
Die Navigation in der Beckenchirurgie mittels LOOP-X
Autoren:
OA Dr. Alexander Wels
Prof. Dr. Christian Kammerlander
AUVA-Unfallkrankenhaus Steiermark, Graz
Korrespondierender Autor:
Dr. Alexander Wels
E-Mail: alexander.wels@auva.at
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Bei der Verschraubung des hinteren Beckenringes stellen Schraubenfehllagen eine häufige und relevante Komplikation dar. Mit 3D-navigierten Verfahren lässt sich diese Rate signifikant reduzieren. Im eigenen Vorgehen verwenden wir hierfür ein völlig neues, mobiles intraoperatives 3D-CT, genannt LOOP-X, der Firma Brainlab/Medphoton.
Keypoints
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Signifikant größere Genauigkeit bei 3D-CT-Navigation
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Signifikant weniger Strahlenbelastung für das OP-Personal
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Keine wesentliche Erhöhung der Strahlenbelastung für Patient:innen
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Keine wesentliche Verlängerung der OP-Dauer durch schnellere Schraubenplatzierung
Bei der Osteosynthese des hinteren Beckenringes hat sich die ilio- bzw. transsakrale Verschraubung als wirkvollste Methode zur raschen Schmerztherapie und Remobilisation entwickelt. Der hierfür notwendige Korridor ist oft sehr eng, sodass bereits Abweichungen der Schraubentrajektorie um 4° mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Perforation führen. Bei normaler Anatomie des Sakrums wird in der Literatur von Schraubenfehllagen in 8,5–12% der Fälle berichtet. Bei vorliegendem sakralem Dysmorphismus erhöht sich diese Rate auf 15–29,5%. Dies führt in bis zu 8% der Fälle zu neurologischen oder vaskulären Komplikationen, da sehr enge Lagebeziehungen zum Truncus lumbosacralis aus den Nervenwurzeln L4 und L5, zur Cauda equina, den sakralen Wurzeln und zu Ästen der Arteria und Vena iliaca interna bestehen.
Fluoroskopisch navigierte 2D-Verfahren konnten die Komplikationsrate nur unwesentlich verringern. Im Gegensatz dazu finden sich bei 3D-CT-navigierten Verfahren Schraubenfehllagen in lediglich 0,1–2,6%. Mit diesen Verfahren können relevante Komplikationen somit um den Faktor 10 gesenkt werden.
Der sakrale Dysmorphismus, auch bekannt unter den Begriffen „dysplastisches Sakrum“ oder „obere sakrale Segmentdysplasie“, beschreibt eine veränderte Anatomie der beiden oberen sakralen Segmente. Die Einziehung im ventralen Sakrum kann dazu führen, dass kein transsakraler Korridor in Höhe S1 vorhanden ist beziehungsweise der Durchmesser weniger als 7,5mm beträgt und somit das Einbringen einer transsakralen Schraube unmöglich wird. Die Prävalenz dieser morphologischen Variante beträgt 14,5–41% und verdient somit besondere Beachtung. Frauen haben darüber hinaus signifikant kleinere Korridore. Die Voraussetzung zur exakten Beurteilung stellt ein korrektes präoperatives CT dar, welches in der Achse des Sakrums gerechnet wird, idealerweise ergänzt durch 3D-Rekonstruktionen.
Im eigenen Vorgehen verwenden wir die 3D-CT-Navigation bei Verschraubungen des hinteren Beckenringes oft in Kombination mit Anlage eines sogenannten „Infix“ (anteriorer Fixateur interne) zur Stabilisierung des vorderen Beckenringes. Weitere Anwendungen sind lumbopelvine beziehungsweise trianguläre Stabilisierungen von dorsal.
Wir verwenden das mobile intraoperatives 3D-CT LOOP-X, welches in Zusammenarbeit der Firma Medphoton und Brainlab entwickelt wurde (Abb. 1). Die Gantry hat einen Durchmesser von 121cm und ist bis zu 60° neigbar. Der große Durchmesser ermöglicht im Vergleich zu den herkömmlichen 3D-Bildwandlern die Gesamtdarstellung des Beckens und somit eine bessere Planbarkeit. Eine isozentrische Positionierung des oder der Patient:in ist nicht erforderlich, da sich Detektor und die Bildgebungsquelle unabhängig voneinander bewegen. Nach Setzen der Referenzpins an der Crista iliaca wird ein Referenzscan bei Apnoe in Exspiration durchgeführt, wodurch die Genauigkeit noch weiter erhöht wird. Der Scan selbst dauert ca. 50 Sekunden, danach werden navigiert die Schrauben geplant und gesetzt. Ein Abschlussscan bestätigt die korrekte Schraubenlage und macht die postoperative CT-Kontrolle obsolet.
Mit den derzeitigen Scanprotokollen ist die Strahlendosis mit einem konventionellen CT vergleichbar und die Strahlenbelastung der Patient:innen auch im Vergleich zur intraoperativen Durchleuchtung nicht signifikant erhöht. Für das OP-Personal entfällt die Strahlenbelastung zur Gänze, da für beide Scans der OP-Saal verlassen wird.
Pitfalls stellen eine Dislokation beziehungsweise Lockerung der Referenzpins dar, dies ist insbesondere bei höhergradiger Osteoporose zu beachten. Empfohlen wird die Verwendung von Pins anstatt Klemmen, damit sich eine stabilere Verankerung erreichen lässt. Für die ilio-/transsakrale Verschraubung verwenden wir kanülierte Schrauben mit durchgehendem Gewinde der Firma Königsee mit 7,5mm Durchmesser. Hierfür wird ein 3,2mm-Führungsdraht verwendet, welcher eine ausreichende Steifigkeit hat, um eine intraossäre Ablenkung zu vermeiden. Wichtig ist die Kombination aus visuellem Feedback seitens der Navigation und taktilem Feedback beim Bohren und Setzen der Schrauben.
Fallbeispiel
Eine 79-jährige Patientin wurde als Fußgängerin von einem PKW angefahren. Der hintere Beckenring wurde mit transsakraler Verschraubung im Korridor S1 und S2 versorgt. Der vordere Beckenring wurde mit ventraler Symphysenplatte geschlossen und bei Schmetterlingsfraktur mit Infix überbrückt. Abbildung 2 zeigt den engen Korridor S2 mit präziser Schraubenplatzierung.
Abb. 2: Fallbeispiel: Die Röntgen- und CT-Aufnahmen zeigen den engen Korridor S2 mit präziser Schraubenplatzierung
Fazit
Zusammenfassend weist die 3D-CT-Navigation eine signifikant größere Genauigkeit (Faktor 10) hinsichtlich Schraubenlage auf. Eine Strahlenbelastung für das OP-Personal ist nicht länger gegeben. Auch für die Patient:innen ist die Strahlenbelastung nicht wesentlich erhöht, da die oftmals langen Durchleuchtungszeiten beim konventionellen Vorgehen einer Strahlendosis vom CT-Scan gleichkommen und das postoperative CT entfällt.
Die OP-Dauer ist insgesamt nicht wesentlich verlängert, da die etwas längere Dauer im Rahmen der Referenzierung am Beginn der Operation durch die raschere Platzierung der Schrauben kompensiert wird.
Literatur:
• Boudissa M et al.: Screw misplacement in percutaneous posterior pelvic iliosacral screwing with and without navigation: a prospective clinical study of 174 screws in 127 patients. Orthop Traumatol Surg Res 2022; 108(2): 103213 • Durusoy Serhat, Paksoy A: The importance of sacrum morphology in transsacral and iliosacral screw fixation. Kırıkkale Üniversitesi Tıp Fakültesi Dergisi 2021; 23(1): 68-74 • Ghisla S et al.: Posterior pelvic ring fractures: intraoperative 3D-CT guided navigation for accurate positioning of sacro-iliac screws. Orthop Traumatol Surg Res 2018; 104(7): 1063-7 • Guerin G et al.: Iliosacral screwing under navigation control: technical note. Orthop Traumatol Surg Res 2020; 106(5): 877-80 • Hasenboehler EA et al.: Prevalence of sacral dysmorphia in a prospective trauma population: Implications for a „safe“ surgical corridor for sacro-iliac screw placement. Patient Saf Surg 2011; 5(1): 8 • Kaiser SP et al.: Anatomic determinants of sacral dysmorphism and implications for safe iliosacral screw placement. J Bone Joint Surg Am 2014; 96(14): e120 •Wendt H et al.: Recommendations for iliosacral screw placement in dysmorphic sacrum based on modified in-out-in corridors. J Orthop Res 2019; 37(3): 689-96 • Yu T et al.: Computer navigation-assisted minimally invasive percutaneous screw placement for pelvic fractures. World J Clin Cases 2020; 8(12): 2464-72
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