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Mobilitätsmessungen bei Patienten mit Schenkelhalsfrakturen

Eine rasche postoperative Mobilisierung ist das erklärte Ziel bei der Behandlung alterstraumatologischer Patienten mit einer Schenkelhalsfraktur. Hierdurch kann eine Reduktion der Komplikationen erreicht und das Outcome langfristig verbessert werden. Neben den operativen Maßnahmen (Vollbelastung, weichteilschonende Zugänge) spielen die postoperativen Rehabilitationsmaßnahmen eine große Rolle. Unklar ist jedoch bislang, wie sich die Wahl des operativen Zugangs auf die postoperative Mobilität auswirkt. Mithilfe von mobilen Sensoren ist eine Mobilitätsmessung bei alterstraumatologischen Patienten möglich. Sie erlauben eine objektive Quantifizierung bestehender Differenzen in der postoperativen Mobilisierung bei unterschiedlicher operativer Versorgung.

Keypoints

  • Die Verwendung des DAA als muskelsparender Zugang scheint positive Auswirkungen auf die postoperative Mobilität zu haben.

  • Unabhängig vom verwendeten Zugang ist eine frühzeitige Mobilisierung essenziell für alterstraumatologische Patienten.

  • Durch eine Erfassung der Mobilität kann frühzeitig auf Defizite reagiert und somit das Outcome verbessert werden.

Hüftgelenksnahe Femurfrakturen zählen zu den häufigsten und vital bedrohlichsten Verletzungen älterer Patienten und sind zumeist mit einer Osteoporose vergesellschaftet. Die konsekutive Zunahme der älteren Bevölkerung durch den demografischen Wandel in den Industriestaaten bedingt eine stete Zunahme dieser Verletzungen und damit auch einen Wandel der unfallchirurgischen Versorgung von jüngeren hin zu älteren Verletzten. Inzwischen ist es fachübergreifender Konsens, dass es nicht ausreichend ist, diese oftmals hochbetagten Patienten einer ausschließlich unfallchirurgischen Behandlung zu unterziehen, da die 1-Jahres-Mortalität noch immer zwischen 11% und 29% angegeben wird.1

Essenzielle Probleme bestehen außerdem durch die Verschlechterung der Mobilität und die damit verbundene Abhängigkeit von Hilfsmitteln sowie die daraus resultierende Pflegebedürftigkeit.1,2

Die Gründe für die oftmals rasche Verschlechterung des Gesundheitszustandes älterer Hüftfrakturpatienten sind mannigfaltig. Neben der chirurgischen Versorgung haben häufig vorkommende Begleitumstände wie die Fragilität (Gebrechlichkeit), Sarkopenie, Osteoporose, Polypharmazie, Komorbiditäten und andere Bedingungen einen entscheidenden Einfluss auf das Outcome von Hüftfrakturpatienten.Zudem begünstigen die häufig bestehenden metabolischen Veränderungen älterer Patienten die Entstehung peri- und postoperativer Komplikationen wie Harnwegsinfektionen, Thrombembolien, Pneumonien und Druckulzera.3 Das übergeordnete Ziel einer erfolgreichen Behandlung bei älteren Hüftfrakturpatienten ist daher die rasche Wiedererlangung größtmöglicher Mobilität, um die Rückkehr zu Aktivitäten wie vor dem Unfall zu ermöglichen.1

Möglichkeiten der Mobilitätsmessung

Abb. 1: Angebrachter activPALTM an einem linken Oberschenkel. Die kompakte Bauform ermöglicht eine gute Compliance bei den Messungen

Bislang findet eine Quantifizierung der Mobilität vor allem über klinische Scores statt. Diese stellen jedoch nur eine Momentaufnahme dar und sind nicht dafür geeignet, die Mobilität langfristig im Verlauf zu quantifizieren und frühzeitig auf mögliche Mobilisationsdefizite einzugehen.

Eine kontinuierliche objektive Messung der körperlichen Aktivität hingegen erfasst die gesamte reale Mobilität des Patienten und ermöglicht so eine individuelle Beurteilung während der Behandlung.

Die Akzelerometrie als zugrunde liegende Technik ist Bestandteil von tragbaren Mobilitätstrackern („wearables“) und mithilfe spezifischer Algorithmen können verschiedene Aktivitätsparameter berechnet werden.4 Dank dieser einfachen und robusten Technik können Parameter wie Schrittzahl, Aktivitätszahl oder Kalorienverbrauch bestimmt werden (Abb. 1).

Geringe Mobilität im Krankenhaus

Die postoperative Mobilität von alterstraumatologischen Patienten im Spital ist massiv eingeschränkt, trotz täglicher Physiotherapie und Möglichkeit zur Vollbelastung.5 Hier besteht in der täglichen Routine nur eine geringe Selbstmobilisierung der Patienten. Unabhängig von Alter, Frakturtyp oder Schmerzen scheint die Mobilisierung bei hospitalisierten orthogeriatrischen Patienten extrem gering zu sein. Als Ursachen für diese geringe Mobilisierung müssen somit nicht nur medizinische Gründe in Betracht gezogen werden, sondern auch andere Faktoren wie das Fehlen von Aufenthaltsräumen oder Automatiktüren.

Verbesserung der Mobilität durch eine optimierte OP-Strategie

Neben der Optimierung organisatorischer Abläufe und der Station kommt der Operation als Kernelement der chirurgischen Behandlung eine wichtige Rolle zu. Sie muss beim alterstraumatologischen Patienten immer die Vollbelastung als Ziel haben. Die rasche, schmerzarme Mobilisierung unter Vollbelastung ist ein Dogma in der Alterstraumatologie.6

Am Hüftgelenk ist hier in jüngerer Zeit der direkte anteriore Zugang (DAA) zum Hüftgelenk in den Fokus gerückt. Der DAA schont dabei insbesondere den Tractus iliotibialis und den M. gluteus medius, denen eine Schlüsselrolle für die postoperative Funktion zugeschrieben wird. Dementsprechend ist der DAA auch Teil vieler moderner Fast-Track-Konzepte in der elektiven Hüftendoprothtetik. Demgegenüber sind der klassische laterale transgluteale Zugang nach Bauer oder der anterolaterale Zugang nach Watson-Jones durch das Intervall M. gluteus medius und M. tensor fasciae lateae in vielen Kliniken etabliert und werden gerade in der Unfallchirurgie häufig als Standardzugang verwendet. Bislang sind aber keine objektivierbaren Mobilitätsdaten verfügbar, welche die Zugänge hinsichtlich ihrer frühfunktionellen Ergebnisse vergleichen.

Im eigenen Kollektiv konnten bislang durch die kontinuierliche postoperative Mobilitätsmessung erhebliche Unterschiede in der postoperativen Mobilisierung von alterstraumatologischen Patienten festgestellt werden. An einem Kollektiv von 10 alterstraumatologischen Patienten (n=5 DAA, n=5 anterolateraler Zugang) wurde mithilfe eines tragbaren Akzelerometers ab dem ersten postoperativen Tag die Mobilität kontinuierlich erfasst. Hierbei zeigen Patienten, die nach einer Schenkelhalsfraktur über den DAA-Zugang eine Hüftprothese erhalten haben, eine höhere tägliche Schrittanzahl. Höher war auch die tägliche Anzahl an Sit-to-Stands (Abb. 2).

Abb. 2: Vergleich der objektiven Mobilität bei alterstraumatologischen Patienten. Die Patienten, die eine Versorgung mit DAA erhalten haben, zeigen eine bessere postoperative Mobilität

Dass beim DAA-Zugang die Muskulatur rund um das Hüftgelenk in der Regel deutlich weniger in Mitleidenschaft gezogen wird als beim anterolateralen Zugang, scheint ein Grund dafür zu sein, dass die DAA-Patienten früher und besser mobilisierbar sind als die Vergleichsgruppe. Dies ist aufgrund der geringen postoperativen Mobilität von alterstraumatologischen Patienten von besonderer Bedeutung, da für diese vulnerable Patientengruppe eine suffiziente Mobilisierung an vorderster Stelle steht.

Dank der kontinuierlichen Mobilitätsmessung können Unterschiede in der postoperativen Mobilität objektiviert und quantifiziert werden. Hierdurch kann in Zukunft die Nachbehandlung individueller gestaltet werden und Patienten mit einem Mobilitätsdefizit können frühzeitig identifiziert werden.

1 Liener UC et al.: Weißbuch Alterstraumatologie. Kohlhammer Verlag 2018 2 Kammerlander C et al.: Long-term functional outcome in geriatric hip fracture patients. Arch Orthop Trauma Surg 2011; 131: 1435-44 3 Gosch M et al.: Orthogeriatric co-management improves the outcome of long-term care residents with fragility fractures. Arch Orthop Trauma Surg 2016; 136(10): 1403-9 4 Keppler AM et al.: Validity of accelerometry in step detection and gait speed measurement in orthogeriatric patients. PLoS One 2019; 14(8): e0221732 5 Keppler AM et al.: Postoperative physical activity in orthogeriatric patients - new insights with continuous monitoring. Injury 2020; 51(3): 628-32 6 Kammerlander C et al.: Inability of older adult patients with hip fracture to maintain postoperative weight-bearing restrictions. J Bone Joint Surg Am 2018; 100(11): 936-41

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