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Knorpelersatz: neue Materialien

Für den Knorpelersatz mit Biomaterialien stehen verschiedenene Konzepte zur Auswahl: die klassische Knorpelzelltransplantation mit autologen Zellen als zweizeitiger Eingriff, die einzeitige zellfreie Implantation von Biomaterialien in Kombination mit Mikrofrakturierung oder mit Eröffnung des subchondralen Knochens und die Anwendung von Biomaterialien zusammen mit Knochenmarkstammzellen aus Knochenmarkaspirat. Für ausreichend große osteochondrale Fragmente sollte die Refixierung angestrebt werden.

Keypoints

  • Biomaterialien zum Knorpel­ersatz können zellfrei oder in Kombination mit Zellen (autologe Knorpelzellen oder Knochenmarkzellkonzentrat) angewendet werden.
  • Für die zellbasierten Methoden kommen die ATMP-Richtlinien zur Anwendung, die eine Zertifizierung bei der EMA notwendig und damit die Zulassung sehr komplex machen.
  • Die genannten Methoden sind für fokale Knorpeldefekte in stabilen Gelenken mit physiologischen Achsverhältnissen indiziert.

Regulatorische Voraussetzungen

Die Möglichkeiten für den Knorpelersatz mit Biomaterialien sind seit Einführung der ATMP-(Advanced Therapies Medicinal Products)-Richtlinien im Jahr 2013 im Vergleich zu vorher deutlich limitierter. Die Knorpelzelltransplantation wurde als Zelltherapie eingestuft und damit muss ein solches Verfahren bei der EMA (European Medicines Agency) zertifiziert werden. Dieser Prozess ist nur mit sehr aufwendigen Studien und erheblichem finanziellem Aufwand möglich. Dies hat dazu geführt, dass es in den vergangenen Jahren in Österreich nur ein Produkt gab, das die autologe Knorpelzelltransplantation ermöglichte. Viele Firmen haben sich aus dem Gebiet der Knorpelzelltransplantation zurückgezogen, da internationale Zulassungen nahezu unmöglich geworden sind. Diese Entwicklungen erklären auch, warum die Alternative der zellfreien Verfahren an Boden gewonnen hat. Es gibt zahlreiche Biomaterialien auf Kollagen- oder Hyaluronbasis, die in Kombination mit der Mikrofrakturierung angewendet werden können. Der Vorteil gegenüber der Mikrofrakturierung alleine soll in der dreidimensionalen Struktur der Matrices liegen, die den aus dem subchondralen Knochen einwandernden Zellen, die auch mesenchymale Stammzellen beinhalten, eine Struktur zur Anhaftung und optimierte Differenzierungsbedingungen bieten und die Zellen im Defekt halten.
Bei osteochondralen Defekten, wo der subchondrale Knochen bei der Präparation naturgemäß eröffnet wird und es einblutet, können ebenfalls zellfreie Biomaterialien, die meist einen schichtweisen Aufbau zur Imitation des Knochens und der knorpeligen Oberfläche aufweisen, verwendet werden. Eine Weiterentwicklung besteht in der Anwendung von Knochenmarkaspirat-Konzentrat („Bone Marrow Aspirate Concentrate“, BMAC) aus dem Beckenkamm in Kombination mit einer Matrix. Die Ratio besteht darin, dass der Anteil an mesenchymalen Stammzellen deutlich höher ist als bei der Mikrofrakturierung und außerdem die subchondrale Lamelle intakt bleibt. Dies soll das ungewollte Phänomen von Osteophytenbildung im Defekt, wie sie bei der Mikrofrakturierung beobachtet werden, verhindern. Die Einführung dieser Therapieform war initial ebenfalls Schwierigkeiten ausgesetzt, da es im Rahmen des Genehmigungsprozesses einer randomisierten Studie zu der Frage kam, ob hier ebenfalls die ATMP-Richtlinien zur Anwendung kommen. Mit vereinten Kräften und zahlreichen Schreiben verschiedener akademischer Stakeholder an die zuständigen Behörden konnte klargestellt werden, dass in diesem Fall keine Zellmanipulation stattfindet (Zentrifugieren stellt keine Zellmanipulation dar) und auch keine „Zweckentfremdung“ der Zellen vorliegt, da es sich genauso wie bei der Mikrofrakturierung um Zellen aus dem Knochenmark handelt. Durch die Genehmigung der klinischen Studie (Vergleichsstudie BMAC mit Biomaterial zu Mikrofrakturierung), die derzeit multizentrisch weltweit läuft, durch die zuständigen Ethikkommissionen und die AGES wurden hier klare Verhältnisse geschaffen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass hier weniger „neue Materialien“, sondern eher jene vorgestellt werden können, die aktuell zugänglich und zugelassen sind. In dieser Übersicht werden in der Folge Stellvertreter der verschiedenen Therapiekonzepte vorgestellt, wobei hier keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.

Knorpelzelltransplantation

Die MACT („matrix-associated autologous chondrocyte transplantation“) ist ein zweizeitiges Verfahren. Es wird eine Knorpelzellbiopsie entnommen, es erfolgen die Züchtung der Zellen und danach die Implantation in Kombination mit einem Biomaterial. In Österreich stand in den letzten Jahren als einziges zugelassenes System nur das igo®.chondro.SERVICES zur Verfügung. Hier wird die Zellsuspension im OP mit Fibrin resuspendiert und auf einen Kollagenschwamm aufgebracht. Der Defekt wird mit Thrombinlösung benetzt und bei Einbringen der Matrix kommt es zu einer Vernetzung und Stabilisierung mit dem Fibrin-Zell-Gemisch (Abb. 1). Die ideale Indikation sind fokale Grad-III–IV-Knorpeldefekte von 1,5–6cm2. Multiple Defekte oder „kissing lesions“ haben geringere Erfolgschancen. An unserer Abteilung wurden 19 Patienten mit Knorpelläsionen des Kniegelenks mit dem igo®-System versorgt. 12- und 24-Monats-Follow-up-Ergebnisse sind von 12 Patienten vorhanden. Es konnte eine Verbesserung der klinischen Ergebnisse beobachtet werden: Der Lysholm-Score verbesserte sich von präoperativ 55,1 (±16,1) auf 90,25 (±6,1) nach 12 und auf 93,9 (±4,8) nach 24 Monaten. Der Cincinnati-Score veränderte sich ebenfalls positiv von präoperativ 3,75 (±1,28) auf 7,5 (±1,7) nach 12 Monaten und 7,6 (±1,5) nach 24 Monaten. Die MRT-Auswertung ist noch ausständig. In Abbildung 2 und 3 ist ein Fallbeispiel dargestellt. Dass die MACT stabile Langzeitresultate liefert, konnte auch für das nicht mehr am Markt befindliche Hyalograft C gezeigt werden, für das eine Erfolgsrate von 88 % nach 10 Jahren in der eigenen Serie von 53 Patienten gezeigt werden konnte.1
Rezent europaweit zugelassen ist das Spherox®-System der Firma CO.DON. Auch hier wird eine Knorpelzellbiopsie durchgeführt. Die Zellen werden jedoch ohne Biomaterial in Form dreidimensionaler Kügelchen in den Defekt eingespritzt. Der Vorteil liegt in der Adhäsion im Defekt ohne weitere Hilfsmittel und somit ist eine arthroskopische Anwendung möglich. Die Phase-II-Studie ist abgeschlossen und konnte eine Verbesserung der klinischen Scores zeigen. In der noch laufenden Phase-III-Studie wird ein Vergleich zur Mikrofrakturierung durchgeführt, hier sind die Endergebnisse noch ausständig (https://www.pei.de/SharedDocs/arzneimittel/atmp/tep/EU-1-17-1181.html). Eigene Erfahrungen mit diesem Produkt liegen noch nicht vor.

 

Zellfreie Anwendung von Biomaterialien

AMIC® („Autologe Matrix-Induzierte Chondrogenese“) ist der geschützte Name der Firma Geistlich Surgery für die Verwendung des zweischichtigen Biomaterials Chondro-Gide®, bestehend aus porcinem Kollagen Typ I/III in Kombination mit Mikrofrakturierung.2
Eine weitere Matrix, die für diese Anwendung zugelassen ist, ist die hyaluronbasierte Hyalofast®-Matrix (Anika Therapeutics). Hier zeigen sich vielversprechende klinische Ergebnisse, die Studienlage ist jedoch noch nicht beweisend für eine Überlegenheit gegenüber der Mikrofrakturierung.3


Die aus demselben Material (Hyaff®) bestehende Vorgängermatrix Hyalograft-C® zeigte gute Langzeiterfolge in ihrer Anwendung mit der MACT.1 Die Matrices sollen den Thrombus stabilisieren und die Differenzierung der Progenitorzellen fördern. Die Indikation wird in erster Linie für Grad-III–IV-Knorpeldefekte bis 4cm2 gesehen.4
Ein weiteres zellfreies Konzept bietet MaioRegen® (Finceramica): ein poröses, dreischichtiges, dreidimensionales biomimetisches Konstrukt aus equinem Kollagen Typ I und Magnesium-Hydroxyl­apatit, das den originären Knochen-Knorpel-Übergang imitiert. MaioRegen® wird nach erfolgtem Débridement in den Defekt eingesetzt. Für das klassische MaioRegen® Prime ist eine relativ tiefe Defektpräparation notwendig, da hier auch der subchondrale Knochen ersetzt wird (Abb. 4). Das Implantat nimmt durch seine Porosität Flüssigkeit auf und schwillt an, wodurch keine weitere Fixation notwendig ist. Für diese Matrix gibt es eine multizentrische, randomisierte kontrollierte Studie, die im Vergleich zur Mikrofrakturierung eine Überlegenheit der klinischen Resultate im Verlauf von 2 Jahren zeigte.5 Seit Kurzem sind auch dünnere Varianten für Defekte mit geringerem subchondralem Ausmaß (MaioRegen® Slim und MaioRegen® Chondro+) verfügbar.
In geringem Ausmaß konnten wir auch Erfahrungen mit dem ostochondralen Implantat AgiliC® der Firma CartiHeal sammeln, indem wir 3 Patienten in eine internationale Multicenterstudie einschließen konnten, deren Auswertung noch ausständig ist. Es handelt sich um einen biophasischen Zylinder aus anorganischem Kalziumkarbonat, der ähnlich der Mosaikplastik implantiert wird (Abb. 5). Essenziell ist ein gutes zirkumferentes Knochenbett, das sonst die Gefahr des Implantatversagens besteht.
Kein Biomaterial im eigentlichen Sinn, sondern ein humanes Knochenschrauben-Transplantat stellt die Shark Screw® (Surgebright) dar. Sie kann zur Refixierung größerer osteochondraler Fragmente verwendet werden und hat den Vorteil, dass sie um- und abgebaut wird und die Materialentfernung entfällt. Die ersten Patienten konnten bereits in eine österreichweite multizentrische Beobachtungsstudie eingeschlossen werden. Abbildung 6 zeigt ein Fallbeispiel.

Knorpelersatz mit Knochenmarkzellkonzentrat

BMAC® ist ein Knochenmarkzellkonzentrat, das über Zentrifugation oder spezielle Aspirationsverfahren gewonnen wird. Es erfolgt die Aspiration von Blut aus dem Beckenkamm. Dieses wird direkt im Operationssaal 14 Minuten zentrifugiert (Harvest® SmartPrep®). Das Konzentrat wird auf die Hyalofast®-Matrix, die entsprechend dem Defekt zugeschnitten wurde, aufgebracht. Sie kann für chondrale als auch osteochondrale Defekte mit gleichzeitiger Spongiosa-Unterfütterung aus dem Beckenkamm verwendet werden und optional mit Fibrinkleber an den Rändern fixiert werden (Abb. 7). Es ist auch die arthroskopische Anwendung möglich. An unserer Institution wurden bisher 16 Patienten mit dieser Technik versorgt, wobei 10 obere Sprunggelenke und 6 Kniegelenke operiert wurden. Das Follow-up von durchschnittlich 12 Monaten ist zu kurz, um eine valide Aussage zu machen. Es kann jedoch gesagt werden, dass es zu keinen peri- oder postoperativen Komplikationen kam und die bisher verfügbaren MRT-Ergebnisse im MOCART-Score zu diesem frühen Zeitpunkt zufriedenstellende Ergebnisse zeigten (Abb. 8). Auch die klinische Entwicklung (IKDC-Score) zeigte einen positiven Trend. Es ist jedoch aus bisher publizierten Serien von matrixassozierter Stammzelltransplantation bei osteochondralen Talusläsionen in Form von Knochenmarkkonzentrat bekannt, dass nach 24 bis 48 Monaten eine signifikante Verschlechterung eintrat, trotzdem zeigte sich im Endergebnis eine Verbesserung im Vergleich zum präoperativen Ausgangsbefund.6 Andere Studien, die zum Teil Patienten mit OSG-Arthrose inkludierten, zeigten ebenfalls eine Verschlechterung der Ergebnisse nach 24–72 Monaten, wobei auch hier eine Gesamtbesserung der klinischen und radiologischen Ergebnisse zum Ausgangsbefund berichtet wurde. Ein höherer Arthrosegrad, ein hoher BMI und Begleiteingriffe waren prognostisch ungünstig.7, 8 Ein Vergleich mit offener und arthroskopischer MACT des Talus zeigte keine Unterschiede im Vergleich zur einzeitigen matrixassozierten Stammzelltransplantation und sogar eine bessere Gewebequalität im MRT für letztere Methode.9 Für Knorpeldefekte im Kniegelenk liegen ebenfalls publizierte Fallserien vor, bei denen Knochenmarkkonzentrat (BMAC®) mit einer hyaluronsäurebasierten Matrix oder einem Kollagen­scaffold verwendet wurden und die gute klinische und radiologische Ergebnisse – auch im Vergleich zur MACT – zeigten.8, 10 Die besten Ergebnisse wurden bei Patienten <45 Jahren mit fokalen Läsionen erzielt.10
Eine mögliche Alternative zur Zentrifugation von Knochenmarkaspirat stellt eine spezielle Aspirationstechnik mit einer eigens entwickelten Nadel dar, die im Vergleich zu Knochenmarkzellkonzentraten eine höhere Anzahl an mesenchymalen Stammzellen bzw. CFUs („colony forming units“) erzielen soll (Marrow Cellution®, Aspire). Die Nadel hat seitliche Perforationen und wird während des Aspirationsvorgangs mehrfach zurückgezogen, um aus immer neuen Arealen aus dem Knochenmark zu aspirieren und die Aspiration von peripherem Blut zu vermeiden. Eine weitere Prozessierung des Aspirats entfällt. Die Anwendung kann direkt erfolgen und ist für alle genannten Indikationen geeignet.

1 Brix MO et al.: Treatment of full-thickness chondral defects with hyalograft C in the knee: long-term results. Am J Sports Med 2014; 42: 1426-32 2 Steinwachs MR, Guggi T, Kreuz PC: Marrow stimulation techniques. Injury 2008; 39(Suppl 1): 26-31 3 Sofu H et al.: Results of hyaluronic acid-based cell-free scaffold application in combination with microfracture for the treatment of osteochondral lesions of the knee: 2-year comparative study. Arthroscopy 2017; 33: 209-16 4 Shaikh N, Seah M, Khan W: Systematic review on the use of autologous matrix-induced chondrogenesis for the repair of articular cartilage defects in patients. World J Orthop 2017; 18: 588-601 5 Kon E et al.: A multilayer biomaterial for osteochondral regeneration shows superiority vs microfractures for the treatment of osteochondral lesions in a multicentre randomized trial at 2 years. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017; [Epub ahead of print] 6 Giannini S et al.: One-step repair in talar osteochondral lesions: 4-year clinical results and t2-mapping capability in outcome prediction. Am J Sports Med 2013; 41: 511-8 7 Buda R et al.: One-step arthroscopic technique for the treatment of osteochondral lesions of the knee with bone-marrow-derived cells: three years results. Musculoskelet Surg 2013; 97: 145-51 8 Buda R et al.: "One-step" bone marrow-derived cells transplantation and joint debridement for osteochondral lesions of the talus in ankle osteoarthritis: clinical and radiological outcomes at 36 months. Arch Orthop Trauma Surg 2016; 136: 107-16 9 Buda R et al.: Regenerative treatment in osteochondral lesions of the talus: autologous chondrocyte implantation versus one-step bone marrow derived cells transplantation. Int Orthop 2015; 39: 893-900 10 Gobbi A, Karnatzikos G, Sankineani SR: One-step surgery with multipotent stem cells for the treatment of large full-thickness chondral defects of the knee. Am J Sports Med 2014; 42(3): 648-57

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