Röntgengezielte Schmerztherapie: ein Tool für Diagnostik und Therapie

<p class="article-intro">Bildwandler- und CT-gezielte Infiltrationsverfahren sind mittlerweile vor allem im Bereich der Wirbelsäule aus der modernen Schmerztherapie kaum mehr wegzudenken. Hat man früher gerade im Bereich der Lendenwirbelsäule von bis zu 85 % unspezifischer Schmerzzustände gelesen, so kann man heute mithilfe der hochselektiven Betäubung einzelner suspizierter Schmerzgeneratoren die Hauptbeschwerdeursachen in einem Großteil der Fälle festmachen. Auch therapeutisch lassen sich diese Infiltrationsmethoden hervorragend nutzen und in manchen Fällen durch weiterführende interventionelle – oft neuroablative, also denervierende – Verfahren ergänzen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>R&ouml;ntgengezielte schmerztherapeutische Verfahren sind sowohl diagnostisch als auch therapeutisch einsetzbar.</li> <li>Der Bildwandler/C-Bogen ist der Computertomografie hinsichtlich interventioneller Therapie am Bewegungsapparat meist &uuml;berlegen.</li> <li>Neben dem Haupteinsatzgebiet an der Wirbels&auml;ule entwickeln sich auch zunehmend mehr M&ouml;glichkeiten rund um gro&szlig;e Gelenke.</li> <li>Interessierten Kollegen seien die Hands-on-Kurse der Spine Intervention Society (www.spineintervention.org) sowie am Orthop&auml;dischen Spital Speising (www.ceops.at) empfohlen.</li> </ul> </div> <p>Wiewohl im Bereich der Radiologie interventionelle Punktionsverfahren, also die mittels Bildgebung kontrollierte F&uuml;hrung von Kan&uuml;len oder Kathetern, schon lange zum Standard geh&ouml;ren, hat sich die interventionelle Schmerztherapie rund um den Bewegungsapparat vor allem in Europa verh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig sp&auml;t entwickelt. W&auml;hrend r&ouml;ntgengesteuerte Injektionen in vielen Teilen der Welt zumeist von Radiologen oder An&auml;sthesisten durchgef&uuml;hrt werden, bedienen sich hierzulande auch immer mehr Orthop&auml;den dieser M&ouml;glichkeiten.<br /> Nach Ansicht des &ndash; zugegebenerma&szlig;en selbst orthop&auml;dischen, also wohl nicht g&auml;nzlich objektiven &ndash; Autors haben Letztere den Vorteil, im Rahmen der Indikationsstellung neben der Interpretation der vorliegenden Bildgebung auch in der eigenst&auml;ndigen Erhebung klinischer Untersuchungsbefunde rund um den Bewegungsapparat ausgebildet zu sein.</p> <h2>Einsatzgebiete</h2> <p>Haupteinsatzgebiet der interventionellen Schmerztherapie am Bewegungsapparat ist sicherlich die Wirbels&auml;ule, wobei sowohl lokale Schmerzen an Hals-, Brustoder Lendenwirbels&auml;ule wie auch in Arme oder Beine ausstrahlende Schmerzen behandelbar sind. Auch vertebragene Kopfschmerzen lassen sich in vielen F&auml;llen elegant und anhaltend lindern.<br /> Abgesehen davon entwickeln sich aber auch zunehmend mehr M&ouml;glichkeiten im Bereich der gro&szlig;en Gelenke, wo vor allem perkutan neuroablative, also denervierende, Verfahren zum Einsatz kommen.</p> <h2>Interventionelle Therapien an der Wirbels&auml;ule</h2> <p><strong>Epidurale Infiltrationen</strong><br /> Die klassischen und meist auch dankbarsten Indikationen stellen Ischialgien, verursacht durch akute Bandscheibenvorf&auml;lle, dar. Im Rahmen einer gemeinhin als Nervenwurzelblockade bezeichneten Technik wird die durch den Bandscheibenvorfall bedr&auml;ngte Nervenwurzel mit einem Gemisch aus Lokalan&auml;sthetikum und Kortikoid umsp&uuml;lt, somit werden die epiduralen Gleitschichten mobilisiert und die suspizierte Radikulitis wird kalmiert. In vielen F&auml;llen l&auml;sst sich damit eine anhaltende Schmerzlinderung bis zur nat&uuml;rlichen Volumenreduktion des Bandscheibenvorfalls erreichen. Aber auch durch meist degenerativ bedingte Ver&auml;nderungen wie Vertebrostenosen und Neuroforamenstenosen verursachte Nervenwurzelirritationen lassen sich auf diese Art und Weise oftmals erstaunlich lange bes&auml;nftigen.<br /> Es l&auml;sst sich durch die genannten Techniken somit eine vor&uuml;bergehende, relativ beg&uuml;nstigende Wirkung im Sinne eines Abschwellens vor allem des periradikul&auml;ren Gewebes erreichen; eine reale, anhaltende Volumenreduktion der Strukturen ist hingegen nicht m&ouml;glich. In beiden F&auml;llen sollte daher jedenfalls mittels Heilgymnastik und Haltungskorrektur versucht werden, die durch die Ver&auml;nderungen eingeschr&auml;nkten intraspinalen Platzverh&auml;ltnisse zu optimieren. Da sich gerade degenerative Ver&auml;nderungen aber selten auf nur ein Segment der Wirbels&auml;ule beschr&auml;nken, ist auch der diagnostische Wert dieser Infiltrationstechniken in Hinblick auf das notwendige Ausma&szlig; eines etwaigen chirurgischen Vorgehens hervorzuheben.<br /> Neben den erw&auml;hnten Nervenwurzelblockaden sind auch interlamin&auml;re oder &uuml;ber den Hiatus sacralis applizierte Sp&uuml;lungen des Wirbelkanals mit ausreichend Volumen und ebenso Zusatz eines Kortikoids therapeutisch meist sehr erfolgreich und mittels Bildgebung auch gut kontrollierbar.</p> <p><strong>M&ouml;glichkeiten bei Facettgelenks- und ISG-Schmerzen</strong><br /> Neben den erw&auml;hnten Nervenwurzelkompressionssyndromen verursachen oft auch die Zwischenwirbelgelenke Schmerzen, welche abgesehen vom typischen Lokalschmerz auch je nach Lokalisation durchwegs in Kopf, Arme oder Beine ausstrahlende Beschwerden verursachen k&ouml;nnen. Oft sind die schmerzurs&auml;chlichen Gelenke auch anhand der Bildgebung im Sinne aktivierter Spondylarthrosen identifizierbar. &Auml;hnliches gilt f&uuml;r die seltener auftretenden, vom Iliosakralgelenk (ISG) ausgehenden Schmerzen. Neben der intraartikul&auml;ren Infiltration, welche meist problemlos auch ultraschallgezielt umsetzbar w&auml;re, gibt es auch hier die M&ouml;glichkeit der Denervierung der schmerzhaften Gelenke mittels perkutaner neuroablativer Verfahren. Daf&uuml;r sind jedenfalls zuvor r&ouml;ntgengezielte Testinfiltrationen erforderlich und erst bei positivem Ansprechen darauf ist die r&ouml;ntgengezielte Denervierung mittels spezieller Radiofrequenzkan&uuml;len m&ouml;glich.<br /> Die gelegentlich von ergussbeladenen Facettgelenken ausgehenden intraspinalen Zysten k&ouml;nnen ebenso wie andere Raumforderungen in diesem Bereich neurokompressiv wirken. Auch eine Punktion und eventuell Sprengung dieser Zysten ist interventionell m&ouml;glich. Diese Indikation ist angesichts der mehrdimensionalen Komplexit&auml;t oftmals bevorzugt mittels CT-Kontrolle zu behandeln.</p> <p><strong>Ans&auml;tze bei diskogenen Schmerzen</strong><br /> Die derzeit wohl am intensivsten diskutierte Schmerzentit&auml;t rund um die Wirbels&auml;ule ist der diskogene, also bandscheibenbedingte, Schmerz. Im Gegensatz zum Zwischenwirbelgelenksschmerz zeigt der anzunehmende diskogene Schmerz nur eine sehr umschriebene Ausstrahlungstendenz. W&auml;hrend er vielerorts generell infrage gestellt wird, philosophiert man andernorts &uuml;ber die pathomorphologischen Korrelate im Sinne einer auch bildgebenden Darstellungsm&ouml;glichkeit der schmerzhaften Bandscheiben.<br /> Relativ einig ist man sich &uuml;ber die Relevanz der aktivierten Osteochondrosen als Schmerzgeneratoren; im gleichen Ausma&szlig; uneinig ist man sich &uuml;ber die Pathogenese derselben. Entsprechend der ungekl&auml;rten Entstehungsursache fehlt auch bis heute eine kausale Therapie hierf&uuml;r. Als urs&auml;chlich diskutiert werden neben lokalen Durchblutungsst&ouml;rungen auch Instabilit&auml;ten und &bdquo;Low grade&ldquo;-Infekte. Letztere stellen nach Ansicht des Autors die schl&uuml;ssigste Erkl&auml;rung dar. Lokale Durchblutungsst&ouml;rungen sind in Anbetracht der nahezu gesetzm&auml;&szlig;ig ober- und unterhalb einer Bandscheibe auftretenden &Ouml;demzeichen in den Wirbelk&ouml;rperendplatten eher unwahrscheinlich. Instabilit&auml;ten entstehen &ndash; diversen radiologischen Studien aus den fr&uuml;hen 1990er-Jahren zufolge &ndash; als Konsequenz der Bandscheibendegeneration und nicht umgekehrt.<br /> Im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts wird die lange Zeit verp&ouml;nte Diskografie, also die gezielte Punktion der fraglich schmerzenden Bandscheibe, durch den Autor wieder h&auml;ufiger durchgef&uuml;hrt, auf die fr&uuml;her zu Vergleichszwecken geforderte Schmerzprovokationspunktion einer gesunden Referenzbandscheibe hingegen verzichtet. Es wird dabei ein Antibiotikum appliziert, welches letztlich den Verdacht auf einen &bdquo;Low grade&ldquo;-Infekt erh&auml;rten oder m&ouml;glichst entkr&auml;ften soll.<br /> Risse im Faserkern der Bandscheibe, welche mittels immer h&ouml;her aufl&ouml;sender MRT auch immer h&auml;ufiger diagnostiziert werden (&bdquo;anular tear&ldquo;, fr&uuml;her auch &bdquo;high intensity zone&ldquo;), d&uuml;rften wenn &uuml;berhaupt nur eine untergeordnete Rolle in Hinblick auf den diskogenen Schmerz spielen.<br /> L&auml;ngere Zeit wenig angewandte intradiskale Radiofrequenzverfahren, wie beispielsweise die intradiskale elektrothermale Therapie (IDET) oder die Biacuplastie, erfahren in letzter Zeit vermehrt Beachtung in kontrollierten Studien, was letztlich auch zu einem ernstzunehmenden Evidenzlevel in einigen systematischen Reviews f&uuml;hrte. Ziel dieser Therapieverfahren ist die Ablation der hypothetisch neu eingesprossten Nerven&auml;ste in die eigentlich nicht innervierte Bandscheibe. Auch chemische intradiskale Denervierungsversuche mittels Methylenblau sind beschrieben, aber ohne nennenswerte Evidenz.</p> <p><strong>Katheterverfahren bei intraspinalen Adh&auml;sionen</strong><br /> Intraspinale narbige Adh&auml;sionen werden in erster Linie im Rahmen des Post-Diskektomie- Syndroms vermutet und sind des &Ouml;fteren auch mittels MRT verifizierbar. Die chirurgische Revision ist, abgesehen von erschwerten intraoperativen Bedingungen, auch angesichts der drohenden neuerlichen Narbenbildung eine oft undankbare Aufgabe. Als alternativer Therapieversuch steht die perkutane Adh&auml;siolyse mittels Epiduralkatheter zur Verf&uuml;gung &ndash; ein Verfahren, das bereits vor knapp 40 Jahren von Prof. Gabor B. Racz erstbeschrieben wurde und sich seither vor allem im angloamerikanischen Raum gro&szlig;er Beliebtheit erfreut. Die Datenlage in diesem Zusammenhang spricht f&uuml;r einen Evidenzlevel II, was den der Epiduroskopie mit zus&auml;tzlichen interventionellen M&ouml;glichkeiten (Evidenzlevel III) &uuml;bertrifft.</p> <h2>Gro&szlig;e Gelenke</h2> <p>Perkutane, denervierende Techniken sind am H&uuml;ft- und Kniegelenk am weitesten entwickelt und untersucht und stellen somit eine Therapiealternative dar, sofern eine chirurgische, auch funktionsverbessernde Sanierungsm&ouml;glichkeit nicht gew&uuml;nscht oder m&ouml;glich ist. Diese Verfahren sind auch nach erfolgter endoprothetischer Versorgung bei entsprechendem Restschmerz anzudenken. Mithilfe neuromodulierender, also nicht denervierender, Verfahren lassen sich auch an der Schulter gute, aber leider meist innerhalb weniger Monate nachlassende Erfolge erzielen. W&auml;hrend am Knieund Schultergelenk im g&uuml;nstigsten Fall kombiniert r&ouml;ntgen- und ultraschallgezielt gearbeitet wird, ist dies am H&uuml;ftgelenk ein rein r&ouml;ntgengezieltes Unterfangen.</p> <h2>Bildwandler/C-Bogen vs. Computertomograf</h2> <p>Weithin verbreitet ist die Annahme, dass Infiltrationen im Computertomografen denen im Bildwandler, also dem CBogen, vorzuziehen sind. Abgesehen von der h&ouml;heren Strahlenbelastung f&uuml;r den Patienten bei der CT-gesteuerten Infiltration ist dies auch in fachlicher Hinsicht nicht haltbar: Bei Infiltrationen unter R&ouml;ntgen versucht man, mittels Kontrastmittel nicht nur die Zielstruktur darzustellen, sondern vor allem auch einen etwaigen Gef&auml;&szlig;anschluss mit folglich anzunehmendem Abfluss der Wirksubstanzen auszuschlie&szlig;en, was einerseits die lokale Wirkung mindern und andererseits systemische Nebenwirkungen zeitigen w&uuml;rde. Dies ist naturgem&auml;&szlig; nur mittels Echtzeitdarstellung des Kontrastmittelabflusses m&ouml;glich, was unter Bildwandlerkontrolle wesentlich einfacher, kontrastmittelsparend sowie strahlendosis&auml;rmer m&ouml;glich ist.<br /> Gerade im Bereich der Halswirbels&auml;ule wird vielfach die Computertomografie favorisiert, was in Anbetracht der ausgesprochen hohen Gef&auml;&szlig;dichte paravertebral ebendort nicht sinnvoll erscheint. Bei einigen wenigen Indikationen wie beispielsweise der Punktion von intraspinalen Facettgelenkszysten kann aber auch die Computertomografie ihre zweifellos vorhandenen Vorz&uuml;ge der simultanen, mehrdimensionalen Darstellungsm&ouml;glichkeiten ausspielen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s56_abb1.jpg" alt="" width="550" height="312" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1902_Weblinks_jatros_ortho_1902_s56_abb2.jpg" alt="" width="550" height="312" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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