© Atemwegsliga/AG Lungensport

63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)

Ambulanter Lungensport: Was ist zu beachten?

Lungensport – eine der wichtigsten nicht medikamentösen Therapieoptionen bei der Behandlung von Atemwegspatienten – ist dosiertes körperliches Training (Muskelaufbau, Ausdauer- und Alltagstraining) ergänzt durch Entspannungsverfahren, Spiele, Schulungen und den Erfahrungsaustausch unter Betroffenen (Hilfe zur Selbsthilfe).

Keypoints

  • Lungensport ist kein Leistungssport, sondern ein speziell dosiertes und angepasstes Training für Patienten mit Atemwegserkrankungen.

  • Assessment-Tools unterstützen die Einschätzung und Bewertung der empfundenen bzw. tatsächlichen Belastung.

  • Ziel ist ein Gleichgewicht zwischen Pausen zum Erholen und Kräfte sammeln und einer Phase der körperlichen oder mentalen Aktivität ohne Überlastung.

  • Angestrebt wird die Umsetzung der elernten Elemente in den Patientenalltag.

Auch wenn Mobilität und mobil sein ein Grundbedürfnis ist – und ein wichtiger Parameter für die eigene Lebensqualität: Mobilität ist nicht nur die Bewegung im geografischen Raum, evtl. auch mit Hilfsmittel, sondern sie ist auch wichtig für die Teilhabe am sozialen Umfeld. Voraussetzung für die Mobilität als Teilhabe und im geografischen Raum ist aber die mentale Steuerung (Entscheidung, Willen, Koordination der Muskelbewegung, …) und damit die Bereitschaft, sich zu bewegen/sich aufzuraffen. Hierdurch wird dann die Lebensqualität wesentlich zum Positiven hin beeinflusst und man setzt ein Zeichen für seine selbstständige Lebensführung, seine Lebensfreude und sein Krankheitsmanagement. Mobilitätsbarrieren entstehen manchmal auch einfach im Kopf und führen zu sozialer Isolation.

Durchführung und Indikationen

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Abb. 1: Lungensport fördert die Selbstständigkeit im Alltag, das Selbstwertgefühl und die Mobilität der Betroffenen

Lungensport stellt eine Anleitung zur lebensbegleitenden Therapie und Aktivität bei Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung dar. Unter der Anleitung von entsprechend geschulten und zertifizierten Übungsleitern (Grundausbildung in D: Innere Medizin und die Refresher-Lehrgänge alle 2 Jahre) werden Patienten der kompletten Spannbreite der Atemwegserkrankungen im Regelfall einmal wöchentlich für 60–90 Minuten trainiert und geschult (Abb. 1).

Dabei holen die geschulten Übungsleiter alle Teilnehmer beim Training im Rahmen ihrer individuellen Leistungsfähigkeit ab, um sowohl Unterforderung und daraus resultierender Lustlosigkeit als auch Überforderung/Überlastung (bis hin zu Atemnotsanfällen) und daraus resultierender Angst vor Belastung entgegenzuwirken.

Ziel ist es, dass alle unterschiedlichen Patientengruppen durch ihre Teilnahme am Lungensport sowohl für ihre körperliche Leistungsfähigkeit als auch ihre Bewältigung der Alltagsbelastungen profitieren und somit ihre Krankheit selbstständig managen können. Die Selbstständigkeit im Alltag, das Selbstwertgefühl des Betroffenen und die Mobilität werden hierdurch gefördert.

Allerdings gilt es zu beachten: Lungensport ist kein Leistungssport, sondern ein speziell dosiertes und angepasstes Training für Patienten mit:

  • Asthma bronchiale

  • chronischer Bronchitis

  • COPD mit bzw. ohne Lungenemphysem

  • einer Sauerstofflangzeittherapie (LTOT)

  • pulmonaler Sarkoidose

  • Alpha-1-Antitrypsinmangel

  • Bronchiektasen

  • Lungenfibrose

  • Z.n. Lungenoperationen

  • Z.n. Pneumonie

  • Z.n. einer Covid-19-Erkrankung bzw. Long Covid mit einem Schwerpunkt Lunge

  • eingeschränkter/reduzierter Lungenfunktion (erwachsene Frühgeborene)

Inhalte und Ziele

Im Bereich Atmung werden folgende Inhalte vermittelt: Bewusstmachung und Wahrnehmung der Atmung, Erlernen und Schulung der Lippenbremse (wichtigste Selbsthilfetechnik), atemerleichternde Körperpositionen (richtiges Stützen wird oft vergessen!!), Ökonomisierung der Atemarbeit vor allem unter Alltagsbelastungen (Reduzierung des Atemhilfsmuskel-Einsatzes und Vertiefung der Atmung), die verschiedenen Atemformen (Bauchatmung, Brustkorbatmung, Nierenatmung, Flankenatmung), Bewusstmachung des Atemweges, Steigerung der Thorax- und Schulterbeweglichkeit, Verbesserung der Atemmuskelkraft und Mobilisation des Zwerchfells, Reduzierung der Belastungsdyspnoe bzw. der Angst vor der Atemnot unter Belastung, Erlernen von hilfreichen und alltagstauglichen Entspannungstechniken.

Im Bereich Training: Erhalt und Training der Ausdauerleistung, allgemeiner Muskelaufbau, Steigerung der physischen Belastbarkeit, Wahrnehmung und Verschiebbarkeit der Leistungsgrenzen, Dehnung der Muskulatur, Vermeidung von Schonverhalten und Gelenkversteifungen, Koordinationstraining, Konzentrations- und Gedächtnistraining, Osteoporoseprophylaxe, Dehnungen, körperliche Aktivität pro Tag steigern und stabilisieren, Verbesserung des Körpergefühls und der Körperwahrnehmung.

Bereich Schulung: Sekretmobilisation, Hustentechniken und Hustendisziplin, Nasenhygiene, Notfallverhalten – auch vonseiten des Partners (ein möglicher Punkt u.a.: Wie erkläre ich es z.B. meinem Enkelkind), Hilfsmittelschulung (Rollator, Geräte zur Sekretolyse, …), Wissensvermittlung zur Krankheit und zum Krankheitsmanagement, Informationen zum Krankheitsmanagement und Hygieneschulung in Bezug z.B. auf Sauerstofflangzeittherapie und Alltagsverhalten, Vermittlung von weiteren Selbsthilfetechniken, Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und Aufbau von sozialen Kontakten, Reduzierung der Exazerbationshäufigkeit, Stärkung/Stabilisierung des Immunsystems.

Bereich Alltag: Vermeidung belastender Atemformen bei Alltagsbelastungen und -situationen (z.B. Heben, Reden bzw. Streiten, Gehen oder Husten usw.), alltagsorientiertes Training, z.B. in Form eines Alltagstrainingszirkels (Spülmaschine ausräumen, Wäsche aufhängen, aufstehen und hinlegen, Rollator-Parcours usw.), richtiges und damit effektives, alltagsorientiertes Treppensteigen, gemeinsames Erarbeiten eines umsetzbaren Heimprogramms, Unfall- und Sturzprophylaxe (Atemwegspatienten holen aktuell in den Sturzstatistiken aufgrund falsch eingestellter Hilfsmittel bzw. nicht festen Schuhwerks leider gerade auf).

Differenzierung aufgrund der unterschiedlichen Belastbarkeiten

In den Lungensport-Übungsstunden ist es wichtig, dass durch den Übungsleiter – bei der funktionellen Gymnastik, dem Gehtraining, den Spielen, dem Alltags-Trainingszirkel – Belastungs-Differenzierungen angeboten werden, z.B. durch unterschiedliche Ausgangspositionen, Zusatzaufgaben, Streckenerweiterungen usw.

Für ein sinnvolles und effektives Training bedarf es Assessment-Tools zur Einschätzung und Bewertung der empfundenen bzw. tatsächlichen Belastung. Hier ist die modifizierte Borg-Skala (Abb. 2) eine kostengünstige und einfach einsetzbare Alternative, um sowohl für den Trainierenden das subjektive Anstrengungsempfinden zu definieren als auch für den Therapeuten bzw. Übungsleiter die Belastungsintensität zu steuern (z.B. mittels Daumenzeig, Daumen hoch/waagrecht/nach unten). Weiters stehen die Pulsoximetrie und die Erfassung der 10-Sekunden-Atemfrequenz zur Belastungssteuerung zur Verfügung.

Abb. 2: Modifizierte Borg-Skala zur Steuerung der Belastungsintensität (Quelle: AG Lungensport in Deutschland e.V.)

Die Intensität richtet sich nach den unterschiedlichen Belastbarkeiten der Teilnehmer, den benötigten Hilfsmitteln (Sauerstoffgeräte, Rollator, Trolley usw.) und den zusätzlichen Begleiterkrankungen (metabolisches Syndrom, Diabetes, Osteoporose, psychische Erkrankungen, Depression, Brain Fog, Herzerkrankungen, pulmonale Hypertonie usw.). Wichtig ist es hierbei, ein Gefühl für die eigenen Grenzen zu entwickeln, deren Verschiebbarkeit zu erleben und zu differenzieren zwischen angenehmer Erschöpfung (innerhalb der eigenen Grenzen) und einer Grenzüberschreitung (Überbelastung, Reizüberflutung, …).

Ziel ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Pausen zum Erholen und Kräftesammeln und einer Phase der körperlichen oder mentalen Aktivität ohne Überlastung. Im Rahmen der Trainingssteuerung bedeutet dies auf der einen Seite eine Feststellung der Schwierigkeiten und Probleme des Einzelnen in seinem Alltag, der räumlichen Gegebenheiten, der Vorstellungen und Erwartungen des Patienten – auch der Bereitschaft –und auf der anderen Seite das gemeinsame Erstellen eines individuellen Trainingsplans. Hierzu gehören auch das Einüben von veränderten Bewegungsabläufen, der Aufteilung von Bewegungen in einzelne Teilsegmente sowie die Schulung des Bewegungstempos mittels Borg-Skala (idealerweise an mehreren Stellen im Übungsraum angebracht). Grundlage hierfür ist aber im Vorfeld eine ausführliche Schulung der Atemtechnik „Lippenbremse“ und der verschiedenen atemerleichternden Körperpositionen.Genauso wichtig ist dann die Umsetzung durch die Teilnehmer in ihren Alltag – zusätzlich zu den täglichen Belastungen.

Fazit

Lungensport lohnt sich: Die Teilnehmer am Lungensport profitieren vom Training, den Heimprogrammen zur Überbrückung bis zum nächsten Termin, der verbesserten Bewältigung der alltäglichen Belastungen und von den sozialen Kontakten und nicht zuletzt von der Gruppendynamik und -motivation.

bei der Verfasserin

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