
©
Getty Images/iStockphoto
Sonografie der Säuglingshüfte: Brennpunkt Ausbildung
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Catharina Chiari, MSc
Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Wien<br> E-Mail: catharina.chiari@meduniwien.ac.at<br> Arbeitskreis für Kinderorthopädie, Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
30
Min. Lesezeit
28.03.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Der Arbeitskreis für Kinderorthopädie der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (ÖGO) hat Empfehlungen festgelegt, die eine standardisierte Ausbildung für die Sonografie der Säuglingshüfte garantieren sollen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Methode der Hüftsonografie nach Graf ist eine Erfolgsgeschichte, die von vielen Experten als nobelpreisverdächtig bezeichnet wurde und wird. Was macht sie so einmalig? Die Standardisierung – sowohl in der Durchführung der Untersuchung, der Auswertung der Sonogramme als auch in der die Therapie. Graf hat die Bezeichnung „Checkliste“ analog zum Flugwesen in seine Methodik eingeführt. Diese „Checklisten“ dienen der Vermeidung von Fehlern und garantieren die Sicherheit der Methode.<br /> Das Hüftdysplasie-Screening mit der Hüftsonografie nach Graf funktioniert fehlerfrei – vorausgesetzt, der Untersucher hält sich minutiös an die Abfolge der einzelnen Schritte bei der Sonografie zur Erstellung eines auswertbaren Sonogramms. Nach 3 Jahrzehnten laufender Weiterentwicklung und Optimierung lassen sich klare Eckpfeiler definieren: anatomische Identifizierung (Checkliste 1), Brauchbarkeitsprüfung (Checkliste 2), deskriptive Einteilung in 4 Hüfttypen, Messtechnik mit drei Linien und Bestimmung von Alpha- und Betawinkel, Feintypisierung mit dem Sonometer. Essenziell sind auch eine korrekte Abtasttechnik und die Vermeidung von Kippfehlern sowie ein korrekter Befund, der aus zwei zeitversetzten Sonogrammen (eines mit und eines ohne Messlinien) und dem dazugehörigen Befund (deskriptive Typisierung, Vermessung und Angabe der therapeutischen Konsequenz) besteht.<sup>1</sup><br /> Die Datenlage zeigt, dass die Einführung des systematischen Hüftscreenings zu einer Reduktion der offenen Repositionen und Beckenoperationen in Österreich geführt hat und kosteneffektiv ist. 2011 verglich Tschauner Kohorten von Patienten der orthopädischen Abteilung Stolzalpe aus der Zeit vor und nach Einführung des systematischen sonografischen Screenings und konnte eine Abnahme operativer Eingriffe, eine größere Anzahl an erfolgreichen konservativen Therapien und eine Reduktion der Hüftkopfnekroserate feststellen.<sup>2</sup> Weiters sind die Arbeiten der Universitätsklinik für Orthopädie in Innsbruck von Thaler et al. 2011 und ganz rezent von Biedermann 2018 zu erwähnen, die für die Tiroler Population zeigen konnten, dass die Behandlungskosten gesenkt wurden und die Rate an offenen Repositionen und auch Korrekturoperationen von Spätdyplasien durch ein universelles Hüftdysplasie- Screening mit Sonografie und damit durch frühen Behandlungsbeginn abnahm.<sup>3, 4</sup> Eine Studie aus dem Orthopädischen Spital Speising, Wien, publiziert von Thallinger et al. 2014, konnte anhand von österreichweiten Daten des Gesundheitsministeriums darstellen, dass es durch die Einführung des Screeningprogrammes zu einer hochsignifikanten Abnahme der offenen Hüftrepositionen und Beckenoperationen, sowie auch der stationären Behandlungen von Patienten mit Hüftdysplasie kam.<sup>5</sup><br /> Im deutschsprachigen Raum ist das Hüftdysplasie-Screening mit der Hüftsonografie integraler Bestandteil der Vorsorgeprogramme. Im angloamerikanischen Raum gibt es weiterhin Tendenzen, die (nicht standardisierte) klinische Untersuchung mit selektivem Ultraschall als ausreichende Screening-Methode zu propagieren bzw. keine klaren Empfehlungen aufgrund unzureichender Evidenz abzugeben. Die Studien, die diesen Empfehlungen zugrunde liegen, berufen sich jedoch auf Arbeiten, die andere (dynamische) Sonografiemethoden beinhalten bzw. die korrekte Anwendung der Methode nach Graf bezweifeln lassen, wenn man die dort abgebildeten Sonogramme kritisch durchleuchtet.<sup>6, 7</sup> Erfreulicherweise wurde 2018 eine Studie aus Großbritannien publiziert, in der selektives mit universellem Ultraschallscreening nach Graf verglichen wurde. Hier konnte die Effektivität des universellen Screening-Programmes gezeigt werden: Die Anzahl der konservativen Behandlungen war höher als in der selektiv gescreenten Gruppe, der Behandlungsbeginn war früher, die Anzahl an offenen Repositionen und Beckenoperationen war geringer.<sup>8</sup><br /> Die Hüftsonografie nach Graf ist eine orthopädische Kernkompetenz. Vor dem Hintergrund des neuen Faches für Orthopädie und Traumatologie stehen wir vor der Aufgabe, eine größere Anzahl an Ärztinnen und Ärzten als bisher auszubilden und das Fachwissen zum Thema Hüftsonografie der Säuglingshüfte in kürzerer Zeit als bisher zu vermitteln. Nur eine limitierte Anzahl an Abteilungen hat die Möglichkeit, hausintern ein Neugeborenen-Screening durchzuführen, da vor allem kleinere Häuser keine Geburtshilfe anbieten. Viele Ultraschalluntersuchungen werden im niedergelassenen Bereich stattfinden, da strukturelle Änderungen, wie die Zunahme ambulanter Geburten und auch die Personalknappheit seitens der Ärzte (Stichwort Arbeitszeitgesetz), dazu führen, dass das lückenlose Screening im Spital nicht immer garantiert werden kann. Nicht zuletzt spricht Graf selbst von einem Phänomen analog zur „Impfmüdigkeit“, da die Erinnerung an die Zeiten der Prä-Screening-Ära und die tägliche Konfrontation mit den Folgen unerkannter Dysplasien verloren geht.<sup>2</sup><br /> Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass der Arbeitskreis für Kinderorthopädie der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (ÖGO) die Initiative ergriffen hat, das Thema Ausbildung in der Sonografie der Säuglingshüfte zu bearbeiten und Empfehlungen festzulegen. Diese sollen sowohl den Ausbildungsverantwortlichen als auch den in Ausbildung Stehenden helfen, eine standardisierte Ausbildung zu garantieren.<br /> Die Empfehlungen betreffen zum einen Leitlinien zur Ausbildung und Durchführung der Sonografie der Säuglingshüfte (Methode nach Graf) als auch die Struktur der Ausbildungskurse, die in aufbauenden Stufen absolviert werden können. Alle aktuell geltenden Regelungen betreffend Rasterzeugnis und Richtfallzahlen als auch Vorgaben der Ärztekammer bezüglich der Abrechnung bzw. Rückverrechnung mit den Sozial- und Krankenfürsorgeträgern im niedergelassenen Bereich wurden berücksichtigt. Es wurde auch die Weiterbildung integriert, die die Absolvierung eines Refresherkurses alle 5 Jahre vorsieht, um die Qualität für praktizierende Kolleginnen und Kollegen abzusichern. Solche Kurse sollen zukünftig im Rahmen von wissenschaftlichen Tagungen angeboten werden. Alle Ausbildungskurse, die aktuell in Österreich stattfinden, sind auf den Homepages der ÖGO (<a href="http://www.orthopaedics. % 20or.at" target="_blank">www.orthopaedics. or.at</a>) und ÖGOuT (<a href="http://www.oegout. % 20at" target="_blank">www.oegout. at</a>) zu finden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s31_tab1.jpg" alt="" width="500" height="394" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s32_tab2.jpg" alt="" width="750" height="1013" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Tschauner C et al.: Developmental dysplasia of the hip: impact of sonographic newborn hip screening on the outcome of early treated decentered hip joints-a single center retrospective comparative cohort study based on Graf's method of hip ultrasonography. J Child Orthop 2011; 5(6): 415-24 <strong>2</strong> Tschauner C, Matthiessen HD, Graf R: Methodische Eckpunkte der Hüftsonografie nach Graf. State of the art 2018. OUP 2018; 7: 010–013 <strong>3</strong> Thaler M et al.: Cost-effectiveness of universal ultrasound screening compared with clinical examination alone in the diagnosis and treatment of neonatal hip dysplasia in Austria. J Bone Joint Surg Br 2011; 93(8): 1126-30 <strong>4</strong> Biedermann R et al.: Results of universal ultrasound screening for developmental dysplasia of the hip. Bone Joint J 2018; 100-B(10): 1399-404 <strong>5</strong> Thallinger C et al.: Long-term results of a nationwide general ultrasound screening system for developmental disorders of the hip: the Austrian hip screening program. J Child Orthop 2014; 8(1): 3-10 <strong>6</strong> Shorter D, Hong D, Osborne DA: Cochrane review: Screening programmes for developmental dysplasia of the hip in newborn infants (review). Evid Based Child Health 2013; 8(1): 11–54 <strong>7</strong> Loder RT, Skopelja EN: The epidemiology and demographics of hip dysplasia. ISRN Orthop 2011; 2011: 238607 <strong>8</strong> Westacott DJ et al.: Universal versus selective ultrasound screening for developmental dysplasia of the hip: a single-centre retrospective cohort study. J Pediatr Orthop B 2018; 27(5): 387-90</p>
</div>
</p>