ÖGU-Förderpreis für Open-Access-Publikationen

Molekulares Muster und Axondichte im langen Kopf der Bizepssehne und im superioren Labrum

Derzeit besteht kein Konsens für die chirurgische Therapie der Typ-II-SLAP-Läsion. In der Klinik gibt es Hinweise auf eine prolongierte Schmerzphase nach SLAP-Rekonstruktion verglichen mit anderen Techniken wie Tenodese oder Tenotomie. Ein Grund hierfür könnte die höhere Dichte an Neurofilament im anterosuperioren Labrum sein.

Eine der chirurgischen Optionen für die „Typ II superior labrum anterior to posterior (SLAP)“-Läsion ist die arthroskopische Rekonstruktion mit knotenlosen Nahtankern.1,2 Gerade in der aktuellen Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass es immer noch keine Leitlinien zur Anamnese, klinischen Untersuchung, Diagnostik und Bildgebung der SLAP-Läsion gibt.3,4 Darüber hinaus wird angemerkt, dass es keine Kriterien für eine erfolgreiche SLAP-Rekonstruktion gibt und kein Konsens für chirurgische Indikationen oder die postoperative Rehabilitation besteht.5

Persistierender Schmerz nach SLAP-Rekonstruktion wird zwar in der Literatur beschrieben, eine Erklärung dafür wurde jedoch noch nicht gefunden.6–8 Da der Schmerz von nicht myelinisierten Axonen ausgeht, haben einige Autoren bereits immunhistochemische Studien mit Neurofilament-Färbung durchgeführt, um neuronale Strukturen im langen Kopf der Bizepssehne zu verifizieren.9,10 Eine Differenzierung der unterschiedlichen neuronalen Qualitäten sowie eine erweiterte Analyse des superioren Labrums wurden bisher allerdings noch nicht durchgeführt.

Das Ziel dieser Studie war es daher, durch verschiedene Antikörperfärbungen nachzuweisen, dass im Bizepssehnenanker Axone vorhanden sind, die unterschiedliche Nervenqualitäten umfassen, insbesondere Fasern, die für die Schmerzübertragung verantwortlich sind. Da es Hinweise darauf gibt, dass nach einer SLAP-Rekonstruktion die Schmerzen stärker ausgeprägt sind, wenn die Nahtanker anterior und posterior versus alleine posterior platziert sind,11 stellten wir die Hypothese auf, dass die neuronalen Strukturen eine ungleiche Verteilung mit unterschiedlicher Dichte im anterosuperioren sowie im posterosuperioren Labrum aufweisen.

Abb. 1: Makroskopische Ansicht eines entnommenen langen Kopfes der Bizepssehne einschließlich des superioren Labrums

Hierfür wurde im Rahmen der Implantation von inversen Schulterprothesen der lange Kopf der Bizepssehne einschließlich des superioren Labrums entnommen (Abb.1). Die immunhistochemische Färbung erfolgte mit Neurofilament (NF) und „protein gene product“ (PGP) 9.5 als allgemeine Marker für Axone und „calcitonin gene-related peptide“ (CGRP) und Substance P als Marker für die nozizeptive Übertragung. Eine quantitative Beurteilung erfolgte nach den beiden Regions of Interest (ROIs), d.h. dem anterosuperioren (ROI I) und dem posterosuperioren Labrum (ROI II).

11 lange Bizepssehnen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren (Bereich: 66–87 Jahre) wurden intraoperativ gewonnen. 6 lange Bizepssehnen wurden bei Omarthrosen und 5 bei nicht rekonstruierbaren Oberarmkopffrakturen entnommen. Wir fanden eine inhomogene Verteilung der Axone in den anterosuperioren und posterosuperioren Anteilen des Labrums in allen Präparaten, unabhängig von Alter, Geschlecht und Ausgangssituation. Es zeigte sich sowohl eine signifikant höhere Anzahl (p<0,01) als auch Dichte (p<0,001) von NF-positiven Axonen in ROII (anterosuperior) im Vergleich zu ROIII (posterosuperior) (Abb.2). Nozizeptive Fasern (Substance P und CGRP) wurden immer entlang der NF-positiven Axone gefunden (Abb.3).

Abb. 2: Neurofilamentfärbung der ROI I und II. Skalenbalken: (A,B)=500 μm; Vergrößerung=20x

Abb. 3: „Double labeling“ mit Neurofilament (NF) in Kombination mit „calcitonin gene-related peptide“ (CGRP) (A-A“) und Substance P (B-B“) als nozizeptiven Marker sowie CGRP und Substance P (C-C“). Skalenbalken: A‘‘=20μm, B‘‘=10μm, C‘‘=20μm; Vergrößerung=40x

Somit deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass der Bizepssehnenanker selbst eine hoch innervierte Region mit unterschiedlichen Nervenqualitäten ist. Das anterosuperiore Labrum enthält eine höhere absolute Anzahl und Dichte an Axonen im Vergleich zu den posterosuperioren Anteilen. Außerdem konnten wir das Vorhandensein von nozizeptiven Fasern im superioren Labrum nachweisen. Die in dieser Studie gewonnenen Ergebnisse könnten zur Erklärung für die Variabilität von Schmerz nach SLAP-Rekonstruktion beitragen und in weiterer Folge für eine rein posteriore Platzierung der Nahtanker bei der Rekonstruktion von Typ-II-SLAP-Läsionen sprechen.

Boesmueller S et al.: Molecular pattern and density of axons in the long head of the biceps tendon and the superior labrum. J Clin Med 2019; 8(12): 2129

1 Brockmeyer M et al.: SLAP lesions: a treatment algorithm. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2016; 24(2): 447-55 2 Kibler WB, Sciascia A: Current practice for the surgical treatment of SLAP lesions: a systematic review. Arthroscopy 2016; 32(4): 669-83 3 Lubowitz JH: Editorial commentary: lesions of the superior labrum from anterior to posterior (SLAP) are a slap in the face to the traditional trinity of history, examination, and imaging. Arthroscopy 2015; 31(12): 2470-1 4 Provencher MT: Editorial commentary: the not so benign nature of an isolated SLAP repair. Arthroscopy 2016; 32(10): 1963-4 5 Harris JD: Editorial commentary: on Kibler & Sciascia: What did the five fingers say to the face? SLAP. A systematic review wake-up call to improve SLAP repair guidelines. Arthroscopy 2016; 32(4): 684-5 6 Katz LM et al.: Poor outcomes after SLAP repair: descriptive analysis and prognosis. Arthroscopy 2009; 25(8): 849-55 7 Boesmueller S et al.: Progression of function and pain relief as indicators for returning to sports after arthroscopic isolated type II SLAP repair-a prospective study. BMC Musculoskelet Disord 2017; 18(1): 257 8 Weber SC et al.: Superior labrum anterior and posterior lesions of the shoulder: incidence rates, complications, and outcomes as reported by American Board of Orthopedic Surgery. Part II candidates. Am J Sports Med 2012; 40(7): 1538-43 9 Alpantaki K et al.: Sympathetic and sensory neural elements in the tendon of the long head of the biceps. J Bone Joint Surg Am 2005; 87(7): 1580-3 10 Tosounidis T et al.: Evidence of sympathetic innervation and alpha1-adrenergic receptors of the long head of the biceps brachii tendon. J Orthop Sci 2013; 18(2): 238-44 11 Arroyo W et al.: Effect of anterior anchor on clinical outcomes of type II SLAP repairs in an active population. Orthopedics 2019; 42(1): e32-e38

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