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln könnte man eine Exazerbation möglicherweise sehr früh erkennen und rechtzeitig gegensteuern, erklärte Lamprecht: „Es gibt mittlerweile einige Möglichkeiten der Telemedizin bzw. des Telemonitorings, ebenso mehrere Reviews dazu – mit positiven als auch negativen Schlussfolgerungen bzw. wichtigen Voraussetzungen für eine effektive Umsetzung.“ 4
Impfungen, funktioneller Status und Rehabilitation
Zu den weiteren wichtigen Maßnahmen der Exazerbationsprophylaxe zählen Vakzinen. „Seit Jahren empfehlen wir die jährliche Influenzaimpfung, die Pneumokokkenimpfung und nun die Impfung gegen SARS-CoV-2.“ Auch in dieser Hinsicht kommen laufend Daten und Puzzlestücke zur weiteren Bestätigung dazu. So zeigte eine retrospektive Studie über 7 Jahre einen eindeutigen Effekt auf die Exazerbationsrate durch die Pneumokokkenimpfung.5
Ein weiterer Aspekt, der sehr stark mit dem Exazerbationsrisiko zusammenhängt, sei der funktionelle Status, so Lamprecht. „Er stellt eine sehr gute Möglichkeit dar, COPD-Patienten je nach körperlicher Belastbarkeit in Risikogruppen einzuteilen. Damit könnte man zumindest jene herausfiltern, die ein hohes Risko für Exazerbationen aufweisen.“ Eine aktuelle Untersuchung analysierte die Erfassung eines Risikoscores für Exazerbationen anhand verschiedener Tests, wie u.a. des 6-Minuten-Gehtests, des einminütigen „Sit-to-stand-Tests“ und Kraftmessungen der Armmuskulatur.6
Nicht zuletzt könne die pneumologische Rehabilitationden körperlichen Zustand von COPD-Patienten weitreichend verbessern, resümierte Lamprecht: „Sie ist nachweislich kosteneffektiv, auch in Hinblick auf die Vermeidung von Hospitalisierung.“
Nichtsteroidale Wirkstoffe und Rauchstopp
Bei der medikamentösen Therapie ging Lamprecht konkret auf den Einsatz von Biologika ein: „Langsam wagen wir uns damit auch auf das Terrain der COPD vor.“ Er präsentierte eine Post-hoc-Analyse zum Effekt einer zusätzlichen Anti-Interleukin(IL)-5-Therapie mit Benralizumab auf das Risiko für moderate Exazerbationen in einer ausgewählten Patientenpopulation.7
Ebenso wurden beim Anti-IL-33-Antikörper Itepekimab Benefits in Zusammenhang mit der Hospitalisierungsrate festgestellt, allerdings in erster Linie bei Ex-Rauchern.8 Lamprecht erklärte diesen Zusammenhang anhand von aktuellen Studiendaten.9 Bei der Untersuchung wurden Bronchialbiopsien von aktiven und Ex-Rauchern auf die Genexpression von IL-33 untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Genexpression bei aktuellen Rauchern deutlich reduziert ist. Man führt das darauf zurück, dass durch das Rauchen eine andere Differenzierung der basalen Epithelzellen stattfindet, die dann weniger IL-33 produzieren. Dadurch sind bei Rauchern auch weniger Targets für eine effektive Anti-IL-33-Antikörper vorhanden.9
Roflumilast und Makrolide
Zur Therapie mit Roflumilast fasste Lamprecht zusammen: „Wir wissen, dass es nicht für kachektische Patienten geeignet ist, dass es appetitmindernd wirken und auch Diarrhö verursachen kann. Bei einem Patienten mit dem Phänotyp der chronischen Bronchitis, der eher adipös und womöglich obstipiert ist, dann kann die Therapie hervorragend funktionieren.“ Die antiinflammatorische und evtl. auch immunmodulierende Therapie mit Makroliden ist in Europa nicht so verbreitet wie im angloamerikanischen Raum. Hierzulande stellt sie eher eine finale Option dar, so Lamprecht: „Da sind wir sehr zurückhaltend.“
Betreuung im extramuralen Bereich
Eine Kohortenstudie aus Dänemark untersuchte den Einfluss der ambulanten Betreuung auf das Exazerbationsrisiko. Die 144 eingeschlossenen Patienten wiesen eine deutlich eingeschränkte Lungenfunktion (FEV1<50%) auf und hatten mindestens eine Exazerbation im vergangenen Jahr erlitten. 56 dieser Patienten erhielten ein spezielles Home-Care-Programm in Form eines „cross-sectorial lung teams“ mit speziell ausgebildetem Betreuungspersonal. Dieses stellte Information und Beratung zur Verfügung, war rund um die Uhr telefonisch erreichbarund überprüfte bei den Patienten zu Hause Parameter wie Sauerstoffsättigung und Blutdruck sowie Behandlungsmaßnahmen wie die Sauerstofftherapie. Das Ergebnis: Ein derartiges Service reduziert Exazerbationen deutlich. Die Zahl der Hospitalisierungen in einem Jahr lag bei 33 bei den betreuten versus 106 bei den nicht betreuten Patienten.10
Fazit
Die Exazerbation perse ist eine Frage der Definition. „Shielding measures“ (Maske, Abstand, Händehygiene) spielen sicher eine Rolle, sind relativ einfach umzusetzen und für COPD-Patienten empfehlenswert. Bei den „digital tools“ bestehe Potenzial, soLamprecht. Zu den Impfungen gibt es viele Daten, sie können das Risiko günstig beeinflussen. Die Clusterung in unterschiedliche Belastbarkeitsgruppen ist ein wichtigerEinflussfaktor und ein starkes Argument für pneumologische Rehabilitation.
Bei Patienten, die den Rauchstopp bereits geschafft haben, könnte in selektionierten Gruppen zusätzlich zu einer inhalativen Therapie auch eine Biologikatherapie sinnvoll sein. Und wenn es gelänge, eine gute Betreuung zu Hause sicherzustellen, wäre das Risiko für Spitalsaufnahmen reduzierbar. Lamprechts Fazit: „Wir wissen, dass jede Exazerbation mit einem Verlust an Lungenfunktion einhergeht, mit sehr viel individuellem Leid und auch Kosten für das Gesundheitssystem. Dieses Bündel an Maßnahmen könnte eine maßgeschneiderte Strategie für einzelne Patienten sein. Wir werden Exazerbationen damit nicht ganz verhindern können, aber eine Reduktion wäre schon ein erheblicher Erfolg.“
Quelle:
„Was ist eine COPD-Exazerbation eigentlich?“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski, Graz; „Prävention einer COPD-Exazerbation“, Vortrag von Univ.-Prof. Bernd Lamprecht, Linz, am 5.Oktober 2022 im Rahmen der ÖGP-Jahrestagung 2022
Literatur:
1 Celli BR et al.: An updated definition and severity classification of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations: the Rome proposal. Am J Respir Crit Care Med 2021; 204(11): 1251-8 2 2022 GOLD Reports: https://goldcopd.org/2022-gold-reports-2/ ; zuletzt aufgerufen am 14.10. 2022 3 Manzano Senra C: Clinical consequences of health measures and lock down for covid-19 in exacerbations in patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD). ERS 2022; Präsentation #545504 4 Konstantinidis A et al.: The role of digital tools in the timely diagnosis and prevention of acute exacerbations of COPD: acomprehensive review of the literature. Diagnostics 2022; 12(2): 269 5 Papadopoulou E: A 7-year retrospective evaluation of incidence of exacerbations in COPD patients pre and post pneumococcal vaccination. Results from RETRIEVE study. ERS 2022; Präsentation #545667 6 Rodrigues G: Clusters of functional status in COPD: an exploratory analysis.ERS 2022; Präsentation #546902 7 Singh D: Effect of benralizumab on recurrent COPD exacerbations. ERS 2022; Präsentation #546054 8 Rabe KF.: Itepekimab significantly reduced hospitalizations or emergency department visits in former smokers with moderate-to-severe COPD.ERS 2022; Präsentation #546212 9 Faiz A: The regulation of IL33 following smoking cessation. ERS 2022; Präsentation #544307 10 Refsgaard Iversen B: The impact on number of hospitalizations and length of hospital stay for patients with advanced COPD affiliated with a cross-sectorial lung team. ERS 2022; Präsentation #546792