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Therapie der instabilen Schulter beim Sportler

<p class="article-intro">Ein instabiles Schultergelenk, vor allem bei jungen Athleten nach Trauma, stellt meist die Indikation zur operativen Sanierung dar. Die Komplexität des Verletzungsmusters verlangt nach einer genauen Anamnese, klinischen Untersuchung und adäquaten Bildgebung, um die optimale Therapie einleiten zu können. Traumatische Erstluxationen bei aktiven Patienten und Überkopfsportlern unter 30 Jahren führen bei einem konservativen Therapieversuch sehr häufig (bis zu 98 % ) zur Reluxation des betroffenen Schultergelenks.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Instabilit&auml;ten des Schultergelenks kommen h&auml;ufig vor. Ihre Inzidenz liegt bei 15/100 000. Neben traumatischen Luxationen stehen vor allem Instabilit&auml;ten und Subluxationen aufgrund von sportlicher oder beruflicher &Uuml;beraktivit&auml;t im Fokus der modernen Schulterdiagnostik. Oft unerkannt bleiben St&ouml;rungen am anderen Ende des Instabilit&auml;tsspektrums und im Bereich der angeborenen Bindegewebsschw&auml;chen.<br /> Betroffen sind meist Patienten zwischen 16 und 30 Jahren und Sportler h&ouml;heren Alters ab 50 Jahren, wobei hier meist als Begleitverletzung der traumatischen Luxation eine Rotatorenmanschettenl&auml;sion auftritt. Aufgrund der extrem hohen Wahrscheinlichkeit einer Reluxation bei jungen Sportlern steht bei diesem Patientenkollektiv die chirurgische Intervention im Vordergrund.<br /> Goldstandard der chirurgischen Versorgung bei Patienten ohne wesentlichen kn&ouml;chernen Defekt ist heute die arthroskopische Stabilisierung des Kapsel-Band- Apparates (je nach Lokalisation ventral oder dorsal). Bei kn&ouml;chernen Defekten und Frakturen in Verbindung mit einer Instabilit&auml;t oder Luxation, die von biomechanischer Relevanz sind, k&ouml;nnen derzeit sowohl arthroskopische als auch offene Verfahren zur Anwendung kommen.<br /> Bei Patienten mit einer frischen Verletzung (Abb. 1) kann nach Durchf&uuml;hrung eines konventionellen R&ouml;ntgenbildes auch eine MRT ohne Kontrastmittel vorgenommen werden, da das frische H&auml;matom ausreichend Kontrast bietet, um verletzte Strukturen aufzuzeigen. Bei chronischen, rezidivierenden F&auml;llen oder nicht frischer Verletzung sollte eine Kontrastmittel-MRT gemacht werden. Gibt es Hinweise auf eine kn&ouml;cherne Verletzung, sollte unbedingt eine CT-Untersuchung durchgef&uuml;hrt werden, um das Ausma&szlig; des Defektes an Glenoid und Oberarmkopf ausmessen zu k&ouml;nnen. Dadurch kann die richtige Operationsmethode geplant und der Patient &uuml;ber diese und vor allem auch &uuml;ber die sportlichen Einschr&auml;nkungen nach der Operation ad&auml;quat informiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s35_abb1.jpg" alt="" width="684" height="661" /></p> <h2>Arthroskopische Stabilisierung der instabilen Schulter &ndash; Goldstandard</h2> <p>Nach Lagerung des Patienten in Seitenlage oder nach Pr&auml;ferenz in &bdquo;Liegestuhlposition&ldquo; wird die Schulter &uuml;ber ein dorsales Optikportal eingesehen. Auffallend kann eine Hill-Sachs-L&auml;sion sein (Abb. 2, meist V-f&ouml;rmige Impression am Oberarmkopf als Abdruck des kn&ouml;chernen Glenoidrandes). Nach einem standardisierten Rundgang durch das Glenohumeralgelenk wird in den h&auml;ufigsten F&auml;llen eine klassische Bankart-L&auml;sion (Abb. 3) des anteroinferioren Labrums vorgefunden. Dies entspricht einer Abl&ouml;sung und gegebenenfalls Zerrei&szlig;ung desselben im vorderen unteren Glenoidanteil. Diese kann eventuell eine kn&ouml;cherne Mitbeteiligung haben. Der Knorpel am Glenoid kann bei chronischen und rezidivierenden F&auml;llen Schleifspuren (&bdquo;drive through sign&ldquo;) aufweisen.</p> <p>Es gilt, Sonderformen der L&auml;sionen des Kapsel-Labrum-Komplexes in Ausma&szlig; und Schweregrad der Sch&auml;digung, falls noch nicht in der Bildgebung geschehen, zu identifizieren und ebenso zu adressieren. Hierzu z&auml;hlen Labrumabrisse, die zusammen mit einem Knorpelfragment (mit und ohne Dislokation) bei intakter Kapsel vorkommen (GLAD, &bdquo;glenoid labral articular disruption&ldquo;).<br /> Wenn ein Abriss des Labrums mit Abhebung des Periosts am Skapulahals, jedoch ohne Riss der Kapsel vorliegt, wird dies als Perthes-L&auml;sion bezeichnet. Es besteht dann zus&auml;tzlich eine sackf&ouml;rmige Ausweitung der Gelenkskapsel. Da das Labrum in normaler Position liegen kann, ist die Gelenkspiegelung gegebenenfalls in ABER-Position (Au&szlig;enrotation und Abduktion) mit Provokation einer Abhebung des Labrums hier eventuell hilfreich.<br /> Sollte ein Abriss des Labrums sowie des Periosts am Skapulahals mit Dislokation des Labrums entlang des Skapulahalses nach medial bei intakter Kapsel vorliegen, liegt definitionsgem&auml;&szlig; eine ALPSA-L&auml;sion (&bdquo;anterior labroligamentous periostal sleeve avulsion&ldquo;) vor.<br /> Bei jungen &Uuml;berkopfsportlern wird manchmal eine Ausweitung des Verletzungsmusters in den superioren Labrumbereich und Ursprung der langen Bizepssehne vorhanden sein. Dies entspricht dann je nach Ausdehnung einer h&ouml;hergradigen SLAP-L&auml;sion (superiores Labrum von anterior nach posterior), die ebenfalls chirurgisch zu sanieren ist. Bei &auml;lteren Patienten ist meist eine Rotatorenmanschettenruptur als Begleitverletzung zu finden; diese gilt es mitzuversorgen. In 10 % der F&auml;lle wird ein sogenannter Buford-Komplex vorgefunden. Dies ist eine anatomische Normvariante des mittleren glenohumeralen Ligaments, die strangf&ouml;rmig (&bdquo;cordlike&ldquo;), vom Glenoid leicht abgehoben, vorliegt und keinesfalls zu refixieren ist.<br /> Um die vorliegende intraartikul&auml;re L&auml;sion versorgen zu k&ouml;nnen, empfiehlt es sich, ventral zwei kan&uuml;lierte Zug&auml;nge zu setzen. Das Rotatorenintervall bietet dazu knapp &uuml;ber der Subscapularissehne und ober- bzw. unterhalb der Bizepssehne ausreichend Platz. Im Bereich des abgel&ouml;sten Labrums erfolgt eine Anfrischung des Knochens, sodass kleine punktf&ouml;rmige Blutungen entstehen, um eine biologische Einheilung zu verbessern. Manchmal ist es notwendig, auch die Kapsel zu mobilisieren. Mittels arthroskopischer Instrumente wird danach der Kapsel-Labrum- Komplex gefasst und traditionellerweise mittels Faden- und/oder Band- und Ankersystems an den Knochen (Glenoid) zur&uuml;ckfixiert. In der Literatur wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Ankersystemen und Stichtechniken beschrieben. In den letzten Jahren haben sich knotenlose Systeme bew&auml;hrt. Biomechanisch und klinisch konnte bewiesen werden, dass diese dem Knotensystem ebenb&uuml;rtig, wenn nicht sogar aufgrund des verminderten intraartikul&auml;ren Fremdk&ouml;rpervolumens (fehlende Knoten) &uuml;berlegen sind.<br /> Die Fixation muss die Wiederherstellung der Labrumh&ouml;he, die Einheilung des Kapsel-Labrum-Komplexes und die Rezentrierung des Oberarmkopfs gew&auml;hrleisten. Es gilt, einen gleichm&auml;&szlig;igen Anpressdruck und eine optimale Blutversorgung zu erreichen und gegebenenfalls das Kapselvolumen zu reduzieren. Ein Gewebetransfer kaudaler Kapselanteile ist dazu meist notwendig. Kleine kn&ouml;cherne Absprengungen k&ouml;nnen so mitfixiert werden. Hintere Labruml&auml;sionen sind ebenfalls in oben beschriebener Technik chirurgisch zu adressieren. Eine Pr&uuml;fung der Beweglichkeit sowie der Stabilit&auml;t des Oberarmkopfes und seiner F&uuml;hrung ist intraoperativ unter Sicht durchzuf&uuml;hren. Bei Frakturen mit gr&ouml;&szlig;eren Knochenanteilen des Glenoids ist eine arthroskopische oder offene Verschraubung indiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s36_abb2+3.jpg" alt="" width="1417" height="646" /></p> <h2>Arthroskopische und offene Knochenblock- Operationen</h2> <p>Nach Mehrfachluxationen und/oder traumatischen Erstluxationen mit kn&ouml;chernen Defekten &uuml;ber 20 % der Glenoidfl&auml;che muss auch an die chirurgische Sanierung mittels Knochenblockaugmentation gedacht werden. Diese kann in offener/minimal invasiver oder arthroskopischer Weise durchgef&uuml;hrt werden.<br /> Eine M&ouml;glichkeit ist die Implantation eines Beckenkammspans in J-Form. Mit einem Remodeling-Prozess im Rahmen der Einheilung kann der Knochendefekt am Glenoidrand gut ausgeglichen werden. Um das Herausgleiten des Oberarmkopfes zu verhindern, kann auch die OP-Technik nach Latarjet angewandt werden. Hierbei wird der Rabenschnabelfortsatz (Processus coracoideus) mitsamt den ansetzenden Sehnen an die vordere kn&ouml;cherne Gelenkpfanne versetzt und mit zwei Schrauben fixiert. Beide OP-Techniken k&ouml;nnen arthroskopisch und minimal invasiv offen durchgef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Physiotherapie</h2> <p>Die postoperative Nachbehandlung nach einer Stabilisierungsoperation ist ebenso wichtig wie der operative Eingriff. Die Fixierung erfolgt in einer Schulterschlinge f&uuml;r zumindest 2 Wochen. Begleitet wird die Fixation von einem Rehabilitationsprogramm durch die Physiotherapie. Hierbei wird das Schultergelenk kontrolliert und dosiert mobilisiert, um Verklebungen des Bindegewebes vorzubeugen. In dieser Phase muss die Au&szlig;enrotationsbewegung vermieden werden. Ein kontinuierlicher Belastungs- und Bewegungsaufbau erfolgt im Anschluss, um die Schulter wieder muskul&auml;r zu stabilisieren.<br /> Die Aus&uuml;bung von Kontaktsport ist fr&uuml;hestens nach 6 Monaten m&ouml;glich.</p></p>
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