© Univ.-Kl. f. Orthopädie u. Unfallchirurgie, Wien

Osteoporotische Frakturen der thorakalen und lumbalen Wirbelsäule

Die Zahl der osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen zeigt eine steigende Tendenz, und die präventiven Maßnahmen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Neben der konservativen Behandlung haben sich minimalinvasive Operationsverfahren zur Stabilisierung der osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen bewährt. Bei adäquater Indikationsstellung kann eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erzielt werden. Eine individuelle medikamentöse Therapie der Osteoporose ist zur Vorbeugung von Frakturen und Folgeerkrankungen von entscheidender Bedeutung. Mittels digitaler Tools wie dem FRAX® können das individuelle Risiko für eine Wirbelfraktur sowie therapeutische Effekte von Medikamenten und Vorbeugemaßnahmen evaluiert werden.

Epidemiologie

Die häufigste Ursache für Wirbelkörperfrakturen bei älteren Menschen ist die Osteoporose. Die WHO definiert diese Erkrankung als eine „systemische Erkrankung des Skelettsystems mit Verringerung der Knochenmasse und Veränderung der Mikroarchitektur des Knochengewebes, verbunden mit einer sich daraus ergebenden Abnahme der Knochenfestigkeit und mit gesteigertem Risiko für Frakturen an Prädilektionsstellen im Bereich der Wirbelsäule und der Extremitätenknochen“. Von einer manifesten Osteoporose wird gesprochen, wenn bereits eine osteoporoseassoziierte Fraktur aufgetreten ist.1,2

Die Hauptrisikofaktoren sind: Alter, weibliches Geschlecht, Immobilität, Bewegungsarmut, Zigarettenkonsum und eine Steroidtherapie. Die demografische Entwicklung prognostiziert eine Zunahme der an Osteoporose erkrankten Personen. Die Osteoporose ist laut WHO eine der 10wichtigsten Volkskrankheiten.3 Das Lebenszeitrisiko, eine Hüft-, Unterarm- oder Wirbelkörperfraktur zu erleiden, liegt bei 40%, was etwa dem Risiko für eine koronare Herzerkrankung entspricht.

Diagnostik

Die Osteoporose wird sehr oft erst durch eine osteoporotische Fraktur nach einem Bagatelltrauma diagnostiziert. Um diese folgenschweren Frakturen zu verhindern, muss möglichst frühzeitig die Diagnose Osteoporose gestellt und eine adäquate Therapie eingeleitet werden.

Zur Basisdiagnostik der Osteoporose gehören gründliche Anamnese und klinische Befunderhebung. Mittels konventioneller Röntgenuntersuchung kann eine osteoporotische Fraktur meistens detektiert werden, und ein Risikoprofil kann erstellt werden.

Laut WHO ist die Knochendensitometrie nach der DEXA-Methode („Dual Energy X-Ray Absorptiometry“) am proximalen Oberschenkel oder an der LWS ein zulässiges und etabliertes diagnostisches Verfahren. Seit 2009 steht ein Online-Kalkulationswerkzeug zur Verfügung, mit dem nach Eingabe von zusätzlichen Daten wie Alter, Geschlecht, Gewicht, Größe sowie individuellen Risikofaktoren das 10-Jahres-Frakturrisiko errechnet werden kann. Das sogenannte FRAX®-Tool wurde von der WHO entwickelt und ist ein wichtiger Bestandteil in der Diagnostik und Prävention der Osteoporose.4

Laboruntersuchung

Laboruntersuchungen spielen bei der Diagnostik von Vorerkrankungen und Ursachenanalyse der Osteoporose eine entscheidende Rolle. Die Leitlinie des DVO (Dachverband der Osteologie) rät zur Bestimmung von Indikatorparametern, um die Ursache einer sekundären Osteoporose und andere Osteopathien bzw. eine krankhafte Knochenveränderung zu detektieren.1 Der Stellenwert wichtiger Laborparameter ist in Tabelle 1 zusammengefasst.

Tab. 1: Basislabor für die Abklärung der Osteoporose

Radiologische Abklärung

Bei einer Verletzung der thorakalen und lumbalen Wirbelsäule wird empfohlen, ein konventionelles Röntgenbild im Stehen anzufertigen. Diese Untersuchung ist kostengünstig, leicht verfügbar und kann in angemessener Zeit angefertigt werden. Vor allem bei Verlaufskontrollen können neu aufgetretene Sinterungen des Wirbelkörpers mit wenig Aufwand detektiert werden (Abb. 1,2).5

© Univ.-Kl. f. Orthopädie u. Unfallchirurgie, Wien

Abb. 1: Röntgen ap und seitlich; Wirbelkörperfraktur im Bereich der thorakolumbalen Wirbelsäule

© Univ.-Kl. f. Orthopädie u. Unfallchirurgie, Wien

Abb. 2: Röntgen a) seitliche Aufnahme im Stehen: kyphotische Deformität im Bereich der thorakolumbalen Wirbelsäule; b) seitliche Aufnahme im Liegen: Instabilität und Dynamik der Fraktur, „Aufklappen“ beim Liegen erkennbar

Dual-energyx-ray absorptiometry-Scan (DEXA) und Bone Mineral Density (BMD)

Die Knochendichtemessung mittels DEXA gilt immer noch als Standarduntersuchungsmethode und bildet ein direktes Maß der Knochenstärke ab. Dabei wird die BMD einer Körperregion, vorwiegend der Hüfte und der Lendenwirbelsäule, bestimmt und mit dem Referenzwert (Z-Score) einer Referenzpopulation verglichen. Die Abweichung wird als SD (Standard Deviation) bzw. T-Score angegeben.2 Laut WHO werden folgende vier Kategorien bei postmenopausalen Frauen und Männern über 50 unterschieden:

  • Normal: T-Score ≥–1SD

  • Osteopenie: T-Score –1 bis –2,5SD

  • Osteoporose: T-Score ≤–2,5SD

  • schwere bzw. bestätigte Osteoporose: T-Score ≤–2,5SD vom Referenzwert abweichend und ≥1 osteoporosebedingte Frakturen.2

Computertomografie (CT)

Die Schichtbilddiagnostik mittels CT hat wesentlich zur Visualisierung der Wirbelsäulenpathologien beigetragen und bildet die Grundlage für neue Frakturklassifikationen.Die knöchernen Verletzungen des Wirbelkörpers, vor allem die Beteiligung der Hinterwand und das Ausmaß der Stenose des Spinalkanals bzw. des Neuroforamens, können gemessen und zur OP-Planung herangezogen werden. Dimension und Verlauf der Pedikel können zur Platzierung der Pedikelschrauben genau bestimmt werden. Jedoch fällt gerade bei osteoporotischen Frakturen die Unterscheidung zwischen frischen und alten Frakturen oftmals schwer und auch schmerzhafte Mikrofrakturen bleiben oft unerkannt (Abb. 3).5,6

© Univ.-Kl. f. Orthopädie u. Unfallchirurgie, Wien

Abb. 3: a) Sagittale CT-Rekonstruktion zeigt die Berstungsfraktur des 12. Brustwirbelkörpers (OF4); b) Kontrolle nach 2-monatiger konservativer Behandlung zeigt deutliche Nachsinterung mit Anschlussfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (OF5)

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die MRT liefert spezifische Hinweise in der Diagnostik osteoporotischer Wirbelfrakturen. Die auf Flüssigkeiten hoch sensible STIR(Short-Tau Inversion Recovery)-Sequenz bildet durch Unterdrückung des Fettsignals zuverlässig Knochenmarködeme ab. Damit können CT-morphologisch okkulte Frakturen diagnostiziert werden, und bei Vorliegen multipler höhengeminderter Wirbelkörper kann zwischen frischen und alten Frakturen differenziert werden (Abb. 4).5 Die MRT ist bei der Abbildung von Pathologien im Bereich des Rückenmarks und neuronalen Strukturen der CT überlegen.

© Univ.-Kl. f. Orthopädie u. Unfallchirurgie, Wien

Abb. 4: a) MRT: sagittale Rekonstruktion zeigt die Fraktur im Bereich Th12; b) Kontrolle nach 2Monaten zeigt die Sinterung und Anschlussfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers

Verletzungsmuster und Frakturklassifikation

Eine suffiziente Versorgung der Wirbelsäulenverletzungen erfordert eine exakte Analyse und Klassifikation der Fraktur. Magerl hat die Wirbelfrakturen aus pathogenetischen Gesichtspunkten in Kompressions-, Distraktions- und Rotationsverletzungen unterteilt. Dieses Schema findet sich auch in der AO-Spine-Klassifikation für die Wirbelsäule wieder. Die Verletzungen der vorderen Säule werden als Typ-A-, die Verletzungen mit Beteiligung der dorsalen Elemente als Typ-B- und jegliche Dislokation als Typ-C-Verletzung definiert.

Denis betont die Wichtigkeit der Wirbelkörperhinterwand für die Frakturversorgung. Bei dieser Einteilung wird die Wirbelsäule aus biomechanischer Sicht in die vordere, mittlere und hintere Säule eingeteilt. Der Komplex aus Wirbelköperhinterwand, hinterem Längsband und dorsalem Anteil des Anulus fibrosus der Bandscheibe wird als die mittlere Säule definiert.

Die Arbeitsgruppe um McCormack hat die Ursache der Schraubenbrüche nach dorsaler Stabilisierung thorakolumbaler Wirbelkörperfrakturen analysiert. Das Ausmaß der Wirbelkörperdestruktion, die Spinalkanaleinengung und die daraus resultierende Deformität werden mit einer Punktezahl bewertet. Diese sogenannte „load sharing classification“ für die thorakale und lumbale Wirbelsäule gibt nützliche Hinweise für die Indikationsstellung zur operativen Versorgung und wird in der Literatur entsprechend empfohlen.19

Die Therapieentscheidungen bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen wurden von der Arbeitsgruppe Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) im Rahmen einer Multicenterstudie analysiert. Die morphologische Veränderung des frakturierten Wirbelkörpers und die resultierende Deformität der Wirbelsäule wurden in 5 Subtypen unterteilt und einer Klassifikation unterzogen:7

  • OF1: lediglich mittels STIR-MRT anhand eines Knochenmarködems ersichtlich, da keine Deformierung der Wirbelsäule vorhanden ist. Dieser Typ ist selten.

  • OF2: Impressionsfraktur, bei der nur eine Endplatte betroffen ist. Die Verformung des Wirbels geht mit keiner oder einer nur geringen Beteiligung der hinteren Wand (<1/5) einher. Es handelt sich hierbei um eine stabile Fraktur.

  • OF3: unvollständige Berstungsfraktur, bei der ebenfalls nur eine Endplatte betroffen ist. Es zeigt sich jedoch eine deutliche Vorder- und Hinterwandbeteiligung. Die Hinterwand ist >1/5 beteiligt. Die Fraktur kann instabil sein und mit der Zeit weiter kollabieren.

  • OF4: Hier liegt eine vollständige Berstungsfraktur mit Beteiligung beider Endplatten und der Hinterwand mit Verlust der Integrität des Wirbelkörpers vor. Diese Frakturen sind instabil.

  • OF5: Rotations- oder Distraktionsverletzungen durch direktes Trauma oder durch fortschreitende Sinterung einer OF4-Fraktur. Hier sind der dorsale knöcherne und ligamentäre Komplex ebenfalls betroffen.

Rein morphologisch sprechen OF1 und OF2 für eine konservative Behandlung. OF3 kann sowohl konservativ als auch chirurgisch versorgt werden. OF4 und OF5 sind instabile Frakturen und stellen eine Indikation für eine chirurgische Versorgung dar.7

Zur Therapieentscheidung im Einzelfall hat die Arbeitsgruppe den sogenannten OF-Score (Osteoporotic FractureScore) entwickelt. Neben den morphologischen Veränderungen werden hier klinische Parameter wie Schmerz, Komorbiditäten, neurologische Symptomatik, Mobilisierung, Dynamik der Sinterung und die BMD herangezogen und mit Punkten bewertet, aus denen sich dann eine Therapieempfehlung ableiten lässt (Tab. 2). Bei weniger als 5 Punkten wird eine konservative Therapie empfohlen. Beträgt das Ergebnis genau 6 Punkte, so ist die OP-Indikation relativ zu sehen. Bei mehr als 6 Punkten sollte eine Operation angestrebt werden. Die Wahl des operativen Verfahrens ist abhängig von der Schwere und Instabilität der Fraktur.5,8

Tab. 2: Osteoporotic Fracture (OF) Score

Medikamentöse Therapie

Die Schmerztherapie und die Behandlung von funktionellen Einschränkungen spielen eine zentrale Rolle. Bezüglich Schmerztherapie wird überwiegend das WHO-Stufen-Schema empfohlen, das laufend aktualisiert wird (Abb. 5).9 Im Vergleich zum früheren Schema werden nun ein bi- statt unidirektionaler Ansatz und eine vierte Stufe mit nichtpharmakologischer Behandlung empfohlen.

Abb. 5: Empfehlung für die Schmerztherapie

Dem Verhaltenstraining wird ein besonderer Stellenwert beigemessen. Hier erlernen die Patient*innen das richtige Sitzen und Aufstehen und das Tragen schwerer Lasten. Damit können Folgekomplikationen vermieden und die Lebensqualität gebessert werden.

Über den Stellenwert der Orthese gibt es in der Literatur wenige qualitativ hochwertige Studien. Die meisten Studien weisen auf den stabilisierenden Effekt der Orthesen zu Beginn der Therapie hin, als Ergänzung zur medikamentösen Osteoporose- und Schmerztherapie. Es werden überwiegend semiregide und flexible TLOs (thorakolumbale Orthesen) verordnet. Eine korrekte Anpassung mit physiotherapeutischer Einschulung und Supervision ist beim Einsatz der TLOs wichtig. Einige Studien berichten über positive Effekte auf die Abdominal- und Rückenmuskulatur.1,10,11

Basismedikation

Als Basismedikation für die Osteoporose wird die Substitution von Calcium und Vitamin D empfohlen.12 Die BHOF (Bone Health & Osteoporosis Foundation) empfiehlt 1000mg/Tag für Männer im Alter von 19–70 Jahren und Frauen im Alter von 19–50 Jahren, 1200mg/Tag für Frauen ab 51 Jahren und Männer ab 71 Jahren. Die BHOF empfiehlt weiters eine tägliche Zufuhr von 800–1000 Einheiten Vitamin D für Erwachsene ab 50 Jahren. Einige Studien geben einen Serumspiegel von ca. 30ng/ml für 25(OH)Vitamin D als optimalen Richtwert an.

Durch die Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren kann die Resorption von Calcium reduziert sein, andererseits kann eine zu hohe Dosierung die Nierensteinbildung begünstigen.13

Antiresorptive Therapie

Für die antiresorptive Therapie gibt es eine Vielzahl von Präparaten mit verschiedenen Wirkansätzen. Als First-Line-Therapie bei Osteoporose gelten die Bisphosphonate wie Alendronat, Risedronat, Ibandronat und Zoledronat. Ein Problem der peroralen Bisphosphonat-Therapie ist die Compliance, die nach zwei Jahren auf unter 50% sinkt. Die Compliance kann mit der intravenösen Verabreichung (z.B. Zoledronat) verbessert werden. Bei Einschränkung der Nierenfunktion, die bei älterenPatienten öfters vorliegt, muss auf die Gabe von Bisphosphonaten verzichtet werden. Eine glomeruläre Filtrationsrate von 35ml/min wird als Grenzwert angegeben. Seltene Nebenwirkungen der Bisphosphonate sind Osteonekrose des Kiefers und atypische Femurfrakturen (AFF). AFF können spontan oder nach geringen Traumataauftreten.14,15

Denosumab (Anti-RANKL-Antikörper)

Denosumab ist bei Patient*innen, die auf Bisphosphonate nicht ansprechen, bzw. jenen mit höherem Frakturrisiko indiziert. Die Verabreichung sollte subkutan alle 6Monate mit einer Dosierung von 60mg erfolgen. Ein „Drug Holiday“ sollte mit einem anderen antiresorptiven Medikament überbrückt werden.14

Osteoanabolika

Teriparatid (PTH1-34) ist ein rekombinantes Parathormon und ident mit dem menschlichen Parathormon (PTH). Es ist ein Osteoanabolikum und führt bei kontinuierlicher Anwendung zu einer verstärkten Knochenresorption. Bei intermittierender Anwendung führt es durch die Unterdrückung von IL-11 und einer anschließenden Wnt-Signalkaskade zur Knochenbildung. Die subkutane Injektion von 20μg täglich verringert nachweislich das Risiko von vertebralen Frakturen. Das Medikament ist für die Behandlung von postmenopausalen Frauen und Männern mit schwerer Osteoporose und steroidbedingter Osteoporose zugelassen.14

Operative Behandlung von Wirbelkörperfrakturen

Die konservativen Behandlungsmethoden führen oft zu einem nicht zufriedenstellenden Ergebnis, daher gewinnen die minimalinvasiven Operationsmethoden an Bedeutung. Die Vertebroplastie und die Kyphoplastie haben sich als bewährte Methoden etabliert.

Bei der Vertebroplastie wird ein visköser Zement direkt in den Wirbelkörper gespritzt, wobei die Viskosität des Zements entscheidend ist. Überwiegend wird PMMA(Polymethylmethacrylat)-Zementverwendet. Ein Zementaustritt in den Spinalkanal kann zur Vertebrostenose mit neurologischen Folgen und im Falle eines Gefäßaustritts zur Embolie und zu pulmonalen Komplikationen führen. Je visköser der Zement ist, desto geringer ist das Risiko des Zementaustritts.

Bei der Kyphoplastie wird zuerst ein Ballon in den frakturierten Wirbelkörper platziert. Unter kontinuierlicher Insufflation des Ballons wird der frakturierte Wirbelkörper aufgerichtet. Anschließend wird der geschaffene Hohlraum mit Knochenzement aufgefüllt. Hier kann ein hochvisköser Knochenzement angewendet und somit das Risiko des Zementaustritts im Vergleich zur Vertebroplastie verringert werden. Zahlreiche Studien belegen, dass Patienten nach einer Vertebroplastie bzw. Kyphoplastie eine raschere Verbesserung der Lebensqualität, der Rückenschmerzen und Rückenfunktion erfuhren als nichtchirurgisch behandelte Patienten.16,17

Der zementaugmentierte Wirbelkörper ist meistens stabiler als die benachbarten Wirbelkörper und erhöht das Risiko einer Anschlussfraktur. Die prophylaktische Zementierung der benachbarten oder dazwischen liegenden Wirbelkörper muss je nach Befund individuell entschieden werden.

Instrumentierte Stabilisierung der Wirbelfrakturen

Das Ziel der operativen Behandlung ist die Wiederherstellung der normalen Wirbelsäulenstatik und der Schutz des Spinalkanalinhaltes. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten im Bereich der BWS und LWS ist über den dorsalen Zugang sowohl eine adäquate Stabilisierung mit Pedikelschrauben als auch eine Dekompression des Spinalkanals möglich. Präoperativ können anhand von CT und evtl. MRT das Ausmaß der Destruktion und die daraus resultierende Instabilität der Verletzung erhoben werden. Die Load-sharing-Klassifikation hat sich in der Entscheidungsfindung einer additiven ventralen Rekonstruktion bewährt.18,19

Bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen mit ausgeprägter Hinterkantenbeteiligung, wie OF-Typ 3 und höher, wird eine Hybridstabilisierung im Sinne einer Augmentation mit zusätzlicher dorsaler Instrumentierung empfohlen.20

Langstreckige Stabilisierung

Die Vorteile liegen in der besseren Lastverteilung. Die Entwicklung einer posttraumatischen Kyphose durch Implantatversagen, vor allem bei Osteoporose und fraglicher Compliance der Patient*innen, wird damit verringert (Abb. 6). Die Fixation mehrerer Segmente erhöht andererseits die Belastung der Anschlusssegmente und damit das Risiko einer Anschlussfraktur.21

© Univ.-Kl. f. Orthopädie u. Unfallchirurgie, Wien

Abb. 6: Langstreckige dorsale Stabilisierung mittels zementaugmentierter Schrauben

Kurzstreckige Stabilisierung

Der Erhalt unverletzter Bewegungssegmente und damit die höhere Kompensationsmöglichkeit durch die Nachbarsegmente sind wesentliche Vorteile. Die Rekonstruktion der ventralen Säule im Bereich der thorakalen und lumbalen Wirbelsäule gewährleistet eine physiologisch adäquate Lastübertragung. Zur Effektivitätssteigerung sind laufend neue Implantate, wie modernere Schrauben-, Stab- und Plattensysteme sowie Wirbelkörperersatz, entwickelt worden. In den letzten Jahren konnte die Zugangsmorbidität durch die minimalinvasive Operationstechnik verringert werden. Es ist anzumerken, dass die kombinierten dorsoventralen Operationen aufgrund von Begleiterkrankungen mit höheren Komplikationen behaftet sind. Es wird generell empfohlen, über den dorsalen Zugang eine ausreichende Stabilisierung zu erreichen, um die Indikation für ein kombiniertes Verfahren so gering wie möglich zu halten.19,21

Zementaugmentation der Pedikelschrauben

Die Knochendichte zeigt in klinischen und biomechanischen Studien eine hochsignifikante Korrelation mit der Stabilität der Pedikelschrauben. Implantatversagen wie Schraubenlockerung oder Schraubenausriss sind im osteoporotisch veränderten Wirbelkörper ein potenzielles Risiko.23–25 Eine Revisionsoperation bei Versagen der Instrumentierung übersteigt die technischen Anforderungen der Primäroperation deutlich. Laut einer Metaanalyse von Rometsch et al. aus dem Jahr 2019 beträgt die Rate an Lockerungen nicht zementaugmentierter Pedikelschrauben ca. 20% gegenüber einer Rate von ca. 2% bei zement-augmentierten Pedikelschrauben.26 Es wird empfohlen, bei längerstreckigen Instrumentierungen die kranialen und kaudalen Pedikelschraubenpaare mittels Zement zu augmentieren.24

Operationstechnisch kann der solide Schraubentyp direkt nach der Vertebroplastie in den noch nicht polymerisierten Zement eingesetzt werden. Beim fenestrierten Schraubentyp wird zuerst die Schraube im Wirbelkörper platziert und danach mittels Knochenzement augmentiert. 24 Zur Sicherstellung einer homogenen sphärischen Verteilung des Zements wird empfohlen, die Schrauben nahe an der Grund- und Deckplatte zu platzieren.24,27 Eine Revision der zementaugmentierten fenestrierten Pedikelschrauben ist laut In-vitro-Studien schon bei sehr geringem Drehmoment möglich und daher auch bei einer schweren Osteoporose unproblematisch.24,28,29

Prävention

Neben einer stark verminderten Lebensqualität ist die Mortalität nach osteoporosebedingten Frakturen ein allseits bekanntes Risiko. Für jede Verringerung der Knochenmineraldichte um eine Standardabweichung erhöht sich laut WHO das Sterblichkeitsrisiko um etwa das 1,5-Fache.2

Eine generelle Maßnahme zur Frakturprophylaxe besteht in der Vermeidung von Immobilität und Förderung regelmäßiger körperlicher Aktivität. Damit können Gleichgewicht und Koordination verbessert und die Muskelkraft gestärkt werden.1 Hinsichtlich der Ernährung ist auf eine ausreichende Menge an Vitamin D und Calciumzufuhr zu achten. Sowohl das Über- als auch das Untergewicht erhöhen das Sturzrisiko und sollen vermieden werden.1

Tab. 3: Klinische Faktoren für die Berechnung des Frakturrisikos im Austrian FRAX® Tool

Um eine 10-Jahres-Wahrscheinlichkeit von schweren osteoporotischen Frakturen (Wirbel-, Hüft-, Unterarm- oder proximalen Femurfrakturen) zu prognostizieren, wurde von der University of Sheffield der FRAX®(Fracture-Risk-Assessment)-Score entwickelt. Das FRAX®-Tool ist durch Studien an populationsbasierten Kohorten aus Europa, Nordamerika, Asien und Australien entwickelt worden. Die berücksichtigten klinischen Risikofaktoren sind in Tabelle 3 gelistet.4,13

Die quantitative Computertomografie (QCT) liefert wichtige Informationen über Struktur und Festigkeit des Knochens. Mit der QCT wird meistens die vBMD (volumetric Bone Mineral Density) des proximalen Oberschenkels und der Wirbelsäule bestimmt und ein flächenbezogener BMD-Wert erstellt.13

1 DVO-LEITLINIE 2017 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern. Kitteltaschenversion; www.dv-osteologie.org 2 Kanis JA: Assessment of osteoporosis at the primary health-care level. WHO 2007; www.shef.ac.uk/frax/pdfs/who_technical_report.pdf 3 Eastell R, Schini M: Prevention and management of osteoporosis. Medicine 2021; 49(9): 572-7 4 https://frax.shef.ac.uk/FRAX/ ; accessed May 19, 2023 5 Schnake KJ et al.: Thorakolumbale Wirbelsäulenfrakturen beim alten Menschen: Klassifikation und Therapie. Unfallchirurg 2017; 120(12): 1071-85 6 Paré PE et al.: Biomechanical evaluation of a novel fenestrated pedicle screw augmented with bone cement in osteoporotic spines. Spine 2011; 36(18): 1210-4 7 Schnake KJ et al.: Classification of osteoporotic thoracolumbar spine fractures: recommendations of the spine section of the German Society for Orthopaedics and Trauma (DGOU). Global Spine J 2018; 8(2 Suppl): 46S-49S 8 Schnake KJ et al.: Development of a classification system (OF-classification) and a score for therapeutic decision-making (OF-score) for osteoporotic thoracolumbar fractures. Glob Spine J 2015; 5(1_suppl): s-0035-1554314-s-0035-1554314 9 Anekar AA et al.: WHO analgesic ladder. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023; www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK554435/ 10 Pfeifer M et al.: Effects of a new spinal orthosis on posture, trunk strength, and quality of life in women with postmenopausal osteoporosis. Am J Phys Med Rehabil 2004; 83(3): 177-86 11 Spiegl UJ et al.: Stellenwert der Orthetik für die Wirbelsäule des Erwachsenen – Ergebnisse einer Umfrage und Diskussion der Literatur. Die Wirbelsäule 2020; 04(03): 174-81 12 Resch H: Medikamentöse Therapie der Osteoporose. Spectr Osteoporose 2009; 1: 38-40 13 LeBoff MS et al.: The clinician’s guide to prevention and treatment of osteoporosis. Osteoporos Int 2022; 33(10): 2049-102 14 Imamudeen N et al.: Management of osteoporosis and spinal fractures: contemporary guidelines and evolving paradigms. Clin Med Res 2022; 20(2): 95-106 15 Davenport D et al.: Outcomes for elderly patients with atypical femoral fractures compared to typical femoral fractures for length of stay, discharge destination, and 30-day mortality rate. Geriatr Orthop Surg Rehabil 2018; 9: 1-4 16 Röllinghoff M et al.: Minimalinvasive Operationen an der Lendenwirbelsäule. Z Orthop Unfall 2008; 146(3): S.395-408 17 Wardlaw D et al.: Efficacy and safety of balloon kyphoplasty compared with non-surgical care for vertebral compression fracture (FREE). Lancet 2009; 373(9668): 1016-24 18 Gertzbein SD: Multicenter spine fracture study. Spine 1992; 17(5): 528-40 19 McCormack T, Karaikovic EGR: The load sharing classification of spine fractures. Spine 1994; 19(15): 1741-4 20 Schnake KJ et al.: Minimally invasive stabilization of thoracolumbar osteoporotic fractures. Unfallchirurg 2020; 123(10): 764-73 21 Parker JW et al.: Successful short-segment instrumentation and fusion for thoracolumbar spine fractures: a consecutive 4 1/2 -year series. Spine 2000; 25(9): 1157-70 22 Aly TA: Short segment versus long segment pedicle screw fixation in management of thoracolumbar burst fractures. Asian Spine J 2017; 11(1): 150-60 23 Weiser L et al.: Techniques to increase pedicle screw stability in osteoporotic vertebrae. Oper Orthop Traumatol 2019; 31(4): 284-92 24 Blattert TR: Zementaugmentierte Pedikelschrauben. OP-Journal 2017; 33: 4-10 25 Weiser L et al.: Insufficient stability of pedicle screws in osteoporotic vertebrae: biomechanical correlation of bone mineral density and pedicle screw fixation strength. Eur Spine J 2017; 26(11): 2891-7 26 Rometsch E et al.: Screw-related complications after instrumentation of the osteoporotic spine. Glob Spine J 2020; 10(1): 69-88 27 Schleicher P et al.: Zementaugmentation in der Wirbelsäulenchirurgie. Unfallchirurgie 2022; 125(6): 460-6 28 Blattert TR et al.: Revision characteristics of cement-augmented, cannulated-fenestrated pedicle screws in the osteoporotic vertebral body. Technical note. J Neurosurg Spine 2009; 11(1): 23-7 29 Bullmann V et al.: Revision of cannulated and perforated cement-augmented pedicle screws. Spine 2010; 35(19): 932-9

Back to top