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Strategien zur Behandlung der posttraumatischen Arthrose nach Radiusfraktur

Mit einer Inzidenz von 190/100000 pro Jahr stellt die distale Radiusfraktur (DRF) eine der häufigsten Verletzungen der oberen Extremität dar. Ist sie im fortgeschrittenen Alter meist eine Folge vor allem von Stürzen in der Ebene und tritt aufgrund der reduzierten Knochenqualität auf, findet sich die DRF bei jungen Erwachsenen häufig nach einem Hochrasanztrauma.1 Die radiokarpale Arthrose nach DRF kann sowohl nach konservativer als auch operativer Therapie auftreten und stellt eine schwerwiegende Komplikation dar. Sie führt zu sehr störenden Bewegungseinschränkungen und anhaltenden Schmerzen.

In den letzten Jahren hat sich die palmare winkelstabile Plattenosteosynthese als Standardbehandlung der Radiusfraktur durchgesetzt. Es konnten verbesserte funktionelle Ergebnisse in der frühen Rehabilitationsphase nachgewiesen werden.2 Es existieren jedoch auch Studien, die hinsichtlich Funktion und Komplikationen keine Unterschiede zur konservativen Therapie beschreiben.3 Ein zwar besseres radiologisches Ergebnis ist für den Patienten im Alltag sicher zweitrangig. Vor allem bei älteren Patienten ist diesbezüglich eine kritische Einschätzung der gewählten Therapieoption sinnvoll.

Als Ursachen für die Entwicklung einer posttraumatischen Radiokarpalarthrose findet sich meist:

  • eine verbleibende Gelenkstufe: Bereits eine Stufe von über 2mm birgt ein erhöhtes Risiko.4

  • ein Repositionsverlust während der Therapie

  • ein Durchschneiden der Schrauben in das Radiokarpalgelenk

Die präoperative Diagnostik umfasst ein Röntgen des Handgelenks in 2 Ebenen sowie eine CT-Untersuchung, um einerseits die Schwere und Ausdehnung der Arthrose (radiokarpal und mediokarpal) zu beurteilen, andererseits die eventuell vorhandene Verkippung der Handwurzelknochen darstellen zu können. Besteht eine symptomatische radiokarpale Arthrose, stehen nach Ausschöpfung aller konservativer Maßnahmen folgende operative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Denervierung des Handgelenks

Der Vorteil der Denervierung ist der Erhalt der Beweglichkeit bei einer Reduktion der Schmerzen. Sie stellt einen etablierten Rettungseingriff bei Radiokarpalarthrose dar, wobei sich hier vor allem die partielle Denervierung des Handgelenks durchgesetzt hat. Diese wurde erstmals 1988 von Berger mittels dorsalseitiger Inzision am Unterarm und Neurektomie des N. interosseus anterior (AIN) und posterior (PIN) durchgeführt.5

Technik der partiellen Denervierung

3–4cm Längsinzision dorsalseitig am Unterarm, 1 Querfinger ulnar und 2 Querfinger proximal des Tuberculum Lister; Präparation durch die Subcutis und Darstellen sowie Längsspalten der Unterarmfaszie; Aufsuchen des PIN zwischen den Muskeln des Extensor digitorum communis und Extensor indicis proprius auf der Membrana interossea und Resektion des Nervs von 2cm Länge. Die Enden werden koaguliert. Inzision der Membrana interossea und Aufsuchen des AIN, der in derselben Weise auf einer Strecke von 2cm reseziert wird.

Arthrolyse

Die Arthrolyse kommt als operative Therapie infrage, wenn der Patient weitgehend schmerzfrei ist, die Kontraktur der Gelenkkapsel klinisch im Vordergrund steht und Fehlstellungen im Radiokarpalgelenk sowie Radioulnargelenk ausgeschlossen sind. Die Indikation zur Arthrolyse ist daher nur beschränkt und unter sehr speziellen Voraussetzungen empfehlenswert.

Partielle Handgelenksarthrodese

Die Indikation zur radioscapholunären Arthrodese (RSL-Arthrodese) ist die isolierte Radiokarpalarthrose bei intaktem Mediokarpalgelenk. Durch die Versteifung zwischen Mondbein, Kahnbein und Radius wird die Bewegungsachse weg vom arthrotisch veränderten Gelenk ins Mediokarpalgelenk verlagert. Die RSL-Arthrodese sollte erst dann durchgeführt werden, wenn alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft sind, es trotzdem nach mindestens 6-monatiger Therapie zu keiner Beschwerdebesserung gekommen ist und alle korrigierbaren Fehlstellungen im radiokarpalen oder distalen Radioulnargelenk ausgeschlossen sind.6

Technik der RSL-Arthrodese

Durch den von uns bevorzugten Zugang von palmar kann noch vorhandenes Osteosynthesematerial nach Speichenverplattung im selben Zugang entfernt werden. Die Platte kommt – so wie auch bei der Verplattung des Radius – tiefer zu liegen, was zu weniger Sehnenirritationen führt. Ein vorhandener Zugang kann nach distal radial verlängert werden. Nach Hautschnitt über dem Flexor carpi radialis und Eingehen in die Unterarmfaszie radial der Sehne erfolgen die stumpfe Präparation in die Tiefe und das Weghalten der Flexor-pollicis-longus-Sehne nach ulnar. Sollte sich der Pronator quadratus noch vorhanden zeigen, wird er längs inzidiert und von der Speiche scharf abgelöst. Weiter distal werden die palmaren V-Bänder dargestellt und das Lig. radioscaphocapitatum wird längsgespalten. Darstellen des Skaphoids und des Lunatums. Sollten sich eine Fehlstellung des Lunatums im Sinne einer „dorsal intercalated segment instability“ (DISI) oder „volar intercalated segment instability“ (VISI) oder ein erweiterter scapholunärer (SL) Spalt zeigen, wird dies zuerst mit einem 1,2 mm dicken Bohrdraht, der als Joystick in das Lunatum und Skaphoid eingebracht wird, korrigiert. Dies ist wichtig, da jede Fehlstellung des Lunatums in weiterer Folge zu einer Anschlussdegeneration im Mediokarpalgelenk führt.

Nach Reposition wird ein temporärer Bohrdraht vom Skaphoid in das Lunatum eingebracht. Danach erfolgt die Osteotomie der palmaren Lippe unter Bildwandlerkontrolle, wobei ulnarseitig ein kleiner Steg belassen wird, um die Bänder des DRUG nicht zu desinserieren.

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Abb. 1

Nun wird das distale Ende des Skaphoids entfernt, um das STT-Gelenk zu entsperren. Dies führt vor allem zu einer Verbesserung der Radialduktion und der knöchernen Heilungsrate.7–9 Unter maximaler Extension des Handgelenks erfolgt die Entknorpelung von Skaphoid, Lunatum und Radius. Zeigt sich das SL-Band intakt, ist die radiokarpale Entknorpelung ausreichend. Es werden jetzt temporär das Lunatum und das Skaphoid mit einem Bohrdraht an der Speiche fixiert, unter exakter Einstellung des Lunatums. Anbringen einer winkelstabilen palmaren 2,5-Trilock-RSL-Platte (Medartis, Aptus), die analog der Speichenabstützplatte zunächst im Gleitloch mit einer Kortikalisschraube fixiert wird (Abb. 1).

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Abb. 2

Nach korrekter Positionierung werden jeweils 2 Schrauben im Skaphoid und Lunatum fixiert. Entfernung der temporären Bohrdrähte. Nach Lockerung der Schraube im Gleitloch wird ein Codman-Distraktor eingesetzt, um die radiale Verkürzung auszugleichen, und die Schraube wird im Gleitloch anschließend erneut fixiert. Besetzen der Schrauben im Schaftbereich winkelstabil. Die gewonnene Spongiosa aus dem entfernten Kahnbeinpol sowie der palmaren Lippe kann nun in den radiokarpalen Spalt eingebracht werden. Schichtweiser Wundverschluss und Ruhigstellung für 5 Wochen in thermoplastischer Schiene.

Während der Operation ist darauf zu achten, dass das Mediokarpalgelenk nicht tangiert wird, da dies zu einer sekundären Arthrose führen kann, die die Indikation zur kompletten Arthrodese sein kann (Abb. 2).

Komplette Handgelenksarthrodese

Kommt es posttraumatisch zu einer fortgeschrittenen radiokarpalen oder auch mediokarpalen Arthrose, stellt die komplette Versteifung des Handgelenks eine gute Behandlungsmöglichkeit dar. Wurde diese von Mannerfelt u. Malmsten im Jahr 1971 noch mit einem Stab vom 3. Mittelhandknochen zum distalen Radius erreicht, hat sich die Technik hin zur winkelstabilen Plattenosteosynthese weiterentwickelt. Hierbei sind Techniken mit und ohne Inkludierung des 3. Mittelhandknochens mit vergleichbaren Ergebnissen beschrieben.

Handgelenksendoprothese

Auch hier stellt die Hauptindikation die Panarthrose des Handgelenks dar. Da sich die Indikation v.a. bei jüngeren Patienten stellt, müssen die Langlebigkeit wie auch die Belastbarkeit der Prothese in die Überlegungen mit einbezogen werden. Da Langzeitergebnisse bei den sich rasch weiterentwickelnden Implantaten fehlen und die Implantate für eine schwere Belastung nicht ausgelegt sind, ist die Indikation zur Endoprothese des Handgelenkes kritisch zu stellen.

1 Quadlbauer S et al.: Functional and radiological outcome of distal radius fractures stabilized by volar-locking plate with a minimum follow-up of 1 year. Arch Orthop Trauma Surg 2020; 140: 843-52 2 Quadlbauer S et al.: Early rehabilitation of distal radius fractures stabilized by volar locking plate: a prospective randomized pilot study. J Wrist Surg 2016; 6(2): 102-12 3 Song J et al.: Comparison of conservative and operative treatment for distal radius fracture: a meta-analysis of randomized controlled trials. Int J Clin Exp Med 2015; 8(10): 17023-35 4 Knirk JL, Jupiter JB: Intra-articular fractures of the distal end of the radius in young adults. J Bone Joint Surg Am 1986; 68(5): 647-59 5 Berger RA: Partial denervation of the wrist: a new approach. Tech Hand Up Extrem Surg 1998; 2(1): 25-35 6 Pezzei C et al.: Behandlung der radiokarpalen Arthrose nach distalen Radiusfrakturen. Handchirurgie Scan 2021; 10(2): 133-50 7 Garcia-Elias M, Lluch A: Partial excision of scaphoid: is it ever indicated? Hand Clin 2001; 17(4): 687-9 8 Garcia-Elias M et al.: Treatment of radiocarpal degenerative osteoarthritis by radioscapholunate arthrodesis and distal scaphoidectomy. J Hand Surg Am 2005; 30(1): 8-15 9 Mühldorfer-Fodor M et al.: Results after radioscapholunate arthrodesis with or without resection of the distal scaphoid pole. J Hand Surg Am 2012; 37(11): 2233-9

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