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Therapie der instabilen Schulter beim Sportler
Jatros
Autor:
Dr. Michael Hexel
UKH Meidling, Wien<br> E-Mail: mhexel1@me.com
30
Min. Lesezeit
13.07.2017
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<p class="article-intro">Ein instabiles Schultergelenk, vor allem bei jungen Athleten nach Trauma, stellt meist die Indikation zur operativen Sanierung dar. Die Komplexität des Verletzungsmusters verlangt nach einer genauen Anamnese, klinischen Untersuchung und adäquaten Bildgebung, um die optimale Therapie einleiten zu können. Traumatische Erstluxationen bei aktiven Patienten und Überkopfsportlern unter 30 Jahren führen bei einem konservativen Therapieversuch sehr häufig (bis zu 98 % ) zur Reluxation des betroffenen Schultergelenks.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Instabilitäten des Schultergelenks kommen häufig vor. Ihre Inzidenz liegt bei 15/100 000. Neben traumatischen Luxationen stehen vor allem Instabilitäten und Subluxationen aufgrund von sportlicher oder beruflicher Überaktivität im Fokus der modernen Schulterdiagnostik. Oft unerkannt bleiben Störungen am anderen Ende des Instabilitätsspektrums und im Bereich der angeborenen Bindegewebsschwächen.<br /> Betroffen sind meist Patienten zwischen 16 und 30 Jahren und Sportler höheren Alters ab 50 Jahren, wobei hier meist als Begleitverletzung der traumatischen Luxation eine Rotatorenmanschettenläsion auftritt. Aufgrund der extrem hohen Wahrscheinlichkeit einer Reluxation bei jungen Sportlern steht bei diesem Patientenkollektiv die chirurgische Intervention im Vordergrund.<br /> Goldstandard der chirurgischen Versorgung bei Patienten ohne wesentlichen knöchernen Defekt ist heute die arthroskopische Stabilisierung des Kapsel-Band- Apparates (je nach Lokalisation ventral oder dorsal). Bei knöchernen Defekten und Frakturen in Verbindung mit einer Instabilität oder Luxation, die von biomechanischer Relevanz sind, können derzeit sowohl arthroskopische als auch offene Verfahren zur Anwendung kommen.<br /> Bei Patienten mit einer frischen Verletzung (Abb. 1) kann nach Durchführung eines konventionellen Röntgenbildes auch eine MRT ohne Kontrastmittel vorgenommen werden, da das frische Hämatom ausreichend Kontrast bietet, um verletzte Strukturen aufzuzeigen. Bei chronischen, rezidivierenden Fällen oder nicht frischer Verletzung sollte eine Kontrastmittel-MRT gemacht werden. Gibt es Hinweise auf eine knöcherne Verletzung, sollte unbedingt eine CT-Untersuchung durchgeführt werden, um das Ausmaß des Defektes an Glenoid und Oberarmkopf ausmessen zu können. Dadurch kann die richtige Operationsmethode geplant und der Patient über diese und vor allem auch über die sportlichen Einschränkungen nach der Operation adäquat informiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s35_abb1.jpg" alt="" width="684" height="661" /></p> <h2>Arthroskopische Stabilisierung der instabilen Schulter – Goldstandard</h2> <p>Nach Lagerung des Patienten in Seitenlage oder nach Präferenz in „Liegestuhlposition“ wird die Schulter über ein dorsales Optikportal eingesehen. Auffallend kann eine Hill-Sachs-Läsion sein (Abb. 2, meist V-förmige Impression am Oberarmkopf als Abdruck des knöchernen Glenoidrandes). Nach einem standardisierten Rundgang durch das Glenohumeralgelenk wird in den häufigsten Fällen eine klassische Bankart-Läsion (Abb. 3) des anteroinferioren Labrums vorgefunden. Dies entspricht einer Ablösung und gegebenenfalls Zerreißung desselben im vorderen unteren Glenoidanteil. Diese kann eventuell eine knöcherne Mitbeteiligung haben. Der Knorpel am Glenoid kann bei chronischen und rezidivierenden Fällen Schleifspuren („drive through sign“) aufweisen.</p> <p>Es gilt, Sonderformen der Läsionen des Kapsel-Labrum-Komplexes in Ausmaß und Schweregrad der Schädigung, falls noch nicht in der Bildgebung geschehen, zu identifizieren und ebenso zu adressieren. Hierzu zählen Labrumabrisse, die zusammen mit einem Knorpelfragment (mit und ohne Dislokation) bei intakter Kapsel vorkommen (GLAD, „glenoid labral articular disruption“).<br /> Wenn ein Abriss des Labrums mit Abhebung des Periosts am Skapulahals, jedoch ohne Riss der Kapsel vorliegt, wird dies als Perthes-Läsion bezeichnet. Es besteht dann zusätzlich eine sackförmige Ausweitung der Gelenkskapsel. Da das Labrum in normaler Position liegen kann, ist die Gelenkspiegelung gegebenenfalls in ABER-Position (Außenrotation und Abduktion) mit Provokation einer Abhebung des Labrums hier eventuell hilfreich.<br /> Sollte ein Abriss des Labrums sowie des Periosts am Skapulahals mit Dislokation des Labrums entlang des Skapulahalses nach medial bei intakter Kapsel vorliegen, liegt definitionsgemäß eine ALPSA-Läsion („anterior labroligamentous periostal sleeve avulsion“) vor.<br /> Bei jungen Überkopfsportlern wird manchmal eine Ausweitung des Verletzungsmusters in den superioren Labrumbereich und Ursprung der langen Bizepssehne vorhanden sein. Dies entspricht dann je nach Ausdehnung einer höhergradigen SLAP-Läsion (superiores Labrum von anterior nach posterior), die ebenfalls chirurgisch zu sanieren ist. Bei älteren Patienten ist meist eine Rotatorenmanschettenruptur als Begleitverletzung zu finden; diese gilt es mitzuversorgen. In 10 % der Fälle wird ein sogenannter Buford-Komplex vorgefunden. Dies ist eine anatomische Normvariante des mittleren glenohumeralen Ligaments, die strangförmig („cordlike“), vom Glenoid leicht abgehoben, vorliegt und keinesfalls zu refixieren ist.<br /> Um die vorliegende intraartikuläre Läsion versorgen zu können, empfiehlt es sich, ventral zwei kanülierte Zugänge zu setzen. Das Rotatorenintervall bietet dazu knapp über der Subscapularissehne und ober- bzw. unterhalb der Bizepssehne ausreichend Platz. Im Bereich des abgelösten Labrums erfolgt eine Anfrischung des Knochens, sodass kleine punktförmige Blutungen entstehen, um eine biologische Einheilung zu verbessern. Manchmal ist es notwendig, auch die Kapsel zu mobilisieren. Mittels arthroskopischer Instrumente wird danach der Kapsel-Labrum- Komplex gefasst und traditionellerweise mittels Faden- und/oder Band- und Ankersystems an den Knochen (Glenoid) zurückfixiert. In der Literatur wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Ankersystemen und Stichtechniken beschrieben. In den letzten Jahren haben sich knotenlose Systeme bewährt. Biomechanisch und klinisch konnte bewiesen werden, dass diese dem Knotensystem ebenbürtig, wenn nicht sogar aufgrund des verminderten intraartikulären Fremdkörpervolumens (fehlende Knoten) überlegen sind.<br /> Die Fixation muss die Wiederherstellung der Labrumhöhe, die Einheilung des Kapsel-Labrum-Komplexes und die Rezentrierung des Oberarmkopfs gewährleisten. Es gilt, einen gleichmäßigen Anpressdruck und eine optimale Blutversorgung zu erreichen und gegebenenfalls das Kapselvolumen zu reduzieren. Ein Gewebetransfer kaudaler Kapselanteile ist dazu meist notwendig. Kleine knöcherne Absprengungen können so mitfixiert werden. Hintere Labrumläsionen sind ebenfalls in oben beschriebener Technik chirurgisch zu adressieren. Eine Prüfung der Beweglichkeit sowie der Stabilität des Oberarmkopfes und seiner Führung ist intraoperativ unter Sicht durchzuführen. Bei Frakturen mit größeren Knochenanteilen des Glenoids ist eine arthroskopische oder offene Verschraubung indiziert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s36_abb2+3.jpg" alt="" width="1417" height="646" /></p> <h2>Arthroskopische und offene Knochenblock- Operationen</h2> <p>Nach Mehrfachluxationen und/oder traumatischen Erstluxationen mit knöchernen Defekten über 20 % der Glenoidfläche muss auch an die chirurgische Sanierung mittels Knochenblockaugmentation gedacht werden. Diese kann in offener/minimal invasiver oder arthroskopischer Weise durchgeführt werden.<br /> Eine Möglichkeit ist die Implantation eines Beckenkammspans in J-Form. Mit einem Remodeling-Prozess im Rahmen der Einheilung kann der Knochendefekt am Glenoidrand gut ausgeglichen werden. Um das Herausgleiten des Oberarmkopfes zu verhindern, kann auch die OP-Technik nach Latarjet angewandt werden. Hierbei wird der Rabenschnabelfortsatz (Processus coracoideus) mitsamt den ansetzenden Sehnen an die vordere knöcherne Gelenkpfanne versetzt und mit zwei Schrauben fixiert. Beide OP-Techniken können arthroskopisch und minimal invasiv offen durchgeführt werden.</p> <h2>Physiotherapie</h2> <p>Die postoperative Nachbehandlung nach einer Stabilisierungsoperation ist ebenso wichtig wie der operative Eingriff. Die Fixierung erfolgt in einer Schulterschlinge für zumindest 2 Wochen. Begleitet wird die Fixation von einem Rehabilitationsprogramm durch die Physiotherapie. Hierbei wird das Schultergelenk kontrolliert und dosiert mobilisiert, um Verklebungen des Bindegewebes vorzubeugen. In dieser Phase muss die Außenrotationsbewegung vermieden werden. Ein kontinuierlicher Belastungs- und Bewegungsaufbau erfolgt im Anschluss, um die Schulter wieder muskulär zu stabilisieren.<br /> Die Ausübung von Kontaktsport ist frühestens nach 6 Monaten möglich.</p></p>
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