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Orthopädie im Bilde
Jatros
30
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14.02.2019
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<p class="article-intro">Die Bildgebung in der Orthopädie stand im Fokus der Jahrestagung 2018 des BVdO. Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ronald Dorotka wurde das Thema aus radiologischer, orthopädischer und juristischer Perspektive diskutiert. Weitere medizinische Vorträge behandelten Schmerztherapien und Knochengesundheit.</p>
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<p class="article-content"><p>Einleitend stellte Univ.-Prof. Dr. Franz Kainberger, Universitätsklinik für Radiologie, Wien, Innovationen in der Bildgebung des Bewegungsapparates vor. Diese betreffen in erster Linie computerassistierte Diagnostik und darin inkludiert die Techniken der „artificial intelligence“. Für die Semiautomatisierung der radiologischen Zuweisung stehen bereits computerassistierte Diagnosesysteme zur Verfügung, die derzeit zur „indication-driven investigation“, d.h. zum Einsatz zur Zuweisung als Steuerungselement, weiterentwickelt werden.<br /> Bei den verfügbaren Verfahren sind für die MRT neue und raschere Sequenzen die klinisch relevanten Innovationen. Mit 3DSequenzen können die Untersuchungszeiten für große Gelenke reduziert werden. Zu speziellen Techniken, die noch im Stadium präklinischer Erprobung stehen, gehört das Zero-Echotime-Imaging, mit dem sich aus MR-Datensätzen CT-analoge Bilder rekonstruieren lassen.<br /> In der Computertomografie sind die Dual-Energy-Technologie und analoge Verfahren mittlerweile etablierter Standard. Mit Post-Processing der Bilddaten sind Urataggregate sehr sensitiv darstellbar, andere Formen des biochemischen Imagings, wie die Kollagenfaserbildgebung, sind klinisch noch schwierig umzusetzen. Da mit neuen Detektoren die Strahlenexposition massiv reduziert werden kann (Submillisievert-CT), ist laut Kainberger eine Ausweitung der Indikationen für die CT zu erwarten.<br /> Für Ultraschalluntersuchungen stehen heute Schallkopffrequenzen bis 22MHz standardmäßig zur Verfügung; höhere Frequenzen werden in naher Zukunft klinisch verfügbar sein. Damit gewinnen das Imaging peripherer Nerven und die US-gesteuerte Schmerztherapie an Bedeutung. Gleichzeitig sind kompaktere Geräte für den ambulanten Einsatz verfügbar. Der 3D-Ultraschall, in der Geburtshilfe seit Jahren Standard, ist nun auch für Bilddaten vom Bewegungsapparat anwendbar; dies bedeutet eine anschaulichere Dokumentation und die Nutzung im Rahmen edukativer Simulationen.<br /> Für die klassische Röntgenbildgebung sind mehr und praktikablere großformatige Systeme (Extremitäten, Wirbelsäule) verfügbar.<br /> „Der radiologische Befund wird kontinuierlich zum strukturierten Multimedia- Report weiterentwickelt“, so Kainberger. Ähnlich wie bei den Zuweisungen sind auch hier radiologische Assistenzsysteme in Entwicklung, um neues Wissen aus der Forschung möglichst rasch und direkt an den „point of care“ zu bringen und pathologische Veränderungen systematisch zu quantifizieren („radiomics“ und „imaging biomarkers“). „All diese Neuerungen können als Basis für die Implementierung von ,artificial intelligence‘, dem derzeit dynamischsten Bereich der radiologischen Forschung, aufgefasst werden“, sagte Kainberger.</p> <h2>Osteoarthritische Veränderungen frühzeitig entdecken</h2> <p>Dipl.-Ing. Richard Ljuhar, CEO und Co- Founder von Image Biopsy Lab, stellte eine konkrete Anwendung einer solchen „artificial intelligence“ vor, die eine Früherkennung von Kniearthrose auf Basis konventioneller Röntgenbilder ermöglicht. Basierend auf der Hypothese, dass im subchondralen Knochen schon sehr frühzeitig Veränderungen der Mikroarchitektur auftreten, wurden „Machine“- bzw. „Deep learning“-Algorithmen angewendet, um die strukturellen Eigenschaften des subchondralen Knochens in ausgewählten Bereichen der Tibia und des distalen Femurs anhand einer 2D-Aufnahme zu untersuchen. Darüber hinaus wurden die Gelenkspalthöhe und -fläche mithilfe einer neu entwickelten vollautomatischen Software bewertet. Die Osteoarthritis- Vorhersagegenauigkeit konnte damit signifikant verbessert werden. Die Modelle werden laut Ljuhar nun erweitert, um auch andere diagnostische Fragestellungen zu untersuchen, insbesondere die Erkennung bzw. Vorhersage von Frakturrisiken, Anomalien im Knochen oder Fragestellungen auf dem Gebiet des Gelenkersatzes. In weiteren Studien müssen die Ergebnisse validiert und die entwickelten Modelle im klinischen Alltag getestet werden.</p> <h2>Ausdruck versus digital</h2> <p>Radiologische Institute übermitteln Bilder immer häufiger auf Datenträgern (CDROM, DVD) oder ganz elektronisch. Dr. Bernhard Gisinger, Fachgruppenobmann Orthopädie Wien, sprach zu diesem Thema aus orthopädischer Sicht. Er kritisierte, dass diese Umstellung auf digitale Bilder und Befunde teilweise ohne ausreichende Kommunikation erfolgt. Abgesehen von der mangelnden Praktikabilität mancher Lösungen ergibt sich für ihn auch die Frage, wer für allfällige Mehrkosten (Bildschirme, EDV-Aufrüstung etc.) aufkommen soll.<br /> Die Sicht des Radiologen vertrat Dr. Gerhard Zier, Wien. Verarbeitung und Speicherung der Bilder erfolgen heute voll digitalisiert mittels PACS („Picture Archiving and Communication System“) bzw. DICOM („Digital Imaging and Communications in Medicine“). „Digital erzeugte Bilder sollten daher auch digital verteilt und betrachtet werden“, meinte Zier. Viele Zuweiser bestehen jedoch auf Papierausdrucke oder Laserfilm-Folien. Wie in der anschließenden Podiumsdiskussion deutlich wurde, sind CD-ROMs und DVDs wenig beliebt, weil es doch einige Zeit in Anspruch nimmt, die Bilder zur Betrachtung einzuspielen, sofern dies nicht durch die Ordinationsassistenten vorbereitet wird. Zudem gibt es offenbar Probleme mit der Kompatibilität der verschiedenen Bildbetrachtungssysteme. Zier empfahl, sich für eine Software (z.B. OsiriX™ oder RadiAnt™) zu entscheiden, diese in die Ordinations-Software zu integrieren und Bilder auf mitgebrachten Datenträgern immer mit demselben Programm zu verarbeiten. Alternativ bietet das Diagnosehaus seinen zuweisenden Ärzten durch einen passwortgeschützten Account über die Homepage XR-Web (www.dh18.radiologie. at), wie auch andere Institute über ein Client-Modul (www.bilder-befunde. at), Einsicht in sowohl Bilder als auch Befunde. Dies hat laut Zier unter anderem den Vorteil, dass man für die Archivierung und Verwaltung der Bilddaten nicht selbst Sorge tragen muss (Stichwort DSGVO).<br /> Die Lösung für die Zukunft wird eventuell ELGA mit Bildintegration bringen, so Zier. Diese Bilder werden die Zuweiser dann mit einer Portal-Software ansehen können.</p> <h2>Was dürfen Orthopäden?</h2> <p>Dr. Christoph Steinacker, Jurist in der Österreichischen Ärztekammer im Bereich Aus- und Fortbildung, stellte eine rechtliche Betrachtung der Schnittstelle Orthopädie/Radiologie an: „Die Abgrenzung der Berufsberechtigung in den Sonderfächern ist in der Praxis von großer Bedeutung, insbesondere bei der Interpretation und Befundung von Röntgen-, CTund MRT-Bildern.“ Die Beschränkung der ärztlichen Berufstätigkeit auf das jeweilige Sonderfach ist im Paragraphen 31 des Ärztegesetzes geregelt. Der Kompetenzumfang der einzelnen Fachbereiche ergibt sich aus der Fachdefinition in der Ausbildungsordnung. Die Kenntnisse und Fertigkeiten müssen aber nicht unbedingt in den Rasterzeugnissen aufgeführt sein. Was nun die Bildgebung betrifft, dürfen Orthopäden und Unfallchirurgen die von Radiologen und Nuklearmedizinern erhobenen Bilder und Befunde zwar fachspezifisch bewerten und für die Diagnostik interpretieren, sie dürfen aber nicht befunden. Ausnahme: Die Befundung von Skelettaufnahmen ist bei akuten Traumen und im Rahmen der Erstversorgung zulässig. Verstöße können disziplinarrechtliche und schadenersatzrechtliche Folgen haben.</p> <h2>Weitere Themen: Schmerz und Knochen</h2> <p>Nach einem Referat von Prim. Prof. Dr. Klemens Trieb, Klinikum Wels-Grieskirchen, über Bildgebung in der modernen Endoprothetik behandelte Prim. Dr. Vinzenz Auersperg, LKH Steyr und LKH Kirchdorf, in seinem Vortrag die radiologische Ortung für die Stoßwellentherapie. Vor der Anwendung von Stoßwellen sollte eine Abklärung der Situation mit mindestens einer Bildgebung erfolgen, bei Knochenbehandlungen am besten mit Röntgen, bei Weichteilindikationen mittels Biofeedback. Eine genaue Ortung sei insbesondere bei der Kalkschulter sehr wichtig.<br /> Abseits des Schwerpunktthemas Bildgebung bot das Programm der BVdOJahrestagung zusätzliche interessante Vorträge: Dr. Christoph Michlmayr aus Rohrbach sprach über die funktionelle Therapie mit Bandagen und Orthesen. Dr. Raphael Scheuer vom Orthopädischen Spital Speising, Wien, informierte über ultraschallgezielte Infiltrationen, die im Gegensatz zu den röntgengezielten Techniken auch gut im niedergelassenen Bereich durchgeführt werden können. Nicht nur an der Wirbelsäule, sondern auch an den Extremitäten-Gelenken empfahl Scheuer die Steuerung der Infiltrationen mittels Ultraschall, wodurch die Behandlung sicherer wird. Ein weiterer Vorteil: Insbesondere kostenintensive Präparate wie Hyaluronsäure oder Eigenblut können mit bestmöglicher Wirkung verabreicht werden.<br /> Dr. Kay Uthoff aus Hannover präsentierte die Anwendung von autologem konditioniertem Plasma (ACP) bei Schmerzzuständen an der Wirbelsäule. Die therapeutischen Eigenschaften von ACP werden derzeit bei Diskusdegeneration, Facettenarthrose, neuropathischem Schmerz, SIGPathologien und Kokzygodynie geprüft. Es sei zu erwarten, dass neue Daten zur epiduralen bzw. periradikulären Therapie den Einsatz von ACP zunehmend rechtfertigen, so Uthoff.<br /> Für einen Überblick über moderne Osteoporosetherapien konnte der Knochenstoffwechsel- Spezialist Doz. Dr. Christian Muschitz, KH der Barmherzigen Schwestern, Wien, gewonnen werden. Dr. Maya Thun, Wilhelminenspital, Wien, widerlegte Mythen, die den Stellenwert von Kalzium zur Senkung des Frakturrisikos infrage stellen. Auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko durch Kalziumzufuhr sei nicht belegbar. Thun präsentierte außerdem Daten, wonach der durchschnittliche Österreicher zu wenig Kalzium mit der Nahrung zu sich nimmt, und empfahl die Überprüfung der eigenen Ernährungsgewohnheiten mittels des „Kalziumrechners“ (www. kalziumrechner.at).</p> <h2>Keine Angst vor der DSGVO</h2> <p>Großes Interesse weckte auch der Vortrag des Wirtschaftsexperten Dr. Hans Bachmann über die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Er betonte den unmittelbaren Nutzen für die ärztliche Praxis, indem vertrauliche personenbezogene Daten korrekt, aktuell und vollständig verfügbar gemacht werden (müssen). Dabei sollte man den „Sinn fürs Wesentliche“ nicht aus den Augen verlieren: Für Kleinunternehmen genüge es, die Einhaltung der DSGVO durch den Grundsatz von Treu und Glauben nachzuweisen und für diesen Nachweis ein Grundgerüst an Prozessen und Dokumenten zu erstellen. Die DSGVO schützt personenbezogene Daten, das sind alle Daten, die eine Person identifizierbar machen – also auch Sozialversicherungsnummer oder Röntgenbilder. Dieser Schutz umfasst digital und konventionell (auf Papier) verarbeitete Daten. Dabei genießen die sogenannten sensiblen Daten (z.B. Gesundheitsdaten) einen besonderen Schutz. Unter den Datenschutz fallen aber auch die personenbezogenen Daten von Mitarbeitern, Lieferanten, kooperierenden Ärzten etc.<br /> Wichtig ist es, schriftlich zu dokumentieren, welche personenbezogenen Daten wann, wo, wie und zu welchem Zweck gespeichert und weitergegeben werden. Formvorschriften für eine solche Datenschutzerklärung gibt es keine. Hilfreiche Unterlagen stellen z.B. die Wirtschaftskammer und die Datenschutzbehörde zur Verfügung.<br /> Als Arbeitgeber benötigen Ärzte eine Mitarbeiter-Vertraulichkeitserklärung, die explizit die Einhaltung des Datenschutzes miteinbezieht. Dies inkludiert eine Schulung der Mitarbeiter sowie die Organisation von Zutritt- und Zugriffsberechtigungen. „In der ärztlichen Praxis gibt es hohe Verbesserungspotenziale, besonders im Hinblick auf die vertrauliche Behandlung von Patientenakten im Empfangsbereich, aber auch im Bereich der Patienteninformation“, so Bachmann. Der Arzt hat die reaktive Pflicht zur Information, was mit den Daten geschieht und geschehen wird. Daher ist es notwendig, dass die ärztliche Praxis eine Datenschutzerklärung verfügbar hat und mit weiteren Dokumenten den Nachweis der Einhaltung der DSGVO erbringen kann. Dr. Bachmann hat für niedergelassene Ärzte eine Anleitung erstellt, die beim BVdO angefordert werden kann.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung des Berufsverbands Österreichischer Fachärzte
für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (BVdO),
1. Dezember 2018, Wien
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