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Gesundheit und Politik

ÖÄK-Präsident Steinhart plant eigenes Corona-Expertengremium

Wien - Seit Ende der Vorwoche ist Johannes Steinhart Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Im Gespräch mit universimed.com erklärt er, warum er ein eigenes Corona-Expertengremium einsetzen möchte und weshalb es beim Wahlarztsystem für ihn kaum Verhandlungsspielraum gibt.

universimed: Die Regierung hat entschieden, die Impfpflicht abzuschaffen. Ist diese Entscheidung aus Ihrer Sicht evidenzbasiert?

Johannes Steinhart: Ich denke, das war eine politische Entscheidung. Wir sind natürlich dafür, dass die Menschen impfen gehen. Unser Ansatz ist aber, zu informieren und aufzuklären. Darum spielen bei diesem Thema die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen eine wichtige Rolle, weil durch sie die persönliche Beratung erfolgt.

universimed: Es war also eine politische Entscheidung, keine evidenzbasierte.

Johannes Steinhart: Das ist schwer zu beurteilen. Es gibt Experten, die hier beraten. Evident ist, dass man die Leute überzeugen sollte, sich beraten und auch impfen zu lassen.

universimed: Wären Sie Teil des Beraterstabes der Regierung: Was würden Sie – auch angesichts der aktuellen Infektionszahlen – den politisch Verantwortlichen für den Sommer und die Vorbereitungen im Herbst empfehlen?

Johannes Steinhart: Ich selbst bin Urologe, kein Virologe oder Epidemiologe. Wir werden aber ein Expertengremium einrichten, und daraus wird sich die Meinungsbildung der Ärztekammer entwickeln.

universimed: Sie planen für die ÖÄK ein eigenes Corona-Gremium?

Johannes Steinhart: Ja, wir sind gerade dabei, entsprechende Strukturen zu gestalten und Personen dafür zu gewinnen. Ich halte das für eine verantwortungsvolle Vorgehensweise, schließlich haben wir die Experten unter uns. Und auf dieser Basis werden wir auch entsprechende Empfehlungen geben können.

<< Ich sehe es durchaus positiv, dass in der Ärzteschaft nun auch eine andere Meinung vertreten ist.>>

universimed: Sie haben es zuvor schon angesprochen: Die Hausärzte spielen bei der Beratung der Patienten eine zentrale Rolle. Welche Aufgabe kommt auf die Kollegen zu, wenn es um die anstehenden Auffrischungsimpfungen geht – auch vor dem Hintergrund, dass innerhalb der ÖÄK einige Impfskeptiker vertreten sind?

Johannes Steinhart: Ich sehe es durchaus positiv, dass in der Ärzteschaft nun auch eine andere Meinung vertreten ist. Damit kann man den Dialog direkt und authentisch führen, und nicht über politische Umwege. Wir können sehen, wer wo steht. Aber prinzipiell ist schon zu sagen, dass innerhalb der großen Mehrheit der Ärzteschaft der Ratschlag zur Impfung gegeben wird. Und dem entsprechend werden auch die Patienten beraten.

universimed: Die Wahlärzte sind seit geraumer Zeit im Visier der Gesundheitspolitik. Der Wunsch geht dahin, diese Gruppe stärker in das öffentliche Gesundheitssystem zu integrieren. Gibt es einen kleinsten gemeinsamen Nenner, den Sie mit der Politik finden könnten?

Johannes Steinhart: Für uns ist diese Diskussion eigentlich nicht nachvollziehbar. Die Wahlärzte sind inzwischen durchaus eine Stütze des bestehenden Systems. Es ist ein Versagen der Politik, dass man es offenbar verabsäumt hat, Strukturen zu schaffen, damit es ausreichend Ärzte gibt. Seit 15 Jahren warnen wir vor der Pensionierungswelle. Aber es wurde so getan, als ob das Fantasien seien. Jetzt tritt ein, wovor wir gewarnt haben: Es sind einfach zu wenige Ärzte im niedergelassenen Bereich da. Dazu kommt, dass die Rahmenbedingungen nicht entsprechend attraktiviert worden sind. Vor diesem Hintergrund jetzt die Wahlärzte in irgendeine Verpflichtung zu drängen oder ihnen einen Zwang aufzuerlegen, ist unglaublich. Man ist fassungslos. Das ist DDR 4.0.

universimed: Es gibt aus Ihrer Sicht in dieser Frage also keinen Kompromiss? Ein Ansatz vonseiten des derzeitigen stv. Obmanns der ÖGK, Andreas Huss, geht ja in die Richtung, die Kostenerstattung zu streichen. Was würde das bedeuten?

Johannes Steinhart: Man kann das gerne alles streichen, dann gibt es eben Privatärzte. Aber eines ist für mich klar: Der freie Arzt bedeutet in Österreich, dass ich mein Handeln prioritär nach medizinischen Grundsätzen gestalte – und nicht nach politischen, ökonomischen oder bürokratischen. Das sollte sich auch in der Politik herumsprechen. Und es sollte klar sein, dass das nicht nur für den niedergelassenen Bereich gilt, sondern auch für das Spital. Es handelt sich dabei nicht um ein Privileg, sondern es ist das Recht des Patienten, dass ihn jemand behandelt, der diesem Prinzip unterliegt.

<< Man kann gerne alles streichen, dann gibt es eben Privatärzte>>

universimed: Wie müssten sich die Rahmenbedingungen ändern, damit Wahlärzte ins Kassensystem wechseln?

Johannes Steinhart: Man wird noch flexiblere Verträge anbieten müssen, sich die Rahmenbedingungen ansehen und über Förderungen nachdenken müssen, damit jemand beispielsweise in bestimmte Regionen geht. Aber natürlich ist es auch eine Frage der Finanzierung: Wenn man sich manche Kassentarife ansieht, dann darf man sich nicht wundern, dass gerade junge Kollegen sagen: Gut, dann werde ich eben Wahlarzt. Dann habe ich zwar weniger Patienten, aber einen besseren Verdienst.

universimed: Das Delta zwischen Kassentarif und privatem Honorar zu schließen, ist aber wenig realistisch.

Johannes Steinhart: Natürlich ist das nicht spiegelgleich zu schaffen. Und es wird auch zum Teil über die Frequenz gehen. Aber es muss sich größenordnungsmäßig etwas entwickeln. Wir haben jetzt einmal einen neuen Leistungskatalog vorgelegt. Der liegt seit geraumer Zeit bei der ÖGK. Dort müsste man einmal sagen, was man sich vorstellt.

universimed: Kommen wir am Ende noch kurz zur ÖÄK selbst. In der ersten Aussendung nach Ihrer Bestellung haben Sie appelliert, Gemeinsames über Trennendes zu stellen und die zuletzt aufgetretenen Risse zu schließen. Welche Risse haben Sie gemeint?

Johannes Steinhart: Es gibt immer wieder Diskussionen zu verschiedensten Themen. Mir ist wichtig, dass wir auch intern einen guten Diskurs führen. Dafür wurde jetzt eine eigene Stabsstelle eingerichtet, die sich darum kümmern wird, zwischen den Bundesländern und der ÖÄK eine bessere Kommunikationsschiene zu entwickeln.

universimed: Wenn wir in die Zukunft sehen, konkret fünf Jahre voraus: Welche Projekte würden Sie dann rückblickend auf Ihre erste Amtszeit gerne als erledigt abhaken?

Johannes Steinhart: Ich möchte darauf zurückblicken, dass wir als Kammer miteinander wichtige Grundprinzipien wie vorhin schon besprochen gut vertreten haben – dazu gehört natürlich auch die Wertschätzung für die Ärzteschaft. Politisch gesehen wäre endlich eine adäquate Honorarentwicklung sowohl im angestellten als auch im niedergelassenen Bereich wichtig.

Vielen Dank für das Gespräch!


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

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