Therapie von Knorpelverletzungen

<p class="article-intro">Konservative Maßnahmen können die durch den Knorpelschaden bedingten Beschwerden lindern und die Progredienz der beginnenden Arthrose bremsen. Bei der medikamentösen Therapie sind dank der experimentellen Arthroseforschung der letzten 10 bis 15 Jahre neue Aspekte hinzugetreten. Die aktuell zur Verfügung stehenden operativen Behandlungsoptionen lassen sich in Transplantationsverfahren und knochenmarkstimulierende Techniken unterteilen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der intakte hyaline Knorpel stellt die Kongruenz der Gelenkfl&auml;chen her und erm&ouml;glicht ihre reibungsarme Beweglichkeit. Er reduziert Druck- und Scherbelastungen bzw. deren &Uuml;bertragung in die subchondralen Knochenstrukturen, wird durch die Menisken und die Kreuzb&auml;nder unterst&uuml;tzt und bildet eine wichtige funktionelle Einheit mit dem subchondralen Knochen. Der Gelenkknorpel des Erwachsenen besitzt weder Blutversorgung noch lymphatische Drainage noch neurale Elemente, zudem sind Chondrozyten von der Zufuhr der ern&auml;hrenden Substanzen aus der Synovialfl&uuml;ssigkeit und von den reparativen zellul&auml;ren Instrumenten durch die breite extrazellul&auml;re Matrix abgeschirmt. Dadurch sind die Knorpelzellen nur in F&auml;llen von kleinen Knorpelsch&auml;den mit minimalem Verlust der Matrixkomponenten in der Lage, durch Neusynthese der Proteoglykane die Knorpeloberfl&auml;che komplett wiederherzustellen. Bei gr&ouml;&szlig;eren Defekten ist dieser Regenerationsmechanismus &uuml;berfordert und es entstehen Dauersch&auml;den.<br /> Ein Knorpelschaden stellt eine h&auml;ufige, sowohl traumatisch als auch degenerativ bedingte Pathologie des Kniegelenkes dar. Bei arthroskopisch nach einem Knietrauma untersuchten Personen wurden in bis zu 42 % der F&auml;lle chondrale L&auml;sionen festgestellt. Akute Verletzungen des Gelenkknorpels entstehen entweder durch ein direktes Kontusionstrauma oder durch eine indirekte, das Gelenk verdrehende Verletzung. Sie sind h&auml;ufig mit den Rupturen des vorderen Kreuzbandes (VKB) assoziiert.<br /> Ein Knorpeldefekt kann sich aber auch infolge von anderen Verletzungen im Kniegelenk sekund&auml;r entwickeln. Es ist heute ausreichend belegt, dass schon ein Teilverlust des protektiven Meniskus im Kniegelenk zur Degeneration des Knorpels f&uuml;hrt und fr&uuml;her oder sp&auml;ter in einer Arthrose resultiert. Ein instabiles Kniegelenk f&uuml;hrt im Laufe der Zeit mit entsprechender Exposition bei aktiven Personen ebenfalls unweigerlich zu Knorpelsch&auml;den, wie die Spontanverl&auml;ufe nach nicht behandelten VKB-Rupturen eindrucksvoll belegen.<br /> Nach einem Verlust des Knorpelgewebes, ob traumatisch oder durch einen langsamen degenerativen Prozess, entsteht ein Knorpeldefekt, der die gesamte Knorpeldicke betreffen kann. Die Folgen sind Belastungsschmerzen und im Lauf der Zeit schlie&szlig;lich die Entstehung einer sekund&auml;ren, das gesamte Kniegelenk betreffenden Arthrose.</p> <h2>Beurteilung des Knorpelschadens</h2> <p>F&uuml;r die Beurteilung des Knorpelschadens sind Lokalisation, Ausdehnung und Tiefe wichtig. In Erweiterung der 4-stufigen Outerbridge-Klassifikation von 1961 wurde 2003 durch die International Cartilage Repair Society das &bdquo;ICRS Hyaline Cartilage Lesion Classification System&ldquo; ver&ouml;ffentlicht, das als internationale Standardklassifikation angesehen werden kann (Tab. 1).<br /> Die ideale Ausgangssituation f&uuml;r eine biologische Knorpelrekonstruktion stellt der isolierte, von gesundem Umgebungsgewebe begrenzte, vollschichtige Schaden traumatischer Genese mit intakter Gelenkfl&auml;che dar. Da diese Diagnose in der allt&auml;glichen Versorgungsmedizin eher die Ausnahme bildet, erscheint es auf Basis der verf&uuml;gbaren Literatur auch gerechtfertigt, die Indikation zur knorpelchirurgischen Therapie auf den begrenzten degenerativen Defekt auszudehnen, sofern dieser klinisch symptomatisch ist und der betroffene Patient eine ausreichende Compliance aufweist. Die Therapiem&ouml;glichkeiten sind hierbei jedoch auf die fr&uuml;hen Stadien eng umschriebener, jedoch nicht diffus-degenerativer Knorpelsch&auml;den begrenzt. Noch wichtiger als bei traumatischen Defekten ist es in diesen F&auml;llen, vor der knorpelrekonstruktiven operativen Intervention eine dezidierte Ursachenanalyse der Knorpelsch&auml;digung durchzuf&uuml;hren. Diese muss neben der bildmorphologischen Darstellung des Knorpelschadens (in der Regel mittels knorpelsensitiver MRT-Sequenzen) und des subchondralen Knochens auch eine Analyse der Geometrie des betroffenen Kniegelenks mit Ganzbeinaufnahme und ggf. Zusatzdiagnostik beinhalten. Diese Basisdiagnostik ist unbedingt erforderlich, da gerade bei nicht traumatischen Knorpelsch&auml;den eine adjuvante Begleittherapie f&uuml;r das Behandlungsergebnis ggf. von essenzieller Bedeutung ist. Die Basisuntersuchung umfasst: klinische Untersuchung, R&ouml;ntgenaufnahmen (Schussoder Rosenberg-Aufnahme), MRT mit knorpelspezifischen Sequenzen und eventuell das arthroskopische Bild.<br /> Das R&ouml;ntgen dient in erster Linie zum Ausschluss osteochondraler L&auml;sionen, der Beurteilung des Arthrosegrades, der Neigung des Schienbeinplateaus (Slope) und der Beinachse (Ganzbeinaufnahme im Stehen). Bei Verdacht auf Osteochondrosis dissecans kann auch eine Tunnelaufnahme, bei Verdacht auf Pathologien im Femoropatellargelenk eine Funktionsaufnahme (30&deg;&ndash;60&deg;&ndash;90&deg;) durchgef&uuml;hrt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s53_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="764" /></p> <h2>Konservative Behandlung</h2> <p>Die konservative Behandlung von Knorpelsch&auml;den ist zwar weit verbreitet, in vielen F&auml;llen wird jedoch nur symptomatisch durch die meist vorhandene antiphlogistische Wirkung der konservativen Ma&szlig;nahmen geholfen. Die Ursachen der Beschwerden werden mit den konservativen Mitteln nicht entscheidend beeinflusst &ndash; zumindest fehlen hierzu bis heute die die Wirksamkeit beweisenden objektiven Erfolgsparameter. In der Regel wird mit den konservativen Ma&szlig;nahmen versucht, die durch den Knorpelschaden bedingten Beschwerden zu lindern und vor allem die Progredienz der beginnenden Arthrose zu bremsen.<br /> Die Behandlung eines symptomatischen Knorpelschadens bzw. einer beginnenden Arthrose wird nicht selten initial mit Krankengymnastik, Physiotherapie, W&auml;rme- oder K&auml;lteapplikationen angegangen. Eine Gewichtsreduktion bzw. Belastungsoptimierung und gegebenenfalls externe Gelenkstabilisierung wie beispielsweise mit Arthroseorthesen am Kniegelenk erscheinen als sinnvolle Unterst&uuml;tzung dieser Ma&szlig;nahmen. Der Knorpelschaden bzw. die degenerativen Knorpelver&auml;nderungen selbst werden mit diesen Mitteln nicht verbessert, unter bestimmten Umst&auml;nden kann der Knorpel dennoch vor weiterer Degeneration gesch&uuml;tzt werden.<br /> Die Grundlagen der oralen medikament&ouml;sen Therapie von symptomatischen Knorpelsch&auml;den haben durch die experimentelle Arthroseforschung der letzten 10 bis 15 Jahre neue Aspekte hinzugewonnen. Die neben den schnell wirksamen NSAR und Analgetika angewendeten Arzneimittel werden auf Vorschlag der Osteoarthritis Research Society International (OARSI) hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in symptommodifizierende und strukturmodifizierende Substanzen eingeteilt.<br /> Die mit gro&szlig;em Abstand am h&auml;ufigsten eingesetzten Medikamente bei Arthrose sind nach wie vor die NSAR. Diese Substanzen wirken durch ihren analgetischen/antiphlogistischen Effekt rein symptomatisch und k&ouml;nnen bei starken Arthroseschmerzen mit niedrig dosierten Opioiden kombiniert werden. Die orale Zufuhr von Bestandteilen der Knorpelmatrix (z.B. D-Glukosaminsulfat, Chondroitinsulfat) hat in mehreren klinischen Studien mit Arthrosepatienten eine verl&auml;ssliche symptommodifizierende Wirkung gezeigt. Diese Substanzen geh&ouml;ren derzeit zu den gebr&auml;uchlichsten Basistherapeutika, obwohl der endg&uuml;ltige Beweis f&uuml;r die strukturmodifizierende Wirkung auf den Knorpel aussteht. Die Glykosaminoglykane (GAG) und andere Knorpelmatrixbestandteile k&ouml;nnen auch in Form von Nahrungszusatzmitteln supplementiert werden. Auch die direkte intraartikul&auml;re Applikation von symptommodifizierenden Substanzen hat ihren Stellenwert in der Therapie von Knorpelpathologien und Arthrose erhalten. In der Behandlung von begrenzten Knorpelsch&auml;den hat die Kortisontherapie keinen Stellenwert. Nur in F&auml;llen von fortgeschrittener Arthrose, z.B. zum Hinausz&ouml;gern einer Endoprothese, kann eine intraartikul&auml;re Kortisoninjektion indiziert sein. Die Hyalurons&auml;ure ist der Hauptbestandteil der Synovialfl&uuml;ssigkeit und ein Baustein des hyalinen Knorpels. Verschiedene Pr&auml;parate der Hyalurons&auml;ure werden in der Regel f&uuml;r 3&ndash;5 intraartikul&auml;re Injektionen im w&ouml;chentlichen Abstand angeboten. Diesen Substanzen wird neben einer antiphlogistischen auch eine anabole Wirkung zugeschrieben, zudem soll durch die Erh&ouml;hung von Viskosit&auml;t im Gelenk die Reibung herabgesetzt werden.</p> <h2>Biologische Behandlung</h2> <p>Die aktuell zur Verf&uuml;gung stehenden operativen Behandlungsoptionen zur biologischen Therapie von Knorpelsch&auml;den lassen sich in Transplantationsverfahren und knochenmarkstimulierende Techniken unterteilen. W&auml;hrend die autologe Knorpelzelltransplantation (ACT) und die osteochondrale Transplantation (OCT, OATS, Mosaikplastik) die Gruppe der Transplantationsverfahren repr&auml;sentieren, werden die arthroskopische Mikrofrakturierung und anbohrende Verfahren zu den knochenmarkstimulierenden Techniken gez&auml;hlt. Auf Basis der verf&uuml;gbaren Literatur stellt die arthroskopische Mikrofrakturierung das Verfahren mit der besten Evidenzlage unter den knochenmarkstimulierenden Therapien dar.<br /> Ob die Markraumer&ouml;ffnung klassisch, wie von Steadman beschrieben mit kubischen St&ouml;&szlig;eln zur Verdichtung der subchondralen Lamelle, durchgef&uuml;hrt werden soll oder ob es von Vorteil ist, zur urspr&uuml;nglichen Bohrtechnik zur&uuml;ckzukehren, die eine bessere Qualit&auml;t der in den Defekt eindringenden Zellen erm&ouml;glichen soll, ist Gegenstand aktueller Diskussionen und kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschlie&szlig;end bewertet werden. Es gilt jedoch als akzeptiert, dass durch knochenmarkstimulierende Techniken &uuml;berwiegend die Bildung von Faserknorpel induziert wird. Dieser scheint im direkten Vergleich bez&uuml;glich seiner histologischstrukturellen Qualit&auml;t dem eher hyalinartigen Regeneratknorpel nach ACT tendenziell unterlegen zu sein. Zu den klinischen Ergebnissen der Mikrofrakturierung liegen gro&szlig;e Fallserien vor, die eindeutig eine Wirksamkeit der Methode zeigen. In gro&szlig;en Metaanalysen erweist sich die Defektgr&ouml;&szlig;e jedoch als einschr&auml;nkender Faktor. Ebenso werden ein Patientenalter von &uuml;ber 40 Jahren und das Rauchen als prognostisch ung&uuml;nstig beschrieben. Neben dem Problem der Bildung intral&auml;sionaler Osteophyten, die charakteristischerweise und geh&auml;uft nach Mikrofrakturierung auftreten, ist in mehreren unabh&auml;ngigen Studien eine Verschlechterung der Ergebnisse nach wenigen Jahren beschrieben worden. Dies deutet auf eine begrenzte Haltbarkeit des typischen Faserknorpels nach Mikrofrakturierung &uuml;ber die Zeit hin.<br /> Der wichtigste limitierende Faktor bleibt jedoch die Defektgr&ouml;&szlig;e. &Auml;hnlich wie die osteochondrale Transplantation, bei der sicherlich in der Bewertung zwischen der klassischen Mosaikplastik und der Transplantation gr&ouml;&szlig;erer Zylinder (z.B. OATS) differenziert werden muss, ist die Mikrofrakturierung nicht zur Behandlung gro&szlig;er Knorpelsch&auml;den geeignet. Hieraus ergibt sich in diesem Bereich auch die Indikation zur ACT.<br /> Die Evidenzlage zur ACT hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Dies ist sicherlich auch auf die mittlerweile ver&auml;nderten gesetzlichen Rahmenbedingungen zur&uuml;ckzuf&uuml;hren, die f&uuml;r die EUweite Zulassung von ACT-Produkten analog den Forderungen zu Arzneimitteln einen Wirkungsnachweis durch entsprechende Studien fordern. Zwischenzeitlich wurde eine Reihe prospektiv-randomisierter Studien ver&ouml;ffentlicht, welche die ACT im direkten Vergleich mit Alternativverfahren bewerten. Diese Studien betreffen den Vergleich mit der OCT, der Abrasion und vor allem der arthroskopischen Mikrofrakturierung. Hinsichtlich der Bewertung der meisten dieser Studien ist erg&auml;nzend anzumerken, dass die EMA und in &auml;hnlicher Weise auch die US-amerikanische Zulassungsbeh&ouml;rde FDA zur Pr&uuml;fung der Wirksamkeit von ACT-Produkten zuletzt prospektiv randomisierte Studien im Vergleich zur arthroskopischen Mikrofrakturierung bei kleineren bis mittleren Knorpelsch&auml;den mit einer Gr&ouml;&szlig;e von bis zu 5cm<sup>2</sup> Defektfl&auml;che gefordert haben. Erg&auml;nzend zu den randomisierten Studien berichten auch einige Arbeiten &uuml;ber Langzeitergebnisse und stellen die dauerhafte Haltbarkeit des Regeneratknorpels nach ACT unter Beweis. S&auml;mtliche Arbeiten zeigen eine Verbesserung der Gelenkfunktion im Vergleich zum pr&auml;operativen Zustand.<br /> Zur biologischen Behandlung von posttraumatischen Knorpelsch&auml;den stehen folgende Behandlungstechniken zur Verf&uuml;gung: Refixation osteochondraler Fragmente, D&eacute;bridement, Mikrofrakturierung, osteochondraler Autograft (Mosaikplastik) und ACT + MACT. Weitere erg&auml;nzende Techniken sind: die Umstellungsosteotomie, osteochondrale Allografts, der unikompartimentelle Gelenksersatz und der totalendoprothetische Gelenkersatz.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s53_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="1073" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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