<p class="article-intro">Dieser Artikel soll eine kurze Übersicht über die Operationsvorbereitung bei periprothetischen Frakturen aus internistischer Sicht geben.</p>
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<p class="article-content"><p>Durch die steigende Lebenserwartung und die steigende Anzahl der Gelenkersatzoperationen ergibt sich automatisch eine steigende Inzidenz periprothetischer Frakturen (PPF). In verschiedenen Studien wird für postoperative PPF nach Totalendoprothese (TEP) der Hüfte eine Inzidenz von bis zu 18 % , für TEP des Knies bis zu 5,5 % und TEP der Schulter bis zu 3 % genannt. Noch häufiger treten PPF nach Revisionsoperationen auf, mit Berichten von bis zu 30 % nach Revisionsoperation einer Knieprothese. Davon sind überwiegend geriatrische Patienten mit verminderter Knochenqualität und höherer Krankheitslast betroffen.<br /> Eine weitere Besonderheit der Versorgung von PPF im Vergleich zu primären Frakturen liegt in der längeren präoperativen Liegedauer wegen der OP-Planung, der OP-Dauer selbst, dem meist deutlich komplexeren und aufwendigeren chirurgischen Vorgehen, der damit einhergehenden größeren Wundfläche und den jeweils damit verbundenen Problemen und Komplikationen (längere Narkosedauer, hämodynamische Instabilität, erhöhte Volumensubstitution, Blutverlust, Eiweißverlust, höheres Infektionsrisiko etc.). Dies ist insofern von Bedeutung, als bei Durchsicht der Literatur eine deutlich schlechtere Datenlage zur Versorgung von PPF, verglichen mit der Behandlung von primären Frakturen oder gar dem elektiven Gelenksersatz, vorliegt und somit vermehrt Erkenntnisse aus diesen Bereichen zur Anwendung kommen.</p> <h2>Charakterisierung der Patienten</h2> <p>Bei der überwiegenden Zahl der PPF ist eine absolute Versorgungsnotwendigkeit gegeben und ein konservatives Vorgehen (strikt palliativer Zugang, Lebensende) nur selten möglich. Auch bei bettlägerigen Patienten ist die operative Versorgung zum Erreichen einer ausreichenden Schmerzkontrolle und einer patientengerechten Versorgung durch die Pflege notwendig.<br /> Das mittlere Durchschnittsalter der Patientinnen (Anteil an Frauen bis zu 80 % ) mit einer PPF wird mit 74,6 Jahren angegeben. Etwa drei Viertel aller Patientinnen haben eine schwere Osteoporose oder eine rheumatoide Arthritis (Platzer et al.). Die Mortalität ist mit 13 % nach dem ersten Jahr und fast 16 % nach eineinhalb Jahren sehr hoch, der kombinierte Endpunkt Mortalität und Reoperation betrifft fast ein Viertel (24 % ) aller Patientinnen.<br /> Ein weiterer epidemiologischer Faktor sind die Komorbiditäten. Dazu liegt für PPF kaum verwertbare Literatur vor. Eine Auswertung eines dänischen Registers mit mehr als 260 000 Patienten mit Zustand nach Versorgung einer hüftnahen Fraktur unter Anwendung des Charlson Comorbidity Index zeigte, dass die Gruppe mit schweren Begleiterkrankungen – verglichen mit der Gruppe ohne solche – eine annähernd dreifach höhere Mortalität im ersten Jahr nach OP hatte. Gleason et al. verwendeten einen „frail score“, um Patientinnen mit orthopädischem Trauma zu charakterisieren. Kurz gefasst korrelierte die Gebrechlichkeit sowohl mit dem OP-Risiko, stratifiziert nach dem American Society of Anesthesiologist Score (ASA 3–4), als auch mit der Länge des Krankenhausaufenthaltes. Die Erkenntnisse und Daten dieser beiden Studien können für unsere Patientengruppe mit PPF zumindest ebenso angenommen werden.</p> <h2>Versorgungszeitpunkt</h2> <p>Für die hüftnahen Frakturen bestehen nationale wie internationale Empfehlungen zur Versorgung innerhalb von 48 Stunden. In einer Metaanalyse von Klestil et al. konnte eine Reduktion der 1-Monats-Mortalität um 12 % und der 1-Jahres-Mortalität um 20 % gezeigt werden. Der Einfluss des Versorgungszeitpunktes auf die Mortalität konnte bisher für die PPF nicht gezeigt werden. In einer retrospektiven Auswertung eines amerikanischen Registers wurden von Lee et al. 263 Patientinnen mit PPF nach totaler Knieendoprothese beschrieben. 47 von den 263 Patientinnen wurden erst nach 2 Tagen (Range bis Tag 18) operiert. Die Komplikationsraten (Endpunkt tiefe Venenthrombose, Infektion, Wunddehiszenz) unterschieden sich nicht, die später operierten Patientinnen hatten jedoch deutlich mehr Blutkonserven erhalten. In einer weiteren retrospektiven Arbeit mit 52 Patienten (Langenhan et al.) konnte eine Reduktion der Mortalität durch die Wahl eines OPVerfahrens mit postoperativer Mobilisierung unter Vollbelastung gezeigt werden.</p> <h2>Komorbidität</h2> <p>Präoperativ stellt sich dem Internisten stets die Frage: Kann der Patient für die OP in seinem unmittelbaren Zustand rasch gebessert werden oder resultieren aus den Komorbiditäten Kontraindikationen für den geplanten Eingriff? Dies trifft nur auf neu aufgetretene Erkrankungen oder die akute Verschlechterung einer bestehenden Komorbidität zu (z. B. Harnwegsinfekt, Pneumonie, akutes prä- oder postrenales Nierenversagen, akute kardiale Dekompensation/ Lungenödem, akutes Koronarsyndrom, brady-/tachykarde Herzrhythmusstörungen, Elektrolytentgleisungen, akute gastrointestinale Blutung, schwere Anämie, COPD-Krise, massive Blutzuckerentgleisung, akute zerebrale Ischämie/Blutung etc.). Kompensierte Erkrankungen, auch Multimorbidität, wie oben erwähnt, beeinflussen das Outcome unserer Patientinnen, sind aber kein Grund zur Verzögerung des notwendigen Eingriffes.<br /> Auch die hochgradige Aortenstenose stellt keine absolute Kontraindikation zur OP dar. In diesem Fall sind Klinik und Fitness der Patientin sowie der interdisziplinäre Zugang zur OP-Planung (Chirurg, Anästhesist, Internist/Kardiologe) noch selbstverständlicher. In ausgewählten Fällen kann die Durchführung eines perkutanen Aortenklappenersatzes erwogen werden.</p> <h2>Antikoagulanzien</h2> <p>Einen häufigen Grund für Verzögerung stellen die verschiedenen Antikoagulanzien dar. Während bei den hüftnahen Frakturen und der Möglichkeit zur Durchführung einer Osteosynthese von einem niedrigen Blutungsrisiko ausgegangen wird und daher eine OP unter laufender Therapie mit Acetylsalicylsäure und Clopidogrel möglich ist, trifft dies auf die Versorgung mit Hemiprothese oder TEP mit mittlerem Blutungsrisiko nicht mehr zu. Das Blutungsrisiko bei PPF ist zumindest als mittelgradig einzustufen, weshalb eine Verzögerung der OP bei dualer Plättchenaggregationshemmung, aber auch bei alleiniger Einnahme eines P2Y12-Rezeptorantagonisten (Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) von zumindest 5 Tagen notwendig ist. Bei einem Anteil von 25 % „non/low-responder“ unter Therapie mit Clopidogrel und einem Anteil von 10 % „non-responder“ auf Acetylsalicylsäure ist die Durchführung einer geeigneten Plättchenfunktionsanalyse sinnvoll, um so eventuell eine frühere OP zu ermöglichen.<br /> Orale Antikoagulanzien vom Cumarintyp sind bei erhaltener Lebersyntheseleistung mit Vitamin K innerhalb von 48 Stunden meist gut antagonisierbar (Ziel: INR <1,5). Außerdem stehen uns Prothrombinkomplex- Konzentrate zur Verfügung, die aber in dieser Indikation kaum gegeben werden müssen.<br /> Bei den neuen oralen Antikoagulanzien gibt es den direkten Thrombininhibitor Dabigatran und die direkten Faktor-Xa- Inhibitoren (DXa) Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban. Dabigatran ist bei einer guten Nierenfunktion entsprechend einer GFR von >80ml/min (oder 50–80ml/min und normaler Thrombinzeit [TZ]) 48 Stunden nach letzter Einnahme so weit ausgeschieden, dass mit keiner Blutungskomplikation zu rechnen ist. Bei eingeschränkter Nierenfunktion verzögert sich die OP über die 48 Stunden hinaus. Zur Abschätzung des richtigen Zeitpunktes ist die Bestimmung der TZ hilfreich.<br /> Die DXa sind von der Nierenfunktion weniger abhängig, sodass bei einer GFR von >30ml/min eine Operation 48 Stunden nach Letzteinnahme erfolgen kann. Bei schlechterer Nierenfunktion (GFR <30 ml/min) verzögert sich die OP, die Bestimmung des Anti-Xa-Spiegels zur Abschätzung des optimalen Zeitpunkts kann hilfreich sein.</p> <h2>Präoperative Therapie</h2> <p>Neben den eingangs erwähnten, akut aufgetretenen zu verbessernden Erkrankungen (Elektrolytsubstitution, Ausgleich einer evtl. bestehenden Exsikkose, Therapie einer Rhythmusstörung, Gerinnungsoptimierung) darf auf Routinemaßnahmen nicht vergessen werden, wie z.B. Thromboseprophylaxe, niedrig dosierter Protonenpumpenhemmer zur Stressulcusprophylaxe, Delirprophylaxe, adäquate Schmerztherapie, Vitamin-K- und Kalzium- Substitution sowie eine eiweißreiche Ernährung. Die Malnutrition, dokumentiert durch Bestimmung des Albumins, ist in der geriatrischen Klientel häufig und ein weiterer unabhängiger Prädiktor für erhöhte Mortalität, komplizierten postoperativen Verlauf, verzögerte Wundheilung und längeren Krankenhausaufenthalt. Dies wurde rezent in einer Übersichtsarbeit von Malfarina et al. für die hüftnahen Frakturen bestätigt. Im klinischen Alltag fällt auf, dass die Patientinnen deutlich hypokalorisch und mit zu geringem Eiweißanteil ernährt sind. Oft gelingt es nicht einmal, insbesondere bei Verzögerung der OP, den Status quo zu erhalten, der operative Eingriff selbst führt dann zusätzlich zu einem massiven Proteinverlust. In der oben erwähnten Übersichtsarbeit wird auch erwähnt, dass eine gezielte Intervention mit höherkalorischer Ernährung und zusätzlicher Supplementationstherapie zu einer Verminderung der postoperativen Komplikationen führte. Da Patientinnen mit PPF nicht sofort operiert werden, ist die Notwendigkeit einer intensiven präoperativen Ernährungstherapie bei meist reduzierter Ausgangssituation gegeben.</p></p>
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