
Chemo- und Immuntherapie beim NSCLC
Vorstand der Pulmologie<br> Klinikum Klagenfurt am Wörthersee<br> E-Mail: markus.rauter@kabeg.at
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Keypoints
Die Rate des 5-Jahres-Überlebens der NSCLC-Patienten mit hoher PD-L1-Expression ist bei Erstlinientherapie mit dem Anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab mit 32 % beeindruckend.
Die Kombination einer Chemotherapie mit einer Immuntherapie ist auch bei Patienten mit negativer PD-L1-Expression einer alleinigen Chemotherapie klar überlegen.
Das nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) wird mittlerweile in zahlreiche Subtypen unterteilt. Hervorzuheben sind die sogenannten Treibermutationen, welche mit zielgerichteter medikamentöser Therapie maßgeschneidert behandelt werden können. Diese Mutationen kommen in erster Line bei den nichtsquamösen Karzinomen vor, welche daher standesgemäß einer Reflextestung auf EFGR, ALK, ROS1, BRAF V600E, NTRK und RET, Met-Exon-14 unterzogen werden sollten, optimalerweise mittels Next-GenerationSequencing (NGS). Dies könnte auch bei squamösen Karzinomen angedacht werden, falls eine Mischhistologie vorliegt, die Patienten besonders jung sind oder eine negative Nikotinanamnese aufweisen.
Biomarker PD-L1-Expression
Bei einem Großteil der Lungenkarzinome gelingt kein Nachweis einer Treibermutation, dennoch unterscheiden sich die Therapieansätze teilweise grundlegend. Verantwortlich dafür ist die Messung der „Programmed-deathligand-1“(PD-L1)-Expression – in erster Linie auf den Tumorzellen –, welche sich trotz zeitlicher und örtlicher Heterogenität als breit verfügbarer Biomarker durchgesetzt hat. Das ist der Tumormutationslast trotz initial teilweise vielversprechender Ergebnisse bislang verwehrt geblieben.
Wenn wir beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom von Immuntherapie sprechen, beziehen wir uns in erster Linie auf eine Blockade der PD-1/PD-L1-Interaktion, welche – vereinfacht ausgedrückt – in der Tumorumgebung zu einer Aktivierung der T-Zell-vermittelten Tumorabwehr führt. Dass dies beim NSCLC gut funktioniert, wissen wir bereits aus den Zweitlinienstudien mit Nivolumab, Pembrolizumab und Atezolizumab, welche außerdem eine klare Korrelation zwischen der Höhe der PD-L1-Expression und dem Ansprechen der Immuntherapie zeigen.1–3
Immuntherapie als Monotherapie bei hoher PD-L1-Expression
Diese Korrelation findet sich auch in der Erstlinie. Die KEYNOTE-024-Studie untersuchte den Anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab beim fortgeschrittenen NSCLC (squamös und non-squamös) mit einer PD-L1-Expression von ≥50% verglichen mit platinhältiger Chemotherapiedoublette.4 Das Gesamtüberleben warbei einer HR von 0,63 positiv. Ein Update des 5-Jahres-Überlebens wurde am heurigen ASCO präsentiert,es beträgt stolze 32%, nahezu unglaublich, wenn man bedenkt, dass in der „Vor-Immuntherapie-Ära“ 5-Jahres-Überlebensraten von 5% für das fortgeschrittene NSCLC angegeben wurden. Bei einer effektiven Cross-over-Rate von 66% erwies sich auch die Rate des 5-Jahres-Überlebens im Vergleichsarm mit 16% als gut.
Den ausgeprägtesten Benefit von einer Immuntherapie in diesem Setting erfahren PD-L1-Höchstexprimierer, wie u.a. eine retrospektive Multicenteranalyse zeigt (Abb.1).5 Die Ansprechrate in der Kohorte mit einer 90- bis100%igen PD-L1-Positivität liegt bei beeindruckenden 60%. In der Kohorte der PD-L1-Expression zwischen 50% und 80(–90)% bevorzugen manche Experten die Verwendung einer Chemo-Immuntherapie-Kombination, welche allerdings nebenwirkungsreicher ist, sodass in die Überlegung zur Therapiewahl auch der Allgemeinzustand des Patienten, etwaige Komorbidäten sowie auch die Patientenpräferenz einzubeziehen sind.
In der IP-110-Studie wurde der Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab in Monotherapie bei PD-L1-Hochexprimierern untersucht, wobei in dieser Studie die PD-L1-Expression nicht nur auf Tumorzellen, sondern auch auf Immunzellen gemessen wurde. Bei positiven Ergebnissen mit einer HR für das Gesamtüberleben von 0,59 wird eine EMA-Zulassung in Bälde erwartet.6
Abb. 1: A) Objektive Reaktion auf Pembrolizumab als prozentuale Veränderung der Zielläsionen gegenüber dem Ausgangswert bei NSCLC-Patienten mit einer PD-L1-Expression von 50–89% vs. 90–100%. B) Rate des Ansprechens auf Pembrolizumab in der Erstlinie in den PD-L1-Expressions-Gruppen 50–89% vs. 90–100% (modifiziert nach Aguilar EJ et al.)5
Noch besser dürfte Atezolizumab bei PD-L1-Hochexprimierern in der Kombination mit dem Anti-TIGIT-Antikörper Tiragolumab wirken. Analog zur PD-L1-Achse können sich Tumorzellen über die Interaktion des „polio virus receptor“ (PVR) mit dem auf der Oberfläche von Immunzellen lokalisierten TIGIT-Rezeptor dem Angriff des Immunsystems entziehen. Eine antikörpergezielte Blockade beider Pathways wurde in der Phase-II-Studie CITYSCAPE untersucht. Hier war die HR für das Gesamtüberleben in der Gruppe der PD-L1-Hochexprimierer (≥50%) mit 0,30 hochpositiv bei einer Ansprechrate von 66%, sodass dieser Ansatz in der laufenden Phase-III-Studie SKYSKAPER-01 weiterverfolgt wird.7
Neben Pembrolizumab und Atezolizumab(± Tiragolumab) könnte uns schon bald eine weitere Option für PD-L1-Hochexprimierer zu Verfügung stehen, nachdem am diesjährigen ESMO positive Daten zum Anti-PD-1-Antikörper Cemiplimab aus der EMPOWER-Lung-1-Studie präsentiert worden sind. Die Gesamtüberlebensrate nach 24 Monaten war mit 50,4% nahezu ident mit der aus KEYNOTE-024, die Subgruppenanalyse bei squamöser Histologie war sogar vorteilhaft. Mit Spannung wird die weitere Reifung der Daten erwartet.8
Chemo-Immuntherapie in Kombination bei PD-L1-„All-Comers“
Gut zwei Drittel der nichtkleinzelligen Lungenkarzinome gehören nicht zur Gruppe der PD-L1-Hochexprimierer. Hier bietet sich eine Kombination mit einer Chemotherapie an, um den zytostatikainduzierten Zelltod als Treiber für die Generierung einer immunogenen Tumorumgebung zu nutzen, welche der Immuntherapie den Nährboden zur Entfaltung ihrer Wirksamkeit bietet.
Als „Landmark Trial“ für das nichtsquamöse NSCLC darf KEYNOTE-189 gesehen werden, welche Pembrolizumab kombiniert mit einer Chemotherapie bestehend aus Platin (mehrheitlich wurde Carboplatin eingesetzt) und Pemetrexed mit alleiniger Chemotherapie verglichen hat.9 Das mittlere Überleben in der ITT-Population wird im letzten Update vom ASCO 2020 mit 22 Monaten angegeben, alle PD-L1-Subguppen profitieren. In der Gruppe der Hochexprimierer zeigte sich das mittlere Überleben mit 27,7 Monaten sogar etwas länger als in der oben angführten Studie KEYNOTE-024.
Eine weitere Möglichkeit einer Kombinationstherapie beim nichtsquamösen NSCLC besteht aus dem Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab mit dem Chemo-Backbone Carboplatin-nab-Paclitaxel, wobei Letzteres wöchentlich verabreicht werden muss. Die Studie IMPOWER-130 zeigt für diese Kombination eine HR für das Gesamtüberleben von 0,79 bzw. ein OS von 18,6 Monaten im Median.10
Einen Schritt weiter geht die IMPOWER-150-Studie, welche die Kombination Atezolizumab mit Carboplatin/Paclitaxel um den Angiogenesehemmer Bevacizumab ergänzt. Bei positiven Ergebnissen für die Gesamtkohorte mit einem mittleren Überleben von knapp 20 Monaten und einer HR von 0,76 verglichen mit der Chemo-Bevacicumab-Kombination scheint vor allem die Subgruppe der Patienten mit Lebermetastasierung sowie Vorliegen einer EGFR-Treibermutation zu profitieren.11
Dies ist insbesondere von Interesse, als treibermutierte Tumoren in der Regel aus Immuntherapiestudien ausgeschlossen werden. Das letzte Update dieser Studie vom diesjährigen ESMO zeigt ein interessantes OS von knapp 28 Monaten bei EGFR-mutierten Patienten mit Tyrosinkinaseinhibitor-Vortherapie.
Die gängigste Chemo-Immuntherapie-Kombination für das plattenepitheliale NSCLC wird in KEYNOTE-407 abgebildet und besteht aus Pembrolizumab mit Carboplatin und einem Taxan, bevorzugt Paclitaxel. Die Daten bei einer Ansprechrate von über 60% sind gut, das mittlere Überleben ist mit 17 Monaten allerdings naturgemäß kürzer als in den zuvor genannten Studien zum nichtsquamösen NSCLC.12
Die gepoolte Analyse der KEYNOTE-Studien 189, 407 und 21G verdeutlicht nochmals das gute Ansprechen der Chemo-Immunkombinationen bei PD-L1-negativen Patienten (Abb.2).13
Abb. 2: Gesamtüberleben (OS) von PD-L1-negativen Patienten unter Chemotherapie (CT) + Pembrolizumab vs. alleinige Chemotherapie (modifiziert nach Paz-Ares L et al. 2019)13
Immuntherapeutische Kombinationstherapie
Ein völlig anderer Ansatz einer Kombinationstherapie besteht in der Verwendung zweier Immuntherapeutika, indem neben der Blockade der PD-1-Achse in der Tumorumgebung bereits im Lymphknoten durch Blockade des CTLA-4 Rezeptors eine vermehrte T-Zell-Aktivierung ermöglicht wird.
Dieser Ansatz wurde in CHECKMATE-227 untersucht. Das mehrarmige Studiendesign war komplex: Der koprimäre Endpunkt des Gesamtüberlebens in der Gruppe der PD-L1-positiven Patienten war zwar positiv, die absolute Verlängerung des OS um lediglich zwei Monate allerdings überschaubar, sodass der Antrag auf EMA-Zulassung zurückgezogen wurde. Auffallend ist das Durchhängen der OS- bzw. PFS-Kurven in den ersten Monaten, wennkeine Chemotherapie eingesetzt wird.14
Um das initiale Ansprechen zu verbessern, wurde in CHECKMATE-9LA die Nivolumab-Ipilimumab-Kombination um zwei Induktions-Chemotherapiezyklen ergänzt. Tatsächlich teilten sich die OS-Kurven daraufhin bereits früh auf. Das mittlere Überleben für beide histologische Hauptgruppen war positiv, auch alle PD-L1-Subgruppen profitieren nahezu ident mit Hazard-Ratios für das Gesamtüberleben zwischen 0,61 und 0,66. Vorsicht ist bezüglich des Nebenwirkungsprofils geboten, bei einem Viertel der Patienten kam es zu Nebenwirkungen höheren Grades. Der genaue Zulassungstext dieser Kombination ist noch ausständig und Expertenmeinungen bezüglich des bevorzugten Einsatzgebietes sind bislang divergent, wenngleich sich das PD-L1-negative Plattenepithelkarzinom als Favorit herauskristallisiert.15
Fazit
Die Messung der PD-L1-Expression auf Tumorzellen ist derzeit der einzige Biomarker mit breiter Verfügbarkeit und klinischer Relevanz. Bei einer PD-L1-Expression ≥50% kann eine Monotherapie bereits als Erstlinie eingesetzt werden. Die Kombination einer Chemotherapie mit einer Immuntherapie kann PD-L1-unabhängig mit nachgewiesener Wirksamkeit für alle Subgruppen eingesetzt werden. Die ersten Ergebnisse zur Kombination von Antikörpern gegen CTLA-4 und PD-1 im Verbund mit Induktionschemotherapie sind trotz relevanter Toxizität vielversprechend.
Literatur:
1 Horn L et al.: J Clin Oncol 2017; 35(35): 3924-33 2 Fehrenbacher L et al.: J Thorac Oncol 2018; 12(8): 1156-70 3 HerbstRS et al.: Lancet 2016; 387(10027): 1540-50 4 Reck M et al.: N Engl J Med 2016; 375(19): 1823-33. 5 Aguilar EJ et al.: Ann Oncol 2019; 30(10): 1653-9 6 Herbst R: Vortrag vom 9.November 2019 am SITC 2019 7 Rodriguez-Abreu D et al.: ASCO 2020; Abstract No.9582 8 Sezer A et al.: ESMO 2020; Abstract No. LBA52 9 Gandhi L et al.: N Engl J Med 2018; 378(22): 2078-92 10 West H et al.: Lancet Oncol 2019; 20(7): 924-37 11 Socinski MA et al.: N Engl J Med 2018; 378(24): 2288-301 12 Paz-Ares L et al.: N Engl J Med 2018; 379(21): 2040-51. 13 Paz-Ares L et al.: ESMO 2019; AbstractNo. 4134 14 Hellmann MD et al.: New Engl J Med 2019; 381(21): 2020-31 15 Reck M et al.: ASCO 2020; Abstract No. 9501
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