© Bettina Greslehner

Heilende Explosionen

„Letztendlich werden fast alle Disziplinen der Medizin von der Stoßwelle profitieren“

Geschichte und Gegenwart der Stoßwellentherapie waren ORF III eine 45-Minuten-Dokumentation wert, ausgestrahlt am 7. Februar 2024 in treffpunkt medizin. Die Protagonisten? Ärzt:innen aus verschiedenen Bereichen der Medizin: Unfallchirurgie, Orthopädie, Urologie, Herzchirurgie und plastische Chirurgie. Denn überall hier findet die Stoßwelle ihre Indikationen und Anhänger. Dr.Wolfgang Schaden unddas Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie luden zur Filmpräsentation.

Die Stoßwellenbehandlung am offenen Herzen ist die neueste Erfolgsgeschichte einer spannenden Entwicklung in der Medizin, die sich über etliche Indikationen erstreckt. In Innsbruck wurde eine prospektive, placebokontrollierte, verblindete Studie vorzeitig mit Zustimmung der Ethikkommission beendet, weil man den Patient:innen der Placebogruppe die offensichtlich hochwirksame Therapie nach der Bypassoperation nicht mehr vorenthalten wollte, erzählte Herzchirurg Priv.-Doz. Dr. Johannes Holfeld.

„Der Wirkmechanismus der Stoßwelle ist in allen Geweben und Organen gleich“, so Holfeld weiter und sprach von der unglaublichen Regenerationskraft durch die Stoßwelle bei Herzinsuffizienz: Die Herzpumpleistung verbesserte sich um mehr als 11%, was eine sehr gute klinische Effizienz sei.

Dr. Wolfgang Schaden, der Pionier der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) in Österreich, sagte dazu: „Sie hat ein echtes regeneratives Potenzial. Durch die Stoßwelle werden Progenitorzellen aktiviert und Stammzellen differenzieren schließlich zu dem Gewebe, das gebraucht wird, ob das Nervenzellen, Kardiomyozyten oder neue Blutgefäße sind – und das so gut wie komplikationsfrei. Abgesehen vom sozioökonomischen Impakt durch die enorme Kostenersparnis durch die Stoßwellenbehandlung ist das eine echte Erfolgsstory.“ Dr. Schaden bedankte sich anschließend bei Univ.-Prof. Dr. Heinz Kuderna, dem Mentor und Förderer der ESWT in Österreich.

Der Indikationskatalog für die ESWT ist dementsprechend breit: Angefangen bei Pseudarthrosen, Enthesiopathien am gesamten Körper (Tennisellbogen, Plantarfaszie, Achillessehne), chronischen Wunden, Cellulite, Herzinsuffizienz bis hin zu experimenteller Krebsforschung (Melanom) lässt sich die Reihe beliebig erweitern. Dr. Wolfgang Schaden stand uns für ein paar Fragen zur Verfügung:

Sehen Sie sich als Wegbereiter der Stoßwellentherapie in Österreich bzw.Europa?

W. Schaden: Gemeinsam mit anderen Kollegen, wie z.B. Vinzenz Auersperg, haben wir sicher einiges dazu beigetragen, dass diese mittlerweile gar nicht mehr so neue Technologie in der Orthopädie und auch vielen anderen Fächern in Österreich, Europa, aber auch weltweit zunehmend erfolgreich angewandt wird.

Viele Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen haben in ihren Ordinationen heute Stoßwellengeräte. Diese Leistung ist zwar eine private, wird aber von den Patient:innen gerne angenommen. Welche Indikationen sind heute vorwiegend etabliert?

W. Schaden: Noch immer stehen orthopädisch-unfallchirurgische Indikationen im Vordergrund. Die Wirksamkeit bei chronischen Enthesiopathien ist ja mittlerweile unbestritten. Sehnen- und Sehnenansatzerkrankungen sprechen fast alle sehr gut auf die Stoßwellenbehandlung an. Auch bei Pseudarthrosen, die keiner chirurgischen Stellungskorrektur bedürfen, wird die Stoßwelle zunehmend zur Standardtherapie, vor allem weil sie praktisch so erfolgreich wie die operative Therapie, nebenwirkungsfrei und signifikant billiger ist.

Wohin führt der Weg? Was prognostizieren Sie?

W. Schaden:Noch können wir die Entwicklung kaum absehen: Aufgrund des regenerativen Potenzials der Stoßwelle werden letztendlich fast alle Disziplinen in der Medizin davon profitieren. Die Stoßwelle erweist sich zunehmend auch bei akuten Verletzungen als wirkungsvoll: Es gibt kaum noch sportliche Großereignisse (EM, WM, Olympische Spiele etc.), bei denen die Stoßwelle nicht vor Ort eingesetzt wird. Auch plastische Chirurg:innen verwenden zunehmend die Stoßwelle: Nicht nur bei der Narbenbehandlung, auch bei frischen Verbrennungen können die Patient:innen enorm profitieren. Selbst bei Cellulite konnte die Stoßwelle mittlerweile in mehreren prospektiven, randomisierten, kontrollierten und verblindeten Studien signifikant bessere Ergebnisse im Vergleich zur Placebogruppe nachweisen. Die Sexualmediziner haben z.B. bei der erektilen Dysfunktion die Stoßwelle hocheffektiv eingesetzt (vergleichbar mit oder effizienter als Viagra). Zunehmend wird die Stoßwelle auch bei jeder Form der chronischen Wundheilungsstörungen bis hin zur Lepra erfolgreich angewandt.

Derzeit ist eine Arbeit, die an der Uni Innsbruck durchgeführt wurde, unter Review, die nachweist, dass Patient:innen, die nach Herzinfarkt eine Bypass-OP erhalten, signifikant von der Stoßwelle profitieren. Im Einvernehmen mit der Ethikkommission wurde die Studie frühzeitig beendet, weil es als unethisch angesehen wurde, den Patient:innen der Placebogruppe die Stoßwellentherapie vorzuenthalten. Patient:innen, die vor der Behandlung kaum 200 Meter beschwerdefrei gehen konnten, können wieder joggen und schifahren.

<< Bei Pseudarthrosen wird die Stoßwelle zunehmend zur Standardtherapie, weil sie praktisch so erfolgreich wie die operative Therapie, nebenwirkungsfrei und signifikant billiger ist.>>
Hochenergetische, fokussierte Stoßwelle kann nur unter Vollnarkose angewendet werden. Welche Zentren in Österreich bieten das an?

W. Schaden: Die hochenergetische, fokussierte Stoßwelle wird vor allem am Knochen erfolgreich eingesetzt: bei Pseudarthrose, verzögerter Knochenheilung, Knochenmarksödem, frühen Stadien der Osteochondritis dissecans, ischämischer Knochennekrose etc. Derzeit wird sie außer in Klagenfurt und Linz in allen UKHs angeboten (in Linz behandelt das AKH mit ESWT). In Wien gibt es die hochenergetische Stoßwelle an beiden Standorten des Traumazentrums Wien (Lorenz Böhler und Meidling) sowie im AKH. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da ich mittlerweile nicht mehr alle Zentren persönlich kenne.

Die TV-Dokumentation „Heilende Explosionen: Revolution in der Stoßwellentherapie“ ist unter folgendem Link abrufbar:

https://digest-ev.de/news/details/tv-beitrag-heilende-explosionen.html

Film-Preview-Veranstaltung „Heilende Explosionen. Geschichte und Gegenwart der Stoßwellentherapie“, Traumazentrum Wien, Standort Lorenz Böhler, 5. Februar 2024

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